Manager der Generation X im Führungswandel

Unternehmenskultur muss Digital Natives integrieren

11.08.2017
Von 
Prof. Dr. Dirk Lippold ist Gastprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin und lehrt darüber hinaus an verschiedenen Privathochschulen in MBA-, Master- und Bachelor-Studiengängen. Seine Lehrtätigkeit umfasst die Gebiete Unternehmensführung, Marketing & Kommunikation, Personal & Organisation, Technologie und Innovationsmanagement sowie Consulting & Change Management. Zuvor war er über drei Jahrzehnte in der Software- und Beratungsbranche tätig – zuletzt als Deutschland-Geschäftsführer einer großen internationalen Unternehmensberatung mit weltweit über 120.000 Mitarbeitern.

Das Ende der Alleinentscheider

Für traditionelle Führungskräfte und Unternehmen stellen die Digital Natives somit eine Herausforderung dar. Sie identifizieren sich nicht mehr mit dem Unternehmen, sondern mit interessanten Projekten und mitreißenden Führungspersönlichkeiten. Digitale Transformation beschränkt sich nicht auf Technologien, sie umfasst auch kulturelle Gestaltungs- und hybride Arbeitsräume, Kulturen und Werte. Klassische Anreizsysteme wie etwa Firmenwagen und Statussymbole verlieren an Wert. Wenn es nach den "Jungen" geht, ist das Ende der Vorgesetzten als Alleinentscheider bereits eingeläutet.

Abstoßung oder Adoption?

Die digitale Transformation ist also ein Kultur- und ein Leadership-Thema. Es geht nicht mehr darum, digital zu werden - wir sind es bereits. In der Unternehmenskultur müssen sich aber nicht nur die Generationen Y und Z, sondern auch die Baby Boomer und die Generation X wiederfinden. Die Frage ist also: Wie kann es gelingen, eine generationenübergreifende und -verbindende Kommunikations- beziehungsweise Unternehmenskultur zu leben? Denn im Bereich der Unternehmenskultur kommt es regelmäßig zu den größten Abstoßungen oder Adoptionen gegenüber einer neuen Technologie.

Die unterschiedlichen mentalen Modelle und Wertvorstellungen der jeweiligen Generationen zu ignorieren und mit Kündigungen zu reagieren, kann angesichts der demografischen Entwicklung keine Lösung sein. Nur eine generationengerechte Unternehmensführung kann den Wettbewerbserfolg für die Zukunft sichern.

Generationen-Matrix als Orientierungsrahmen

Die nachstehende Abbildung zeigt die unterschiedlichen positiven und negativen, wertebezogenen Ausprägungen der verschiedenen Generationen hinsichtlich ihres Verhaltens am Arbeitsplatz. Die hier dargestellte Generationeneinteilung stammt zwar aus den USA, lässt sich aber mit wenigen Abstrichen auf den europäischen Kulturkreis übertragen.

Arbeitsverhalten verschiedener Generationen
Arbeitsverhalten verschiedener Generationen
Foto: Dirk Lippold

Mehrere Wege führen zum Erfolg

Um generationengerecht und generationenverbindend zu führen und zu agieren, können mehrere Wege beschritten werden:

• Führung sollte dahingehend entwickelt werden, dass mit Begeisterung und Offenheit geführt wird. Begeisterung deshalb, weil selbst begeistert zu sein und andere mitreißen zu können zwei der wichtigsten elementaren Führungseigenschaften sind. Begeisterung vor allem auch deshalb, weil die Generation Z in der Führung durch Begeisterung einen ganz wichtigen Schlüssel für oder gegen ein Unternehmen als Arbeitgeber sieht. Offenheit deshalb, weil in einer sich ständig ändernden Umwelt eine permanente Lern- und Veränderungsoffenheit grundlegend ist. Aber auch, weil Offenheit, sprich Vertrauen, die Währung im digitalen Zeitalter sowie in der digitalen Führungskultur ist.

• Bei der Führungskräfteentwicklung sollte der Irrweg Talentmanagement durch individuelle Talententfaltungsformate ersetzt werden. Es kommt darauf an, individuelle Führungspersönlichkeiten zu entwickeln und nicht standardisierte Führungsklone als Vorgesetzte vom Fließband zu produzieren.

• Unternehmen sollten von den vielen Reviews zum (Geschäfts-)Jahresende Abschied nehmen, die in aller Regel mit einer Kalibrierung der Mitarbeiter (also einem Vergleich beziehungsweise Ranking der Kollegen einer Gradstufe) verbunden sind. Das führt zu einer Entschlackung von liebgewonnenen, organisationsweiten Prozessen, die einst aus einem Vollständigkeits- und Kontrollwahn installiert wurden, aber einer Vertrauens- und Führungskultur diametral entgegenstehen. Das kommt einem Paradigmenwechsel in der Personalbeurteilung und -entwicklung gleich.

• Die Generation Z arbeitet gerne auf hohem Aktivitätsniveau, aber mit reduzierter Verantwortung. Der Grund: Sie hat von Kindheit an durch ihre Helikopter-Eltern und in ihrer sonstigen Umgebung gelernt, die Verantwortung stets bei anderen zu sehen. Für Unternehmen und Führungskräfte bedeutet dies, dass der Generation Z Verantwortung behutsam in kleinen Schritten anerzogen werden muss. Führungskräfte sind damit im Sinne eines konstruktiven Lernbegleiters gefordert.

• Die Kompetenzen der einzelnen Generationen im Alltag sind so zu erfassen und zu kombinieren, dass sie auch im Ganzen zur Entfaltung kommen können. Hierbei können völlig neue Rollenbilder entstehen und zusammenwirken.

Wir brauchen also eine generationenverbindende Führung ohne bloße Statussymbolik, die alle fünf Generationen nicht nur verbindet, sondern auch begeistert. Nur so können alle in einer gemeinsamen Umgebung arbeiten und sowohl analoge als auch digitale Kompetenzen entwickeln.