Studie "Wettbewerbsfaktor Analytics"

Unternehmen nutzen ihre Daten nicht

10.06.2015
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Viele Unternehmen offenbaren Defizite hinsichtlich ihrer digitalen Transformation. Vor allem an der richtigen Nutzung von Daten hapert es, will eine Studie der Universität Potsdam im Auftrag des Analytics-Spezialisten SAS herausgefunden haben.

Neun von zehn Industrieunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) nutzen noch immer weniger als die Hälfte ihrer Daten. Das ist ein zentrales Ergebnis der Studie „Wettbewerbsfaktor Analytics 2015“. Die Universität Potsdam hat dafür in Zusammenarbeit mit dem Softwarehersteller SAS den analytischen Reifegrad von Unternehmen in der DACH-Region untersucht. Die Studie basiert auf der Grundannahme, dass der analytische Reifegrad eines Unternehmens Rückschlüsse auf dessen Wettbewerbsfähigkeit zulässt. Doch dabei schein es an der einen oder Stelle durchaus Verbesserungsbedarf zu geben, gerade was die Nutzung von Daten betrifft. Ein Großteil der Firmen verdränge das Thema und riskiere damit die eigene Zukunftsfähigkeit, konstatierte Norbert Gronau, Leiter des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Electronic Government an der Universität Potsdam.

Laut den Studienergebnisse nutzen 34 Prozent der befragten Unternehmen aus der Industrie analytische Systeme in ihrer Produktion. In der Logistik seien es 40 Prozent. Das Qualitätsmanagement (QM) falle dagegen im Vergleich mit 20 Prozent etwas ab. Über ein Drittel (35 Prozent) der Unternehmen sehen das größte Potenzial für Industrie 4.0 der Befragung zufolge im Bereich Produktionsplanung und Steuerung. Faktisch würden sich jedoch die größten Möglichkeiten dieser technisch-logistischen Revolution jedoch aus der Verknüpfung der Fertigung mit vor- oder nachgelagerten "Smart Objects" ergeben, die auch außerhalb des Unternehmens liegen können. Der Rat der Studienautoren: "Das ist echte digitale Transformation – und hier sollten Unternehmen aktuell ansetzen und schnell Projekte starten."

Zweifel an Innovationskraft

Gronau ist jedoch skeptisch, ob das gelingt: "Wenn ich mir den Zwischenstand unserer Studienergebnisse anschaue, zweifele ich an der Innovationskraft unserer Industrie." Alle Industriezweige, die heute das Rückgrat der Wirtschaft in der DACH-Region bilden, seien aufgrund herausragender Innovationsleistungen entstanden. "Und jetzt zögern viele Unternehmen bei der nächsten industriellen Revolution." Gronau sieht zwar Fortschritte gegenüber früheren Untersuchungen, gerade im Bereich der Auswertung von Sensor- und Maschinendaten. Der Wissenschaftler bemängelt jedoch: "Es fehlt ganz deutlich am Willen oder am Bewusstsein für Tempo und Konsequenz."

Ganz so düster sieht Wolf Lichtenstein, CEO von SAS in der DACH-Region, die Situation indes nicht. Zwar sei sicher noch Luft nach oben, konstatierte der Manager auf dem SAS-Forum in Bochum. Doch etliche Unternehmen hätten bereits das Gebot der Stunde erkannt. „Es gibt Innovationsprojekte, die der Branche als Leuchttürme dienen können", stellte Lichtenstein fest. Um festzustellen, wo Unternehmen selbst stehen, und welche Wettbewerbsvorteile sich durch einen Ausbau der analytischen Kompetenzen erschließen lassen, hat die Universität Potsdam flankierend zu den neuen Studienergebnissen eine "Checkliste" veröffentlicht. Diese könne als Self-Assessment für die Beurteilung des unternehmenseigenen analytischen Reifegrades dienen.