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Update: Oracle kauft Portal Software und verschärft den Kampf um die Branchen

13.04.2006
Mit der Übernahme des Billing-Spezialisten stärkt der Datenbank-Anbieter seine Expertise im Telekommunikationssektor und ist SAP möglicherweise wieder eine Nasenlänge voraus.

Oracle hat wieder zugeschlagen. Für rund 220 Millionen Dollar übernimmt der Datenbank-Spezialist Portal Software. (siehe auch: Oracle kauft wieder ein - diesmal Portal Software). Das Angebot von 4,90 Dollar je Aktie bedeutet eine Prämie von rund 17 Prozent. Die Portal-Verantwortlichen haben sich bereits für den Deal ausgesprochen.

Portal Software hat sich auf Billing- und Umsatz-Management-Lösungen für die Kommunikations- und Medienbranche spezialisiert. "Wir beliefern mehr als 90 Prozent aller Kommunikationsfirmen weltweit mit Technik und Appliaktionen", begründete Oracle-President Charles Phillips die Übernahme. Billing sei eine logische Ergänzung für diese Kunden. "Das ist genau die Kombination, nach der die Kunden immer gefragt haben", wirbt auch Dave Labuda, Gründer und CEO von Portal Software, für die Verbindung beider Softwareunternehmen. Labuda soll künftig als Chief Technology Officer (CTO) einer speziell auf die Telekommunikationsbranche ausgerichteten Geschäftssparte innerhalb der Oracle-Organisation fungieren. Leiten soll diese Einheit als General Manager Bhaskar Gorti, bislang zuständig für den weltweiten Vertrieb, Service und Marketing bei Portal Software.

Allerdings dürften rein wirtschaftliche Gründe den Ausschlag für den Verkauf von Portal Software gegeben haben. Experten zufolge galt der im kalifornischen Cupertino beheimatete Hersteller seit geraumer Zeit als Übernahmekandidat. In den zurückliegenden Quartalen war der Billing-Experte mit seinen Bilanzen ins Straucheln. Für das Geschäftsjahr 2005, das am 28. Januar vergangenen Jahres endete, konnten die Verantwortlichen erst im Sommer 2005 eine Bilanz vorlegen. Auch für die Abschlüsse der ersten Quartale des Geschäftsjahres 2006 geriet die Company in Verzug und musste die US-amerikanische Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) mehrfach um Aufschub bitten. Offiziell begründete das Management die Verzögerungen damit, dass die Buchungsmethoden überprüft werden müssten. Allerdings riss den Behörden Ende Juli 2005 der Geduldsfaden. Eine weitere Frist wurde nicht gewährt und die Aktie vom Handel an der Nasdaq ausgeschlossen.

Auch die letzten Ergebnisse gaben wenig Anlass zur Hoffnung. 2005 wies Portal Software laut vorläufigen Zahlen einen Umsatz von 104,7 Millionen Dollar nach 126,8 Millionen Dollar im vorangegangenen Geschäftsjahr 2004 aus. Der Verlust wuchs von 40,2 auf 75,4 Millionen Dollar.

Angesichts dieser Situation dürfte den Portal-Verantwortlichen das Übernahmeangebot durch Oracle gerade recht gekommen sein. Mit den zugekauften Billing-Lösungen könne man sein Softwareangebot für Telekommunikationsunternehmen komplettieren, hieß es von Seiten des Datenbankanbieters. Neben den eigenen Enterprise-Resource-Planning-Lösungen (ERP), dem ebenfalls zugekauften Customer-Relationship-Management-Angebot von Siebel Systems, das traditionell im Telko-Sektor ein gutes Standing hat, den eigenen Infrastruktur-Komponenten rund um die Datenbank und die Middleware könne Oracle nun den gesamten Softwarebedarf dieser Branche bedienen, heißt es in der Konzernzentrale im US-amerikanischen Redwood Shores.

Die Oracle-Verantwortlichen bemühen sich seit geraumer Zeit, ihre Branchenkompetenz zu schärfen (siehe auch: Wer siegt im Kampf um die Branchen?). President Phillips hatte Mitte vergangenen Jahre angekündigt, Oracle werde sich auf acht Kernbranchen konzentrieren und entsprechende Softwarepakete schnüren (siehe auch: Oracle will sich neu aufstellen). Welche Branchen der Softwareanbieter dabei ins Visier nimmt, ist bislang allerdings noch unklar. Fest steht, dass mit den Übernahmen von Retek und iFlex im Jahr 2005 Handelsunternehmen und Finanzdienstleister adressiert werden sollen. Mit der Akquisition von Portal Software dürfte nun der Telekommunikationsbereich als dritter Branchenfokus feststehen.

Die Telekommunikationsunternehmen ständen weltweit unter Druck, meint Sergio Giacoletto, Executive Vice President von Oracle in Europa. Steigender Wettbewerbsdruck sowie zunehmend komplexere Services würden die Anbieter dazu zwingen, schnell auf Veränderungen im Markt reagieren und neue Serviceangebote zusammenstellen zu können. Dieser Trend äußere sich Giacoletto zufolge unter anderem in steigenden CRM-Ausgaben der TK-Anbieter. Mit einem Komplettangebot hoffen die Oracle-Verantwortlichen offenbar, einen größeren Anteil der IT-Budgets für die eigenen Produkte zu gewinnen. Rund 96 Prozent der Portal-Kunden nutzen bereits Oracle-Datenbanken. Im Applikationsbereich sind es allerdings erst 57 Prozent.

Mit der jüngsten Akquisition Oracles könnte sich auch der Wettbewerb um die Branchen unter den Softwareanbietern weiter verschärfen. Erst im vergangenen Jahr waren beispielsweise Oracle und SAP bei dem Versuch, den Spezialisten für Handelssoftware Retek zu übernehmen, aneinander geraten. Auch im Falle von Portal Software kreuzen sich die Wege beider Softwarehersteller. SAP kooperiert seit April 2003 mit Portal Software. Die Billing-Lösung der US-Amerikaner ergänzt SAPs Branchenlösung für den Telko-Sektor. Erst im Januar 2006 wurde die Integration der aktuellen Version "Portal 7" in "SAP for Telecommunications" bekannt gegeben. Zudem erhielt die Portal-Lösung eine Netweaver-Zertifizierung von SAP. Die wachsende Komplexität der Kommunikationsindustrie zwinge die Anbieter, ihre Finanzströme genau zu kontrollieren, verwies Harald Hinderer, Vice President für die entsprechende Brancheneinheit innerhalb der SAP, auf die Bedeutung der Technik von Portal Software für die eigene Branchenlösung.

Neben der SAP arbeitet Portal Software auch mit dem Oracle-Konkurrenten Microsoft zusammen. Diese Kooperation stammt ebenfalls aus dem Jahr 2003. Ob und inwieweit diese Verträge nun auf dem Prüfstand stehen, ist derzeit noch nicht abzusehen. Bei der SAP gibt man sich indes betont gelassen. Man gehe davon aus, dass die Partnerschaft weiter Bestand hat, verlautete aus Walldorf. (ba)