Wie sich PC-Betriebskosten senken lassen

Unternehmen versiegeln die PCs der Anwender

27.08.1999
MÜNCHEN (CW) - Die Debatten um Betriebskosten von PCs werden inzwischen merklich leiser geführt. In etlichen Unternehmen haben IT-Verantwortliche derweil die Initiative ergriffen: Um die Ausgaben im Zaum zu halten, versiegeln sie die Rechner und bauen auf unternehmensweite Konfigurations- und Applikationsstandards.

Auf ihren Bürocomputern finden sich antike Textverarbeitungsprogramme, Mail-Clients wie "Pegasus" wickeln seit Jahrzehnten ihre Kommunikation ab und nachts lassen sie Firmen-PCs im weltweiten Verbund berechnen, wo fremdes Leben im Weltraum anzutreffen ist: Anwender und ihre Software-Vorlieben sind, so scheint es, die Geißel der IT-Abteilungen. "Richtig schlimm wird es, wenn die Nutzer auch noch Support für Applikationen wollen, die sie privat auf den Bürocomputern installieren", faßt Jeremy Collins, Systemadministrator eines texanischen Versicherungsunternehmens, die Nöte vieler DV-Verantwortlichen zusammen.

Sorge bereitet den IT-Managern weniger die Kompetenz in ihren Fachabteilungen. Vielmehr sind es die Kosten, die durch einen steigenden Personalbedarf im User-Support- und Helpdesk-Bereich anwachsen. Zeit ist Geld, und wenn die PC-Feuerwehr ausrücken muß, weil ein eingeschleuster Bildschirmschoner DLL-Dateien des Desktops zerstört, ist das ärgerlich. Doch die DV-Abteilungen schlagen zurück: Sie versiegeln die Rechner der Mitarbeiter, um den Wildwuchs an installierten Programmen einzudämmen.

"Bei 2000 vernetzten PCs haben wir die Floppy-Laufwerke abgeschlossen", berichtet Günther Vogler, Bereichsleiter Informationstechnik beim Gelsenkirchener Mineralölkonzern Veba Öl. Sollte ein Mitarbeiter etwas über Diskette installieren wollen, muß er sich erst an einen Kollegen in der Fachabteilung wenden, der den passenden Schlüssel hat. Nur durch gemeinsam von Fachbereich und Anwendern entwickelte Standards und klare organisatorische Vorgaben ist es laut Vogler möglich, die Betriebskosten der PCs in den Griff zu bekommen. Die Hypo-Vereinsbank aus München fährt eine ähnliche Strategie; sie liefert neue NT-Workstations gleich ganz ohne Diskettenlaufwerk aus.

Seit Finanzvorstände unter fachkundiger Anleitung durch Beratungsunternehmen jede PC-Komponente auf ihre Existenzberechtigung untersuchen, wächst der Druck auf die IT-Abteilungen. "Sie laufen Gefahr, nur als Kostenstelle dazustehen", so die Analystin Mary Hartman von der International Data Corp. (IDC). Controller schielen mit einem Auge auf den Return on Investment (ROI), mit dem anderen auf die Total Cost of Ownership (TCO). Das sei zwar ein guter Anfang, so Hartman, aber bei weitem nicht genug: "Unter den Tisch fallen dabei die Vorteile, die mit dem Computer in die Unternehmen gekommen sind."

Inzwischen relativiert sogar die Gartner Group, Erfinder des Begriffs TCO, ihre ursprüngliche Argumentation. Nach Aussage der Analysten ist es gerechtfertigt, für höherwertige Aufgaben im Unternehmen auch Computer einzuplanen, deren Kauf- und Betriebskosten über dem internen Durchschnitt liegen. Schließlich stelle ein Aktienhändler andere Anforderungen an seinen PC als ein Datentypist. Damit trägt Gartner indirekt der Tatsache Rechnung, daß es niemals ein allgemeingültiges TCO-Modell, sondern nur mehr oder weniger genaue Schätzwerte gegeben hat.

Auch der TK-Anbieter Viag Interkom kalkuliert den PC- und Supportaufwand mit spitzer Feder. Die Mitarbeiter haben mit dem Arbeitsvertrag unterschrieben, daß sie ihre Computer nicht öffnen. Sollte das dennoch geschehen, so Aysha Majid von der IT-Leitung des Münchner Carriers, wird ein elektronisches Signal an den Administrator gesendet, der sich den Eingriff näher anschauen kann. Insgesamt habe sich die Entscheidung gelohnt, da es fortan weniger Probleme mit Rechnern gegeben hätte - die Einsparung war laut Majid erheblich.

Eine genaue Kalkulation der gesamten PC-Aufwendungen ist alles andere als trivial. Je nach Marktforscher werden für die jährlichen Kosten eines Computers zwischen 5000 und 20000 Dollar veranschlagt. Dabei, und da sind sich alle Auguren einig, beträgt der Kaufanteil lediglich rund 20 Prozent der Gesamtsumme - mit fallender Tendenz. Nach Angaben von IDC sank der Preis für einen durchschnittlichen Desktop von 1996 bis 1999 um die Hälfte. Was PCs folglich so teuer macht, ist neben den Softwarelizenzkosten der Personaleinsatz, um die Rechner funktionsfähig zu halten (zu den TCO-Angeboten der großen Hardwarelieferanten siehe Kasten Seite 29: "Kostenbremse für PCs").

In einer aktuellen Studie haben sich die Analysten der Meta Group des Themas PC-Versiegelung, dem sogenannten "Lockdown", angenommen. Das Beratungsunternehmen geht davon aus, daß sich die Betriebskosten der Rechner um zehn Prozent und die Supportaufwendungen um bis zu 25 Prozent reduzieren lassen. Allerdings sei es nur schwer möglich, für alle Anwender eine einheitliche Strategie zu verfolgen.

Deswegen legt die Meta Group drei verschiedene Ebenen der Sperrung fest, die zwischen totaler Kontrolle und weitgehender Freizügigkeit angesiedelt sind. Auf der untersten Stufe stehen Anwender, die weder die Konfiguration des Rechners ändern noch Software installieren oder die MS-DOS-Box aufrufen dürfen. Darüber hinaus ist ihnen der Zugang in die "Nachbarschaft des Netzes" untersagt; das System setzt die Desktops ferner bei jedem Login auf den ursprünglichen Default-Stand zurück.

Auf der nächsten Stufe haben Anwender immerhin die Möglichkeit, marginale Änderungen an der Konfiguration des Rechners vorzunehmen. Dies umfaßt beispielsweise das Erscheinungsbild der Applikationen. Ansonsten gelten die gleichen Restriktionen wie bei der untersten Stufe, der Rechner ist bis auf die Anwendungsebene faktisch im Netz isoliert. Die größten Freiheiten genießt ein User auf der dritten Ebene, der jegliches Programm ausführen darf. Nur bei der Einstellung von Drucker- und Grafikparametern des PCs macht ihm das System einen Strich durch die Rechnung.

Die stärksten Widerstände gegen eine Desktop-Sperrung findet die Meta Group bei den Anwendern. Gerade wenn die User schon einmal alle Freiheiten am Rechner genossen hätten, sei es schwierig, ihnen die Privilegien wieder wegzunehmen. Scheinbar verhält es sich mit PCs wie mit Firmenwagen: Der Mercedes ist ein Statussymbol, der Lada ist lediglich ein Fahrzeug.

Hier sind nach Meinung der Meta Group konkrete Anweisungen des Topmanagements gefordert, da die IT-Abteilung die Entscheidung in der Regel nicht alleine durchsetzen kann. Einzelne Geschäftsbereiche könnten etwa mit niedrigeren Anteilen an den Support-Kosten belohnt werden, wenn sie entsprechende Lockdown-Maßnahmen einführen. Nur wenn die direkte Verbindung von genutzten Diensten und entstehenden Kosten ersichtlich sei, hätte das zur Folge, daß in den Abteilungen das Bewußtsein für den verantwortungsvollen Umgang mit dem Werkzeug Computer wächst. In zwei Jahren, so prognostiziert die Meta Group, werden vier von fünf Großunternehmen ihre PCs dem Zugriff der Anwender entzogen haben.

Der texanische Systemadministrator Collins hat dagegen auf seine Weise Frieden mit den Anwendern geschlossen: "Ich belüge die User." Bei Problemen mit antiken Programmen, die nicht dem Firmenstandard entsprechen, stelle er sich dumm. "Wenn die Angestellten einmal dahinterkommen, daß du auch die nicht offiziellen Programme supporten kannst, hast du verloren.

Bestandskontrolle?

Aller Anfang, um die Betriebskosten von PCs zu senken, ist eine verläßliche Kontrolle der eigenen IT-Bestände. Was trivial klingt, wird in der Praxis jedoch nur halbherzig befolgt. Die CW-Schwesterpublikation "Federal Computer World" berichtete kürzlich von einer US-Bundesbehörde, die ihren PC-Bestand auf rund 40 000 Einheiten schätzte. Das Ergebnis einer Zählung verblüffte nicht nur die Staatsdiener: Lediglich 25 000 PCs wurden noch benutzt, der Rest war im Laufe der Zeit aus Altersgründen ausgemustert worden. Hätte die Behörde die Anzahl ihrer Supportmitarbeiter und Softwarelizenzen am geschätzten PC-Bestand ausgerichtet, wären die Betriebskosten rund 60 Prozent zu hoch gewesen.