Backend-Developer steigen bei 52.200 Euro ein

Unternehmen müssen Softwareentwicklern üppiges Gehalt bieten

11.07.2019
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Der Dekra-Arbeitsmarkt-Report bestätigt, was viele Unternehmen täglich erleben: Softwareentwickler werden von Mittelständlern und Konzernen gleichermaßen gesucht, häufig erst nach einiger Zeit gefunden und fürstlich bezahlt. Gutes Social-Media-Marketing hilft beim Recruiting, wie das Beispiel Datev zeigt.

2. Juli 2019: An diesem heißen Sommertag greifen nur wenige beherzt zu den angebotenen Weißwürsten. Obst und belegte Semmeln wählen die geladenen Gäste dagegen gerne als Frühstück zu Wasser und Kaffee aus. An den Stehtischen im Foyer des IDG-Medienhauses in der Parkstadt Schwabing in München tauschen sich Personalverantwortliche und IT-Firmenchefs angeregt über den IT-Arbeitsmarkt und das Recruiting aus. Die IDG-Publikation COMPUTERWOCHE lädt regelmäßig zum Business-Breakfast ein und diskutiert mit den Teilnehmern über ganz unterschiedliche Themen. An diesem Tag geht es im kühlen Konferenzsaal um das IT-Recruiting. Doch ins Schwitzen kommen viele der anwesenden Personaler trotzdem, als Peter Littig, Berater von Dekra, ihnen die Ergebnisse des neuen Dekra-Arbeitsmarkt-Reports vorstellt.

Beim Business Breakfast von COMPUTERWOCHE und Dekra am 2. Juli kamen rund 50 Personalverantwortliche zusammen, um sich über den Arbeitsmarkt für Softwareentwickler zu informieren.
Beim Business Breakfast von COMPUTERWOCHE und Dekra am 2. Juli kamen rund 50 Personalverantwortliche zusammen, um sich über den Arbeitsmarkt für Softwareentwickler zu informieren.
Foto: IDG

Nur Elektriker sind noch gefragter

Über alle Berufsgruppen hinweg sind Softwareentwickler die am zweithäufigsten gesuchten Fachkräfte am Arbeitsmarkt. Nur Elektriker und Elektroinstallateure sind noch begehrter. Die Anwesenden nicken wissend, denn unter den IT-Experten zählen Softwareentwickler und Programmierer mit 34,9 Prozent zu den am meisten gesuchten IT-Fachkräften, so Littig. Im vergangenen Jahr waren es 26,7 Prozent, der Bedarf scheint inzwischen noch größer zu sein. Mit deutlichem Abstand rangieren die Wirtschafts- und Fachinformatiker mit 15,2 Prozent etwas abgeschlagen auf dem zweiten Platz, auch wenn die Nachfrage gegenüber dem Vorjahr um sechs Prozent zugenommen hat.

Deutlich seltener suchen Unternehmen dagegen IT-Berater und IT-Analysten. Waren es im vergangenen Jahr noch knapp 18 Prozent, reduzierten sich die ausgeschriebenen Stellen auf 7,4 Prozent. Mit der Digitalisierung nimmt der Bedarf an Datenanalysen und Data Scientists zu. Waren im vergangenen Jahr nur bescheidene 1,5 Prozent auf der Suche nach IT-Fachkräften mit dieser Qualifikation, hat sich die Zahl der Stellenangebote inzwischen mehr als verdreifacht.

Der Dekra-Arbeitsmarkt-Report erscheint bereits zum zwölften Mal. Im Februar analysierte das Unternehmen knapp 14.000 Stellenanzeigen aus elf deutschen Tageszeitungen, zwei Online-Jobbörsen und zwei sozialen Netzwerken. Neben einem Überblick über die Entwicklung der Berufe und Tätigkeitsfelder nahmen die Marktforscher in diesem Jahr das Anforderungsprofil von Softwareentwicklern genauer unter die Lupe.

Arbeitgeber legen Wert auf ein abgeschlossenes Informatikstudium

Bewerber mit den gefragten Qualifikationen können zwischen vielen Jobangeboten wählen. Zwar strengen sich die potenziellen Arbeitgeber mächtig an, die Gunst der Umworbenen für sich zu gewinnen, doch sie erwarten auch viel von den Bewerbern. Ein abgeschlossenes Informatikstudium fordern 83,4 Prozent, auch die IT-Ausbildungsgänge steht hoch im Kurs. Gefragt sind auch Bewerber mit einem Ingenieurstudium, vor allem Elektroingenieuren (28,9 Prozent) eröffnet die Softwareentwicklung eine vielversprechende Berufsperspektive. Neben der Ausbildung wünschen sich viele Firmen von den Kandidaten einschlägige Berufserfahrung in ihrem Fachgebiet (41,7 Prozent) und bei gut einem Drittel der Stellen kommen nur Bewerber zum Zug, die schon seit vielen Jahren in der IT arbeiten (34,6 Prozent).

Programmieren, testen und implementieren

Auch das Aufgabenprofil formulieren die Stellenanzeigen ganz klar: Die meisten Softwareentwickler (86,9 Prozent) sollen für ihren neuen Arbeitgeber programmieren, validieren und testen (43,7 Prozent), Software implementieren und integrieren (42,9 Prozent) sowie warten und anpassen (38 Prozent), ganz klassisch als Softwarearchitekt arbeiten (37,1 Prozent) oder sie sollen Anforderungsanalysen erstellen (35,1 Prozent). Als Programmiersprachen erwarten die Unternehmen vor allem Kenntnisse in Java (40 Prozent) und C++ (37,7 Prozent).

Auch Soft Skills wie Teamfähigkeit (52,3 Prozent), Kommunikationsstärke (38 Prozent), Eigeninitiative, Selbständigkeit und struktuiertes Denken nennen sie ausdrücklich. "Mir fehlt in den Stellenanzeigen aber ein Hinweis auf die Lernfähigkeit", sagt Dekra-Mann Littig. Der Bildungsexperte erklärt auch weshalb und kritisiert: "Wir müssen uns immer schneller auf neue Themen einstellen, Lernfähigkeit wird aber selten genannt."

Entwickler auf Jobsuche haben vor allem in drei Branchen besonders große Chancen. Neben der IT-Industrie mit den meisten offenen Stellen (34,9 Prozent) sucht auch der Maschinen- und Fahrzeugbau sowie die Elektroindustrie viele Softwareentwickler. Die potenziellen Arbeitgeber locken mit flexiblen Arbeitszeiten, Weiterbildung, attraktiven Sozialleistungen sowie Gesundheits- und Fitness-Angeboten.

Was Softwareentwickler verdienen

Natürlich spielt auch das Gehalt eine wichtige Rolle, so die extra für die COMPUTERWOCHE erstellte Auswertung von Personalmarkt/Gehalt.de, die Ressortleiter Hans Königes den Teilnehmern präsentiert. Diese Zahlen haben es in sich. Berufseinsteiger, die sich der Frontend-Entwicklung widmen, beginnen mit einem Jahresgehalt von durchschnittlich 40.400 Euro, ein Einsteiger, der als Backend-Entwickler anheuert, verdient dagegen 52.200 Euro im ersten Job. Nach 15 Jahren haben sich die Gehälter dieser beiden IT-Spezialistengruppen noch stärker auseinander entwickelt. Während der Frontend-Experte dann rund 54.500 Euro kassiert, liegt das Jahresgehalt des Backend-Entwicklers bei rund 72.700 Euro.

Gute Laune bei den Referenten des Business Breakfast: Stefan Scheller (Datev, links), Hans Königes (COMPUTERWOCHE, Mitte) und Peter Littig (Dekra).
Gute Laune bei den Referenten des Business Breakfast: Stefan Scheller (Datev, links), Hans Königes (COMPUTERWOCHE, Mitte) und Peter Littig (Dekra).

Teamleiter bekommen über 100.000 Euro Jahresgehalt

Teuer für die Firmen und lukrativ für die Spezialisten wird es dann, wenn sie Personalverantwortung übernehmen. Auch wenn viel über unterschiedliche Karriereperspektiven als Fach- oder Führungskraft diskutiert wird - eine Teamleitung lohnt sich bereits, wenn die Arbeitsgruppe nur aus einem bis drei Mitarbeitern besteht, denn dann steigt das Salär auf durchschnittlich 105.500 Euro. Zählen 16 bis 30 Mitarbeiter zum Team, stocken viele Firmen das Jahresgehalt nochmals um rund 10.000 Euro auf.

Staunten die Anwesenden bei diesen Zahlen schon nicht schlecht, verschwand bei einigen Mittelständlern doch kurz die Farbe aus dem Gesicht, als COMPUTERWOCHE-Gehaltsexperte Königes ihnen erklärte, dass die gezahlten Gehälter in München noch deutlich höher sind. Liegt das durchschnittliche Gehalt eines berufserfahrenen Backend-Entwicklers in Deutschland bei 61.200 Euro, kann er in München mit 74.700 Euro Jahresgehalt rechnen.

In München verdienen IT-Fachkräfte ab 75.000 Euro aufwärts

"München ist für IT-Experten ein sehr lukrativer Arbeitsort. Hier verdienen Fachkräfte im Median rund 75.000 Euro und Führungskräfte über 130.000 Euro", erläutert Tim Böger, Geschäftsführer Personalmarkt. Dieser Trend macht auch vor unterschiedlichen Branchen nicht halt, wie Böger weiß: "IT-Fachkräfte verdienen auch in kapitalschwächeren Branchen attraktive Gehälter. So liegt ihr Einkommen in sozialen Einrichtungen oder dem Einzelhandel beispielsweise bei über 60.000 Euro im Jahr."

Wer noch über die Berufswahl nachdenkt, sollte auf jeden Fall eine IT-Fachausbildung in seine Überlegungen einbeziehen, wie Böger aus den Statistiken zitiert: "Das Erlernen von IT-Wissen zahlt sich aus und es muss nicht unbedingt immer ein Studium sein: IT-Fachkräfte mit Ausbildungshintergrund liegen im Median bei über 55.000 Euro, studierte Masterabsolventen beziehen im Laufe ihrer Karriere rund 65.000 Euro."

Manchmal dauert die Suche ein Jahr

Doch Geld und große Versprechen allein reichen vielen Bewerber nicht, das wissen auch die anwesenden Personalverantwortlichen nur zu gut. So erzählt ein Manager beispielsweise, dass sein Team ein Jahr nach einem Data Scientist suchte und den Vertragsabschluss anschließend extra feierte.

Seit einigen Jahren setzen viele große Hoffnungen in Social Media und Employer Branding. Ein moderner Webauftritt, Twitter-Account und schöne Bilder auf Facebook sollen helfen, schneller talentierte IT-Experten zu finden. Doch dass das auch schief gehen kann, weil auch Plattformen wie kununu zum Social-Media-Spektrum zählen, erläuterte Stefan Scheller von Datev. Der studierte Jurist, arbeitet seit 19 Jahren in unterschiedlichen Positionen für das Nürnberger Softwarehaus und bezeichnet sich selbst als "bunten Hund", der etwa schon als Rechtsanwalt, Trainer bei McDonalds und Hochzeitsfotograf seine Brötchen verdient hat. Seit einigen Jahren bloggt er erfolgreich unter Persoblogger.de, bei Datev kümmert er sich inzwischen als Fachberater um Personalmarketing und Employer Branding.

Scheller spielt die Klaviatur der sozialen Medien perfekt und teilt mit den Zuhörern auch zahlreiche Erfolgserlebnisse: Datev verschenkte beispielsweise nette Gadgets auf Festivals, Praktikanten verteilten an Universitäten selbst gebackene Plätzchen an Informatikstudenten oder das Unternehmen sponserte kurzfristig ein Kickerturnier an der Hochschule in Nürnberg. Mit diesen Aktivitäten knüpfte das Recruiting-Team zahlreiche Kontakte mit Studierenden und einige Arbeitsverträge sind so zustandegekommen. Doch Scheller verschweigt nicht, dass Social Media auch tückisch sein kann.

Wie die Datev mit kritischen Kommentaren bei kununu umgeht

Datev präsentiert sich wie viele andere auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal kununu von seiner Schokoladenseite mit Firmenprofil und schönen Bildern. Doch frustrierte (Ex-) Mitarbeiter sowie enttäuschte Bewerber hinterlassen dort auch lange, kritische Kommentare. Statt diese öffentlichen Briefe wie so viele zu ignorieren, erzählt Scheller, wie er sich abends noch selbst an den Rechner setzt und den Kritikern eine persönliche Antwort schreibt. Indem er konkret auf die Vorwürfe eingeht, manches zu erklären versucht und auch Fehler des Unternehmens einräumt, ehrlich und direkt argumentiert, erschreibt er sich so den Respekt der Frustrierten. Manche der Datev-Kritiker rieben sich wohl verdutzt die Augen und antworteten ebenso prompt und ehrlich auf seinen Post.

"Man muss es schaffen, da zu sein, authentisch und ansprechbar zu sein", empfiehlt Scheller. Auch wenn der Arbeitsvertrag unterschrieben ist, sollten Unternehmen sich nicht entspannt zurücklehnen, denn dann beginne erst die eigentlich (Personal-)Arbeit. Datev zeige mit einem "On-Boarding - oder Welcome Day" den Bewerbern Wertschätzung und erleichtere ihnen den Einstieg ins Unternehmen, wie Scheller berichtet.

Save the date: Business Breakfast am 24. Oktober 2019

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Business-Frühstücks nahmen viele Ideen mit nach Hause in ihre Firmen, diskutierten noch mit den Referenten, tauschten Erfahrungen und Visitenkarten aus. Bevor sie dann schnell zum nächsten Meeting oder an den Schreibtisch eilten, notierten sie sich aber noch den Termin für das nächste IDG-Business-Frühstück, nämlich den 24. Oktober 2019. Thema dieses Mal: Vom Mitarbeiter zum Fan des Arbeitgebers.

DEKRA Arbeitsmarkt-Report 2019 zum kostenlosen Download

Den DEKRA-Report gibt es kostenfrei per E-Mail unter service.akademie@dekra.com oder unter https://www.dekra-akademie.de/de/dekra-arbeitsmarkt-report-2019/