Web

Update: Keine heimlichen Online-Durchsuchungen - Bund will handeln

05.02.2007
Die Polizei darf Computer vorerst nicht heimlich über das Internet ausspionieren. Für so genannte Online-Durchsuchungen zum Beispiel von Terrorverdächtigen fehle die gesetzliche Grundlage, entschied heute der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

Das Ausspähen von Daten mit Hilfe eines Programms, das ohne Wissen des Betroffenen auf seinen Computer aufgespielt wird, sei nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt. Sie erlaube nur eine offene Vorgehensweise (AZ StB 18/06 – Beschluss vom 31. Januar 2007).

Bundesinnenministerium und Ermittler fordern nun rasch ein entsprechendes Gesetz; Datenschützer, Rechtsanwälte, Verleger, Journalisten und Oppositionspolitiker warnen dagegen vor dem "gläsernen Bürger". Der Bund will Online-Durchsuchungen vor allem zur Terrorbekämpfung einsetzen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU): "Aus ermittlungstaktischen Gründen ist es unerlässlich, dass die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit haben, eine Online-Durchsuchung nach entsprechender richterlicher Anordnung verdeckt durchführen können." Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz warnte vor einem Schnellschuss: "Die Online-Durchsuchung ist weder eine Hausdurchsuchung noch eine Abhörmaßnahme, sondern etwas drittes, für das wir keine klare Rechtsgrundlage haben."

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft nutzen immer mehr Straftäter das Internet. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter und die Gewerkschaft der Polizei verlangten rasch eine klare Rechtsgrundlage, um schwere Verbrechen wie Kinderpornografie, Terrorismus oder Organisierte Kriminalität bekämpfen zu können.

Der BGH war bei der Frage der Internet-Ausspähung bislang uneins: Ein Ermittlungsrichter hatte die Rechtmäßigkeit im Februar 2006 bejaht, ein anderer hatte sie im November verneint. Die Bundesanwaltschaft legte gegen den letzten Beschluss Beschwerde ein. Sie wollte bei Ermittlungen wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung dem Verdächtigen ein speziell zur Ausspähung entwickeltes Computerprogramm zuspielen, um an wichtige Informationen zu kommen.

Nach Ansicht des 3. BGH-Strafsenats greift dies erheblich in Grundrechte des Betroffenen ein. "Das Bild der Strafprozessordnung von einer rechtmäßigen Durchsuchung ist dadurch geprägt, dass Ermittlungsbeamte am Ort der Durchsuchung körperlich anwesend sind und die Ermittlungen offen legen", heißt es in dem Beschluss. Die Online-Durchsuchung sei auch nicht mit der Telefonüberwachung vergleichbar, weil dabei nicht nur die Kommunikation zwischen dem Verdächtigen und einem Dritten überwacht werde. Vielmehr werde eine umfassende Übermittlung der auf dem Zielcomputer gespeicherten Daten an die Ermittler ausgelöst.

Die Bundesrechtsanwaltskammer warnte wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, die Politik davor, solche Methoden durch eine Gesetzesänderung zu legitimieren. Die heimliche Computer-Durchsuchung sei ein gravierender Eingriff in Persönlichkeits- und Freiheitsrechte sowie in das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Online-Durchsuchungen beschädigen aus Schaars Sicht "das Vertrauen in die Sicherheit des Internets".

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) appellierte an das Innenministerium, den Richterspruch zu akzeptieren und keine Gesetzesänderungen anzustreben, "nur um die heimlichen Online-Durchsuchungen doch noch zu ermöglichen". Für die Medien bedeute das Urteil einen ersten Schritt zur Stärkung des Quellenschutzes und damit auch der Pressefreiheit, erklärte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin.

Auch die Opposition begrüßte die Entscheidung. "Eine Online-Durchsuchung übersteigt in der Intensität des Eingriffes den großen Lauschangriff", sagte die FDP-Rechtsexpertin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die Grünen sahen Schäuble und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) "beim Hacken erwischt", die Linksfraktion sprach von einem "Glücksfall für die Bürgerrechte und für jeden, der einen internetfähigen Computer nutzt". (dpa/tc)