Urheberrechtsschutz nur für hervorragende Programme

01.03.1985

Computerprogramme sind nach Auffassung des OLG Frankfurt nur dann durch das Urheberrecht geschützt, wenn sie ein "bedeutendes schöpferisches Überragen der Gestaltungstätigkeit gegenüber dem allgemeinen Durchschnittskönnen" aufweisen. Damit liegt nun das dritte Urteil eines Oberlandesgerichtes vor, mit dem der Urheberrechtschutz von Programmen wohl grundsätzlich bejaht wird, im entschiedenen Fall jedoch starke Einschränkungen gemacht werden.

Die Diskussion in der DV-Branche um den Urheberschutz von Software spitzt sich offensichtlich zu (s. CW Nr. 8 vom 22.02.85, Seite14). Nach den Urteilen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Nürnberg scheint sich nunmehr mit dem kürzlich ergangenen Entscheid des OLG Frankfurt die von Experten prophezeite "Wende" in der Rechtsprechung zu bestätigen: Nur überdurchschnittliche Computerprogramme stehen unter dem Schutz des Gesetzes.

Im Hinblick auf die Brisanz dieses Urteils vom 6.11.1984 (Aktenzeichen 14 U 188/81) druckt die COMPUTERWOCHE die Begründung des Senats in den wichtigsten Punkten ab:

Es steht fest, daß wesentliche Teile der Programme des Beklagten identisch sind mit Teilen aus Programmen, deren Urheber oder allein Nutzungsberechtigter der Kläger ist, und daß diese Programme urheberrechtlichen Schutz genießen. Dem Kläger stehen deshalb die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Auskunfterteilung zu...

Dem Kläger steht wegen Verletzung von ihm zustehenden Urheberrechten an den Programmen "Durchlaufträger allgemein", "Einfeldträger" und "Stützenbemessung" durch den Beklagten gegen diesen ein Unterlassungsanspruch nach ° 97 Abs. 1 UrhG zu. Nach der gleichen Vorschrift steht ihm ein gleicher Anspruch zu wegen Verletzung eines ihm übertragenen Nutzungsrechtes an dem Programm "Stützmauer" durch den Beklagten.

1. Der Kläger ist Urheber der Programme"Durchlaufträger allgemein", "Einfeldträger" und "Stützenbemessung". (Wird ausgeführt.)

2. Der Kläger ist ferner Inhaber des Rechts auf Nutzung an dem Programm "Stützmauer". (Wird ausgeführt.)

Die vorgenannten Programme genießen Urheberrechtschutz.

Die Frage, ob die Programme des Klägers schutzfähig im Sinne des Urheberrechts sind, hat der Senat anhand der vom Kläger vorgelegten Programmlisten zu beurteilen. (Wird ausgeführt.)

1. Datenverarbeitungsprogramme (=Programme) können Gegenstand urheberrechtlichen Schutzes sein.

Sie sind vollständige, das heißt, in dem gegebenen Zusammenhang und im Sinne der benutzten Sprache abgeschlossene Anweisungen in einer problem- oder maschinenorientierten Sprache zur Lösung einer Aufgabe mittels eines mathematischen Lösungsansatzes (Algorithmus; vergl. Zahn GRUR 1978, 207/209, 211). Sie sind durch den Vorgang der Programmierung entstanden (vgl. v. Gamm WRP 1969, 96/97). Sie können Schriftwerke im Sinne von ° 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG oder Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art im Sinne von ° 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG sein.

Bei der Einordnung in eine dieser Kategorien ist zu berücksichtigen, daß ein Datenverarbeitungsprogramm von der Idee bis zum kodierten Datentröger verschiedene Entwicklungsstadien durchläuft, für die sich unterschiedlich rechtliche Überlegungen ergeben.

In den Veröffentlichungen, die sich mit dem Urheberrecht an Datenverarbeitungsprogrammen befassen, werden im allgemeinen vier Phasen unterschieden. Zahn (GRUR 1978 207/ 209 f) gibt unter Bezugnahme auf Martin (vergl. a.a.O. Fn. 14) an, daß nach Auffassung von Datenverarbeitungsfachleuten zehn Phasen unterschieden werden. Das von ihm geschriebene System besteht in einer Untergliederung des Vier-Phasen-Systems. Letzteres dürfte für eine allgemeine rechtliche Beurteilung ausreichen, es wird beschrieben durch v. Gamm WRP 1969, 96.

Die erste Phase besteht in einer generellen Problemlösung. Sie setzt eine Systemanalyse und mathematische Überlegungen allgemeiner Art voraus. Die Problemlösung wird im allgemeinen in einer Studie beschrieben.

Die zweite Phase betrifft die Aufstellung eines Datenflußplans (Flußdiagramm; Beispiel bei Zahn GRUR 1978, 207/211). Der Datenflußplan enthält die generelle Problemlösung als grafische Darstellung des Befehls- und Informationsablaufes. Es ist nur bei komplizierten Programmen erforderlich.

Als dritte Phase folgt die Herstellung des Programmablaufplanes (Blockdiagramm). Der Programmablaufplan wird für die zu benutzende Datenverarbeitungsanalyse speziell erstellt, und zwar in Form eines symbolischen Programms, das heißt, durch Niederschrift der auszuführenden Operationen unter Verwendung teilweise normierter Symbole und/ oder durch kurze Beschreibungen.

Die vierte Phase besteht in der Umwandlung des Programmablaufplanes in die der Datenverarbeitungsmaschine verständliche Befehlsfolge (Kodierung) auf Datenträger (Lochstreifen, Magnetband, Magnetplatte).

Allen vier Phasen ist die Zugehörigkeit zum Bereich der Wissenschaft gemeinsam, sie liefern ein Ergebnis, welches die für die Urheberrechtschutzfähigkeit erforderliche einheitliche, konkrete Dritten sinnlich wahrnehmbare Formgestaltung aufweist (v. Gamm WRP 1969, 96, 97).

Die generelle Problemlösung hat eine unter den Begriff des Sprachwerks (° 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) fallende Gestaltungsform. Die Verwendung mathematischer Zeichen, Zahlen, Buchstaben und Symbole steht der notwendigen Verständlichkeit nicht entgegen. Insbesondere bedarf es keiner besonderen Anweisung und Hilfsmittel zu ihrem Verständnis; die sich aus der mathematischen Schreibweise und der Technik ergebende Beschränkung des die generelle Problemlösung verstehenden Leserkreises ist unerheblich (v. Gamm a.a.O. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes).

Der Datenflußplan ist eine Darstellung wissenschaftlicher und technischer Art im Sinne von ° 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG, Auch insoweit steht die Verwendung mathematischer, technischer, grafischer Zeichenformen der Urheberrechtschutzfähigkeit nicht entgegen (v. Gamm a.a.O.; BGH GRUR 1965, 45, 46 "Stadtplan").

Der Programmablaufplan ist entweder als Darstellung wissenschaftliche technischer Art oder als Schriftwerk im Sinne von ° 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG zu beurteilen.

Die endgültige Kodierung auf Datenträger ist schließlich ein Schriftwerk nach ° 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Die Benutzung der Maschinensprachzeichen steht dem nicht entgegen, und zwar selbst dann nicht, wenn die Kodierung nur mit Hilfe einer Datenverarbeitungsmaschine lesbar wird. Denn die Notwendigkeit, außerhalb der Schrift liegende Anweisungen hinzuziehen zu müssen, hindert die Urheberrechtsfähigkeit nur dann, wenn sie wegen des sachlichen Inhaltes erforderlich ist, nicht aber, wenn außerhalb der Schrift liegende Anweisungen nur hinzugezogen werden müssen, damit die Schrift äußerlich erkennbar und entzifferbar wird. Die Benutzung technischer Hilfsmittel zur Erkennbarkeit und Sichtbarmachung läßt den Werkcharakter unberührt (v. Gamm a. a.O., ebenfalls unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH).

Die Einordnung der vier Phasen nach ° 2 Abs. 1 Nr. 1 und 7 UrhG ist unproblematisch, zumal in beiden Fällen ein gleicher Schutz gewährt wird.

Schwieriger ist dagegen die Frage zu beantworten, ob die Voraussetzungen von ° 2 Abs. 2 UrhG im Einzelfall erfüllt sind, wonach ein Werk, für welches urheberrechtlicher Schutz beansprucht wird, eine persönliche geistige Schöpfung eines Urhebers sein muß. Die Geistesschöpfung muß, wenn sie als Werk gelten soll, sich zunächst als Ergebnis einer gewissen geistigen Leistung darstellen, die in Form oder Inhalt, in der Offenbarung von Sachkenntnis oder in Sammlung, Auswahl und Gliederung eines Stoffes Ausdruck finden kann.

Mit dem Erfordernis der persönlichen Schöpfung wird verlangt, daß dem Werk eine gewisse Individualität eigen ist, die es von Vorbekannten und Alltäglichem abhebt und einen gewissen Spielraum für die persönliche Gestaltung durch seinen Urheber erkennen läßt (Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 2. Auflage, Seite 12 f; Kolle GRUR 1974, 7/8).

An beide Erfordernisse dürfen indessen nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Geschützt sind nicht nur die Werke großer Meister, die den Stempel ihrer Persönlichkeit unverkennbar tragen, sondern auch Schöpfungen, die auf einer relativ geringen geistigen Leistung beruhen und noch individuelle Züge tragen, ohne jedoch ihren Urheber erkennen zu lassen (Kolle a.a.0.). Auf jeden Fall muß aber dem Werk ein geistig-ästhetischer Gehalt als persönliche Schöpfung von einem schöpferischen Eigentlichkeitsgrad innewohnen (v. Gamm WRP 1969, 97).

Die einem Rechenprogramm und den vorausgehenden Programmierungsphaser, inneliegende technische Zielsetzung schließt als solche einen geistig-ästhetischen Werkgehalt nicht aus (v. Gamm a.a.O. S. 97; Kolle a.a.O.; Sieber BB 1980, 1547/ 1551). Die Zweckbestimmung bleibt aber nicht ohne Einfluß auf Inhalt und Form eines Werkes. Deshalb muß sich der urheberrechtlich allein relevante geistig-ästhetische Gehalt über die reine Zweckbestimmung und die dadurch bedingte Technik, Inhalts- und äußere Formgestaltung erheben und hiervon absetzen.

Da Rechenprogramme keine Kunstwerke sind, bei denen sich der geistig-ästhetische Gehalt in der Formgebung ausdrückt, muß sich der urheberrechtlich relevante, sich über die reine Zweckbestimmung und die dadurch bedingte Inhaltsgestaltung deutlich erhebende und sich davon absetzende geistig-ästhetische Gehalt in dem Gedankeninhalt des Werkes finden lassen.

Er muß seinen Niederschlag finden in der Gedankenformung und Gedankenführung des dargestellten Inhalts und oder in der besonderen geistvollen Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes (v. Gamm, Sieber, Kolle, jeweils a.a.O.).

Alle Gestaltungsformen, die in der Nähe von vorbekannten Ausarbeitungen der einzelnen Programmierungsstufen mit jeweils bekannten und üblichen Anordnungen, Systemen, Aufbau- und Einteilungsprinzipien bleiben, besitzen keinen ausreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad. Auch die nur mechanisch-technische Fortführung und Entwicklung von Vorbekanntem erreicht noch nicht einen schutzwürdigen Bereich. Dieser beginnt erst in einem erheblichen weiteren Abstand.

Die untere Grenze der Urheberrechtschutzfähigkeit setzt ein bedeutendes schöpferisches Überragen der Gestaltungstätigkeit in Auswahl, Sammlung, Sichtung, Anordnung und Einteilung der Informationen und Anweisungen gegenüber dem allgemeinen Durchschnittskönnen voraus. Dabei begründet die bloße Abweichung als solche von Vorbekanntem noch nicht eine hinreichende Eigentümlichkeit.

Doch kann bei einer besonderen Eigenart auch schon durch die Bearbeitung, Umarbeitung oder Einarbeitung vorbekannter Elemente und Formen eine eigenschöpferische Gestaltung und Wirkung erzielt werden (RGZ 116, 292/294, 295). Das ist für Rechenprogramme von besonderer Bedeutung, weil Lösungen, Informationen und Anweisungen als solche wie auch teilweise ganze Befehlsreihen in ihren Grundformen bekannt und allgemein üblich sind (v. Gamm a.a.O. Seite 98, 99).

Inwieweit die einzelnen Programmierungsphasen überhaupt Gelegenheit lassen, dem Werk einen relevanten individuellen geistig-ästhetischen Gehalt zu vermitteln, wird unterschiedlich beurteilt. Einigkeit besteht dagegen, soweit Stellungnahmen vorliegen, in der Ablehnung der vom Landgericht Mannheim (BB 1981, 1543) vertretenen Auffassung, Datenverarbeitungsprogrammen fehle regelmäßig jeglicher geistig-ästhetische Gehalt, der auf das Vorhandensein einer schöpferischen Leistung schließen lassen könne, weil sie dem Betrachter nicht als greifbare, einer geistig-ästhetischen Wertung zugängliche Formengestaltung gegenüberträten, sondern als abstrakte Kombination von Gedankenschritten und logischen Folgerungen, welche als solche der sinnlichen Wahrnehmung entzogen seien und irgendwelche das ästhetische Empfinden ansprechende Merkmale nicht aufwiesen.

Der Grund für einen Urheberrechtschutz liegt im Schutz der individuellen geistigen Arbeit, die sich in einem Werk manifestiert, nicht aber in dem ästhetischen Genuß, den das Werk vermittelt.

Für den auch nur über Grundkenntnisse der jeweiligen Programmiersprache verfügenden Betrachter sind die Ausdrücke der überwiegend die englische Sprache verwendeten Programmbefehle ebenso wie sonstige Sprachwerke ohne Schwierigkeit verständlich (Sieber a.a.O.). Daß ein Programm für Personen, die mit der Programmiertechnik und der Programmiersprache nicht vertraut sind, aus sich heraus nicht verständlich ist, steht auch nach Auffassung von Nirk in dem in dieser Sache erstatteten Rechtsgutachten (Seite 10) der generellen Schutzfähigkeit eines Programms als Sprachwerk nach ° 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG nicht entgegen.

2. Dem Senat war es nicht möglich, ein den vorstehenden Ausführungen entsprechendes Werk, das heißt Programmlisten und die dazugehörenden Zwischenergebnisse, zu beurteilen. Zwischenergebnisse konnten vom Kläger nicht vorgelegt werden, weil sie teils nicht mehr vorhanden sind und im übrigen niemals fixiert worden waren.

Der Kläger hat seine Programme nicht in der Weise entwickelt, daß der die Überlegungen in den einzelnen Phasen schriftlich festgehalten hat. Das ist aber für die Beurteilung seiner Leistung unschädlich. Denn das Ergebnis aller Einzelleistungen, die jeweiligen Programmlisten, hat der Kläger vorgelegt.

Diese Listen sind die dekodierte, durch Verwendung lesbarer Schriftzeichen bewirkte Wiedergabe des kodierten Programms, als das Ergebnis der Kodierung (vierte Phase), in der sich die Individualität und die Qualität der Leistung an den Vorstufen widerspiegelt.

Was ein Programmautor an urheberrechtlich relevanter Leistung während der Herstellung des Programms erbracht hat - und sei dies auch nur gedanklich geschehen, ohne schriftliche Fixierung von Zwischenergebnissen -, findet daher seinen wahrnehmbaren Ausdruck in dem Programm, wenn das Programm in dekodierter Form als Programmliste dem sachkundigen Betrachter verständlich gemacht wird.

3. Daß die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen ein Rechenprogramm urheberrechtlichen Schutz genießt, im vorliegenden Fall erfüllt sind, steht zur Überzeugung des Senats fest.

Der Sachverständige (Name der Redaktion bekannt) hat in seinem Gutachten vom 19. 3.1984 ausgeführt:

a) Es handele sich nicht um einfache Programme, bei denen sich der Programmablauf und die Befehlsstruktur notwendigerweise aus der Aufgabenstellung ergeben. (Wird ausgeführt.)

b) Der Urheber habe bei der Gestaltung der Programme zwischen verschiedenen Formeln, Abläufen und Variablen freiwählen können. (Wird

ausgeführt.

c) Die Programme erschöpften sich nicht nur in der mathematisch-technischen Fortführung des allgemein Vorbekannten. Daß dies nicht der Fall ist, ist nach dem Gutachten allgemein, von trivialen Ausnahmen abgesehen, für jede Implementierung eines Algorithmus anzunehmen, weil gegenüber dem "allgemein Bekannten" eine neue Dimension ins Spiel komme, die neuartige Denkweisen und unter Umständen eine gänzliche Neuformulierung des Algorithmus erforderlich mache. (Wird ausgeführt.)

d) Dementsprechend ist es auch überzeugend, daß der Sachverständige zusammenfassend festgestellt hat, die Programme ließen ein gegenüber dem allgemeinen Durchschnittskönnen deutliches Überragen der Gestaltungsfähigkeit in Auswahl und Einteilung der Informationen erkennen.

Der Beklagte hat unstreitig seine Programme dritten Personen zugänglich gemacht. Seine Programme sind in den Verarbeitungsteilen weitgehend mit den Verarbeitungsteilen der Programme des Klägers identisch. Soweit diese Identität darauf beruht, daß der Beklagte die Verarbeitungsteile der Programme des Klägers kopiert hat oder hat kopieren lassen, hat der Beklagte das Vervielfältigungsrecht des Klägers aus ° 16 UrhG verletzt (vergl. Fromm/Nordemann, a.a.O. ° 16Anm. 4),

Das gleicht gilt, soweit der Beklagte die von einer anderen Person hergestellten Vervielfältigungen der Programme des Klägers dritten Personen überlassen hat. Soweit der Beklagte Programme des Klägers benutzt hat und benutzt, liegt ein Verstoß gegen das sich aus ° 15 Abs. 1 UrhG ergebende allgemeine Verwertungsrecht des Klägers vor.

Schließlich enthält eine Verbreitung einer Vervielfältigung auch einen Verstoß gegen das sich aus ° 17 UrhG ergebende Verbreitungsrecht des Klägers.

Daß der Beklagte Kopien der Programme des Klägers benutzt hat, steht zur Überzeugung des Senats fest, Die Programme des Beklagten stimmen, wie noch darzulegen ist, in ihren Verarbeitunggteilen weitgehend mit den Programmen des Klägers überein. Diese Identität reicht für sich allein zwar noch nicht zum Beweis für eine Verletzungshandlung des Beklagten aus. Jedoch ergibt sich die erforderliche Gewißheit aufgrund von Zeugenaussagen, die die zeitliche Priorität der Programme des Klägers bestätigen. (Wird ausgeführt.)

Die Historie des Streitfalls

Der Kläger ist Baustatiker und entwickelt unter anderem DV-Programme für allgemeine Baustatik, die er gegen Benutzungsgebühr anderen Personen überläßt. Der Beklagte ist Inhaber eines Statikbüros und erstellt und vertreibt ebenfalls Software für Baustatik, unter anderem ein geschlossenes Paket von Programmen unter der Bezeichnung "S.".

Der Kläger behauptet, er habe in den Jahren 1973 bis 1975 DV-Statik-Programme für folgende konstruktive Bauteile entwickelt: Durchlaufträger allgemein, Durchlaufplatte, Einfeldträger, Stützenbemessung. An einem weiteren Programm "Stützmauer" sei ihm ein Vertriebsrecht übertragen worden. Der Beklagte habe die vorgenannten Programme seit 1977 unbefugt in seinem Programm "S." verwendet.

Die Einzelprogramme des Klägers seien in ihrem theoretisch-mathematischen Ablauf mit identischer Befehlsfolge und identischen variablen Namen unter verschiedenen Bezeichnungen übernommen worden.

Der Kläger nimmt für seine Programme Urheberrechtschutz in Anspruch, und meint, der Beklagte habe durch die Übernahme seiner Programme und deren Weitergabe auch gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen.

Der Beklagte bestreitet eine Identität zwischen den Programmen des Klägers und den in seinem Besitz befindlichen Programmen und behauptet, die letzteren Programme seien eigenständige, für ihn, den Beklagten, entwickelte Schöpfungen des Dipl.-Ing. A.

Das Landgericht holte zur Frage der Identität der Programme des Klägers mit denen des Beklagten sowie zur Frage eines Vertriebsrechtes des Klägers an dem Programm"Stützmauer" ein Sachverständigen- Gutachten ein und befragte Zeugen.

Kriterien des Senats zum Urheberrechtschutz

Der Senat bejaht die urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Datenverarbeitungsprogrammes, wenn

- es sich nicht nur um ein einfaches Programm handelt, wenn sich also bei dem Programm der Programmablauf und die Befehlsstruktur nicht notwendig aus der Aufgabenstellung ergeben,

- der Urheber bei der Gestaltung frei zwischen verschiedenen Formeln und Abläufen wählen und die Variablen weitgehend selbst festlegen konnte,

- das Programm sich nicht nur in der mechanisch-technischen Fortführung und Entwicklung des allgemein Vorbekannten erschöpft, und

- somit ein bedeutendes schöpferisches, auf einen Urheber zurückzuführendes Überragen der Gestaltungsfähigkeit in Auswahl, Sammlung, Sichtung, Anordnung und Einteilung der Informationen und Anweisungen gegenüber dem allgemeinen Durchschnittskönnen erkennen läßt.