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Urteil im "Sasser"-Prozess erst am Freitag

06.07.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Im Prozess um den mutmaßlichen Entwickler der Internet-Würmer "Sasser" und "Netsky" wird entgegen ursprünglichen Planungen erst am Freitag das Urteil verkündet. Die Plädoyers sollen am Donnerstag vor dem Landgericht in Verden (Niedersachsen) gehalten werden. Die Kammer wolle sich ausreichend Zeit für Beratungen nehmen, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Silke Streichsbier, am Mittwoch nach Ende des zweiten Verhandlungstages. Zuvor hatte ein Microsoft-Mitarbeiter über damalige Sicherheitslücken in den Betriebssystemen Windows XP und 2000 ausgesagt.

Außerdem erläuterte der Datenschutzbeauftragte des Softwareriesen am Mittwoch, wie sich Sasser und Netsky in die Computer einschleichen konnten, sagte Gerichtssprecherin Katharina Krützfeldt. Der mutmaßliche Erfinder der Schädlinge, ein 19-Jähriger aus dem niedersächsischen Waffensen, steht seit Dienstag vor Gericht. Er hat gestanden, die Würmer programmiert und verbreitet zu haben.

Sasser hatte im Mai 2004 weltweit Computer zum unkontrollierten Absturz gebracht. Netsky attackierte per E-Mail fremde Rechner. Dateien sollen aber nicht zerstört worden sein. Laut Anklageschrift beläuft sich der Schaden auf 130.000 Euro. Experten gehen dennoch von einem Millionenschaden aus, da viele Firmen zeitweise nicht mehr arbeiten konnten. Bei der amerikanischen Fluglinie Delta Airlines fielen zahlreiche Flüge aus. Bei der Europäischen Kommission waren 1200 Rechner betroffen. In Deutschland musste die Postbank zeitweise im Schneckentempo arbeiten, da Sasser rund 300.000 Rechner heimsuchte. Auch 19 Stationen der britischen Küstenwache wurden vom Wurm lahm gelegt.

Am Mittwoch kamen im Gerichtssaal auch Vertreter zweier Städte und einer Firma zu Wort, die durch den Sasser-Angriff Arbeitsausfälle hatten. Bei den Betroffenen stürzten insgesamt mehr als 2600 Rechner ab. Am dritten Verhandlungstag soll die Jugendgerichtshilfe aussagen. Erwartet werden Vorschläge zum Strafmaß und eine Einschätzung der Persönlichkeit des Täters, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Zunächst sollte das Urteil bereits am Donnerstag verkündet werden.

Der Computerfreak sitzt laut Anklageschrift wegen Datenveränderung in acht Fällen, Computersabotage und Störung öffentlicher Betriebe auf der Anklagebank. Da er zur Tatzeit erst 17 Jahre alt war, findet das Verfahren nach dem Jugendstrafrecht ohne Öffentlichkeit statt. Als Strafe drohen dem Angeklagten schlimmstenfalls fünf Jahre Gefängnis. Danach sieht es nach Expertenaussagen aber nicht aus. Vorstellbar seien Zuchtmittel wie Verwarnung, gemeinnützige Arbeit oder Jugendarrest, sagte Krützfeldt. Auch Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass die meisten Virenschreiber mit Bewährungsstrafen oder Sozialdiensten davon kommen.

Die ersten Zivilverfahren gegen den Angeklagten sind bereits abgeschlossen. Hier hätten sich die Beteiligten auf Zahlungen unter 1000 Euro geeinigt, sagte ein Sprecher des Amtsgerichts Rotenburg/Wümme auf dpa-Anfrage. Weitere Schadenersatzforderungen sind derzeit weder beim Amtsgericht noch beim Landgericht anhängig. Allerdings können Geschädigte noch bis Ende 2007 ihre Ansprüche geltend machen. (dpa/tc)