Customer Centricity Management

Unternehmen schätzen Online-Kanäle falsch ein

22.05.2014
Von 
Holger Eriksdotter ist freier Journalist in Hamburg.
Anzeige  Trotz Internet und Smartphone ist die persönliche Beratung beim Einkauf für die weitaus überwiegende Zahl der Kunden noch immer die erste Wahl. Allerdings kaufen unterdessen schon fast drei Viertel aller Kunden auch im Internet ein. Unternehmen sollten deshalb auf einen nutzerfreundlichen und ständig verfügbaren Online-Kanal achten.

Viele deutsche Unternehmen unterschätzen noch immer die Bedeutung von Online-Kanälen. Dies zeigt die Studie "Customer Centricity Management" von Steria Mummert Consulting. Demnach schätzen 71 Prozent der befragten Entscheider, dass Filiale, Fachgeschäft oder Vermittler und Berater am erfolgreichsten für die Kundenberatung sind. Die eigene Internetseite nennen dagegen nur 30 Prozent. Ein ähnliches Bild ergibt sich für den Verkauf: 71 Prozenten der Befragten halten den "Offline-Verkauf" für am erfolgreichsten und nur 29 Prozent die eigene Website.

Die Händler übersehen dabei ein Phänomen, das im Marketing-Jargon "ROPO-Effekt" heißt. Es steht für "Research Online, Purchase Offline" oder auch "Research Offline, Purchase Online" und bedeutet, dass Kunden heute häufig kanalübergreifend Kaufentscheidungen treffen. So informieren sie sich zum Beispiel im Internet über ein neues Auto, das sie dann aber vor Ort beim Händler kaufen, wo sie es persönlich begutachten oder Probe fahren können. Umgekehrt sehen sie sich etwa im Elektrofachhandel die aktuellen Fernsehgeräte an, kaufen dann aber im Online-Shop beim günstigsten Händler ein. Gemäß der Studie sind für die erste Informationssuche zu Produkten und Dienstleistungen die Internetseite und die Filiale des Anbieters gleich wichtig.

Bei höherpreisigen Produkten werden die beiden Kanäle mit jeweils 86 Prozent sogar gleich häufig genannt, bei Dienstleistungen und niedrigpreisigen Produkten ist das Online-Angebot etwas wichtiger. Ist eine intensive Beratung nötig, suchen jedoch mehr Kunden eine Filiale, ein Fachgeschäft, einen Vermittler oder Berater auf, vor allem bei Dienstleistungen und höherpreisigen Produkten. Den Kauf erledigen die Kunden ebenfalls eher vor Ort als auf der Internetseite, vor allem bei Dienstleistungen (90 zu 75 Prozent) und höherpreisigen Produkten (90 zu 76 Prozent), aber auch bei günstigeren Produkten (82 zu 77 Prozent).

Elmar Stenzel, Studienleiter und Leiter des Bereichs Customer Relationship Management bei Steria Mummert Consulting
Elmar Stenzel, Studienleiter und Leiter des Bereichs Customer Relationship Management bei Steria Mummert Consulting
Foto: Steria Mummert Constulting

Über die Erstberatung hinaus wissen die Kunden den persönlichen Kontakt erst recht für eine ausführliche Produktberatung zu schätzen. 89 Prozent der Käufer nehmen bei Dienstleistungen und teuren Produkten eine Beratung in der Filiale, im Fachgeschäft oder bei einem Vermittler in Anspruch. Internetseiten, Foren und Vergleichsportale können bei höherem Informationsbedarf nicht mithalten. In Foren, Blogs und sozialen Medien suchen nur 22 Prozent ausführliche Beratung, in Vergleichsportalen 65 bis 75 Prozent. "Die Informationsflut im Internet verwirrt zunehmend die Kunden, sie suchen nach Orientierung und finden diese wieder verstärkt im persönlichen Gespräch", sagt Elmar Stenzel, Studienleiter und Leiter des Bereichs Customer Relationship Management bei Steria Mummert Consulting.

Für die Studie "Potenzialanalyse Customer Centricity Management" wurden vom 23. September bis zum 1. Oktober letzten Jahres 125 Fach- und Führungskräfte großer und mittelständischer Unternehmen ab 100 Mitarbeiter aus den Bereichen Vorstand, Geschäftsführung, Vertrieb, Verkauf, Kundenberatung, Kundenkommunikation und Marketing befragt. Die Online-Befragung wurde in Kooperation mit dem IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung durchgeführt. Zudem wurden vom 8. bis 26. September 2013 auch die Endkunden zu ihren Wünschen befragt. An der Befragung nahmen 1.000 Deutsche ab 18 Jahren teil. Die Daten sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.