Urheberrechtsreform und Open Source

23.11.2001
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Schreck war groß, als der "Professorenentwurf" zur Reform des Urhebervertragsrechts bekannt wurde. Das Aus des Systems freier Software drohte - bis das Bundesjustizministerium eine Ausnahmeregelung in den Gesetzentwurf einfügte.

Öffentliche Stellen richten ihre Aufmerksamkeit mehr und mehr auf freie beziehungsweise Open-Source-Software. Gerade die Bundesministerien haben die wirtschaftliche Bedeutung des freien Softwaremodells erkannt und fördern engagiert deren Einsatz. Dazu kommt für alle, die quelloffene Programme schreiben, einem neuen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums (BMJ) zur Reform des Urhebervertragsrechts besondere Bedeutung zu. Auf der Website des BMJ heißt es dazu: "Für die Open-Source-Gemeinde wurde eine Regelung gefunden, die die Möglichkeiten der Entwicklung freier Software (wie z.B. Linux) nicht beeinträchtigt."

Was war passiert? Im Mai 2000 hatte eine Reihe namhafter Rechtswissenschaftler dem BMJ einen "Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern" übergeben, der seit langem kritisierte Missstände im Urhebervertragsrecht bereinigen sollte. Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin ist der Schutz der Urheber eine Herzensangelegenheit, so dass dieser "Professorenentwurf" öffentlich zur Diskussion gestellt wurde und eine Umsetzung noch in der laufenden Legislaturperiode zu erwarten war.

Kernpunkt der geplanten Urheberrechtsreform ist die Absicht, den Urhebern einen gesetzlichen Anspruch auf eine angemessene Vergütung durch die Verwerter ihrer Werke zu gewähren. Damit soll für das Ungleichgewicht zwischen Urhebern und Verwertern bei den Vertragsverhandlungen ein Ausgleich geschaffen werden. Denn in aller Regel kann die wirtschaftlich stärkere Seite die Vertragsbedingungen diktieren - und das sind nun einmal die Filmproduzenten, Verlage und Musikverwerter. Eine angemessene Beteiligung der Urheber an den wirtschaftlichen Vorteilen aus der Nutzung ihrer Werke soll dadurch erreicht werden, dass man nicht nur einen gesetzlichen Vergütungsanspruch schafft, sondern zugleich ausschließt, dass auf diesen Anspruch im Voraus verzichtet werden kann.

Diese rechtliche Konstruktion passt auf die klassische Verwertungskette mit urheberrechtlich geschützten Gütern, für die typisch ist, dass der Urheber aus den Lizenzgebühren seinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Für die Open-Source-Welt birgt sie aber unabsehbare Gefahren. Denn zu den Grundpfeilern aller Open-Source-Lizenzen gehört nicht nur die weit gehende Einräumung von Nutzungsrechten, insbesondere die Software zu vervielfältigen, zu verändern und zu verbreiten, sondern auch die Lizenzgebührenfreiheit, um jedermann den freien Zugang zu ermöglichen. Ein gesetzlicher Vergütungsanspruch, auf den der Programmierer im Voraus nicht verzichten kann, ist mit dem System freier Software nicht vereinbar. Das Ende der lizenzgebührenfreien Weitergabe von Software würde vor allem auch das Ende der kommerziellen Nutzung von Open-Source-Software bedeuten.

Betroffen wären vor allem diejenigen, deren Tätigkeit auf einem Geschäftsmodell beruht, für das die Einnahme von Lizenzgebühren keine Rolle spielt, sondern die mit "Value-added"-Services (Support, Kombination von "proprietärer" und freier Software) Geld verdienen. Sie müssten nämlich befürchten, dass alle Programmierer, die an der Erstellung der Software beteiligt waren, nachträglich eine "angemessene Vergütung" verlangen, wenn die Software erfolgreich vermarktet werden kann.