Handhelds etablieren sich in der professionellen DV

Unternehmen setzen verstärkt auf PDAs

25.02.2000
von CW-Mitarbeiter Wolfgang Miedel Der Nutzen von Handheld-Computern wird von Analysten und IT-Verantwortlichen immer wieder angezweifelt. Dennoch breiten sich die Personal Digital Assistants (PDAs) langsam, aber stetig auch in der Unternehmens-DV aus.

Längst sind PDAs nicht mehr nur eine Sache für Technikverliebte. Anfänglich wurden die Mini-Computer vorwiegend von experimentierfreudigen Computerfreaks verwendet. In Unternehmen kamen die Geräte ganz nebenbei als private Begleiter zum Einsatz. Doch zunehmend erkennen auch Firmen den Nutzen der unauffälligen Begleiter - sei es für Außendienstmitarbeiter, für Verkäufer oder im medizinischen Bereich. Überall dort, wo es gilt, Daten fernab von einem Schreibtisch zu erfassen oder Datenbankabfragen und komplizierte Berechnungen vorzunehmen, etablieren sich die Kleinrechner.

Noch bis vor kurzem galt das Notebook als die einzige Möglichkeit für Datenverarbeitung außerhalb eines Büros. Doch trotz aller Miniaturisierung sind die tragbaren PCs für viele Einsatzzwecke zu wuchtig und zu schwer. Hinzu kommen psychologische Aspekte: So stellen beispielsweise viele Verkäufer fest, dass sich Kunden gestört fühlen, wenn das Beratungsgespräch durch eine Abfrage am PC oder auch am Notebook unterbrochen wird. Handheld-Computer sind hingegen dezent wie Taschenrechner - und dennoch kommen sie bei Datenbankabfragen und Berechnungen den Leistungen eines PCs sehr nahe.

Verlockend erscheinen die PDAs auch hinsichtlich der Kosten: Schon für einige hundert Mark versprechen sie anständige Rechenleistung und relativ hohe Speicherkapazität. In diesem Punkt scheiden sich aber noch die Geister. Einige Marktforscher haben in der Vergangenheit bereits davor gewarnt, die Folgekosten zu unterschätzen. Nach einer Gartner-Studie kostet die Administration eines Handheld-Rechners im Jahr 2700 Dollar. Die jährlichen Gesamtkosten (Total Cost of Ownership = TCO) liegen somit etwa sechsmal so hoch wie der Anschaffungspreis. Vor allem der Zeitaufwand für die Datensynchronisation verursache einen Großteil der Kosten.

Sehr gute Erfahrungen mit den Minirechnern haben die Autohersteller BMW und Audi gemacht - beide setzen im Verkauf seit einiger Zeit PDAs ein. Alle Produkt-, Leasing- und Finanzierungsinformationen in der Westentasche - diesen Anforderungen werden die Handhelds der jüngeren Generation tatsächlich gerecht. Dass die Hardwareanforderungen an die Winzlinge im Verkaufsbereich hoch sind, zeigt das Beispiel Audi. Allein der "Fahrzeugkonfigurator" benötigt einen Speicherplatz von etwa 12 MB, darin sind Finanzierungs- und Leasingmodule noch nicht eingerechnet. Derartige Vorgaben schränkten die Auswahl der möglichen PDAs ein.

Gleichfalls wichtig war für Wolfgang Schlierf, den Verantwortlichen für Produkt-Marketing-Systeme beim Ingolstädter Hersteller, eine Tastatur- und Stiftbedienung - deshalb entschied man sich letztlich für PDAs von Psion. Die ersten Erfahrungen sammelte Audi mit dem Psion "Serie 3", damit wurden insgesamt 500 Verkäufer ausgestattet. Unter anderem wegen der hohen Speicheranforderung und der Rechenkapazität steigt Audi derzeit auf das größere Modell "Serie 5mx" um.

Der Autohersteller setzt im Verkauf grundsätzlich auf verschiedene Medien und überlässt es seinen Verkäufern, welche Hilfsmittel sie bei der Kundenberatung einsetzen - die Bandbreite reicht vom gedruckten Handbuch über das Notebook bis zum PC. Doch für Schlierf ist der PDA mittlerweile die attraktivste Alternative. "Der Vorteil eines solchen kleinen Gerätes ist, dass der Verkäufer immer alle Verkaufsprogramme mit sich führen und so zu jeder Zeit den kompletten Beratungsumfang anbieten kann", so Schlierf.

Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe

In Zukunft wird die Zentrale einmal im Monat den gesamten aktualisierten Datenbestand auf einem Server bereitstellen; über das Internet laden sich die Verkäufer die Dateien auf den PC, um sie auf den PDA einzuspielen.

Ursprünglich hatte man die PC-Verkaufssoftware "Alf" in Zusammenarbeit mit einem Systemhaus auf den Psion 3 portiert. Mit der Einführung des neuen elektronischer Verkaufsassistenten "Eva" geht nun auch die Einführung des 5mx einher. Schlierf schätzt, dass von den 4000 Verkäufern in Deutschland etwa ein Viertel die neuen PDAs nutzen wird. Vor allem junge Verkäufer seien begeisterte Anwender der Taschencomputer.

Die Handheld-Computer sind aber bei Audi nur eine von mehreren verkaufsfördernden Möglichkeiten. Wichtig ist für Schlierf, dass im Verkauf alle medialen Möglichkeiten genutzt werden - ob das nun PDAs sind oder der relativ neue und aufwendige Internet-Konfigurator.

Noch offensiver setzt BMW PDAs beim Verkauf ein. Die Münchner hatten schon vor 15 Jahren die ersten Kleinrechner in Gebrauch. Dafür zuständig ist die BMW-Financial Services (BMW-Bank) - sie stellt den Verkäufern bei den BMW-Händlern die PDAs zu einem geringen Preis zur Verfügung. Die meisten der BMW- und Rover-Verkaufsberater in Deutschland, Österreich, der Schweiz und teilweise in England gehen mit einem Psion 3mx in die Kundenberatung. "Wir haben mittlerweile etwa 7000 Geräte ausgeliefert, und die Akzeptanz ist sehr hoch", weiß Georg Dachsberger von der BMW-Bank zu berichten. Er schätzt, dass etwa 90 Prozent der ersten Angebotsberechnungen mit dem Psion erstellt werden. Ein großer Vorteil für das Unternehmen ist, dass die Psion-Anwender keinerlei Schulung benötigen, da das System sich weitgehend selbst erklärt.

BMW hat vor der Einführung des Psion 3mx im Jahr 1998 praktisch alle auf dem Markt befindlichen PDAs ausführlich getestet. Als einen der großen Vorteile des Psion schätzt Dachsberger die langen Produktzyklen. Psion-Geräte habe man seit nunmehr acht Jahren im Einsatz - und nach wie vor könne man unter dem gleichen Betriebssystem auch alte Programme einsetzen. Dagegen seien beispielsweise einige der Windows-CE-Kandidaten längst wieder vom Markt verschwunden. Auch die kurzen Batterielaufzeiten, das relativ hohe Gewicht und die schwache Rechenleistung ließen die CE-Geräte als unbrauchbar erscheinen.

Sehr positiv bewertet Dachsberger auch die Kosten: "Wir haben praktisch keinen Schulungsaufwand, und zwei Leute machen die Hotline für 7000 Anwender. Ein Anwender kostet uns deshalb inklusive Hardware und Programmerstellung lediglich eine Mark am Tag." Die TCO-Beurteilung fällt für Dachsberger daher günstig aus. Große Hoffnungen setzt er in die Bluetooth-Technologie. Sobald ausgereifte Geräte am Markt erhältlich seien, werde bei der BMW-Bank eine neue Aufrüstungsrunde anstehen.

Auch Palm-Hersteller 3Com hat im Unternehmensbereich einen guten Stand. Vorteilhaft für den Marktführer ist vor allem die Tatsache, dass viele Mitarbeiter bereits privat einen Palm besitzen. 3Com nutzt diesen Umstand, um Unternehmen zu einer "Palm-Strategie" zu überreden: Die inoffiziell ohnehin genutzten Palms sollen in die Unternehmens-DV integriert werden. Im nächsten Schritt werden dann oft ganze Abteilungen mit 3Com-PDAs ausgerüstet. 3Com kann auf eine große Zahl von Referenzkunden verweisen - unter anderem in der Industrie, dem Finanzsektor und im medizinischen Bereich. Stolz verweist 3Com-Sales-Manager Markus Bregler etwa auf den Palm-Kunden Ericsson. Während die Schweden ihrerseits mittlerweile Handhelds im Programm haben, setzt die IT-Abteilung des Ericsson Eurolab in Nürnberg den 3Com-PDA ein.

Um die Verbreitung in Unternehmen auszuweiten, entwickelt 3Com verstärkt zusätzliche Produkte. Der Palm "Hotsync-Server" etwa soll im Middleware-Bereich die Anbindung und Datensynchronisation mit "Lotus Notes" oder Microsofts "Exchange" erleichtern. Als Cross-Platform-Produkt unterstützt er unter anderem Windows CE. Passend dazu gibt es ein "Ethernet Cradle" - es erlaubt die direkte Synchronisation mit einem Server ohne Umweg über einen PC.

Für Unternehmen, die den Einsatz von PDAs planen, ist es wichtig, dass sie die vielen verschiedenen Modelle und Konzepte auf dem Markt genau unter die Lupe nehmen. Da die Ausstattungen und Betriebsmerkmale extrem variieren, müssen die Vor- und Nachteile genau abgewogen werden. Immerhin bewegen sich die Gesamtinvestitionen in eine Handheld-Infrastruktur bei einigen Unternehmen bereits in zweistelliger Millionenhöhe.

Kennzeichnend für den derzeitigen PDA-Markt ist, dass kein Unternehmen Komplettlösungen anbieten kann. Entscheidet sich ein Kunde beispielsweise für Psion oder 3Com, vermitteln die Hardwarehersteller geeignete Systemhäuser, die die Integration in die Unternehmens-IT umsetzen. Die Softwareindustrie entwickelt nun verstärkt Produkte für den Handheld-Markt. Lotus beispielsweise will im Laufe des Jahres mit "Mobile Notes" auch Handhelds und Smartphones den Zugriff auf Domino-Server ermöglichen. Oracle arbeitet mit Hewlett-Packard zusammen, um auch für kleine Mobilrechner umfassende Datenbankdienste zu entwickeln. So soll das für mobile Plattformen vorgesehene "Oracle 8i Lite" auf die "Chai Appliance Platform" von Hewlett-Packard aufsetzen. Unter dem Namen Chai entwickelt HP derzeit eine Softwaresuite für Internet-Appliances, die unter anderem eine sehr schlanke Java-Laufzeitumgebung (Chai VM) bereitstellt. Andere Elemente sind ein Application-Server, Entwicklungs-Tools sowie ein XML-Mikro-Browser.

Spätestens wenn sich im PDA-Segment drahtlose Vernetzungsstandards wie Bluetooth und GPRS (General Packet Radio Service) etabliert haben, darf man in vielen Branchen mit einer flächendeckenden Verbreitung rechnen. Mobilen, vernetzten Arbeitsplätzen wird dann fast das gesamte Anwendungsspektrum offen stehen, das bisher stationären PCs vorbehalten war.