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Nachsitzen beim Kunden

Unternehmen entdecken Online-Foren

23.08.2012
Qualität allein und klassische Werbung reichen vielen Firmen nicht mehr. Sie locken ihre Kunden ins Internet auf Mitmach-Portale. Und können sie dort beobachten wie Forscher in einer großen Feldstudie.

Vier von fünf Unternehmen in Deutschland sind schon in sozialen Netzwerken unterwegs. Doch erst rund 18 Prozent haben im Internet eigene Mitmach-Portale, die sie auch für den Dialog mit den Kunden auch für Hinweise zu ihren Produkten nutzen könnten. Das fand der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) in einer Studie heraus. Viele Betriebe verspielten so womöglich eine Chance, sagt Mike Schnoor vom BVDW. "Auf spezielle Zielgruppen zugeschnittene Communities sind sehr geeignet, den Dialog zwischen Unternehmen und Kunden sowie von Kunde zu Kunde untereinander zu fördern."

Doch anstatt das Netz auch für Vertrieb und Entwicklung zu nutzen, dominierten bisher eher PR und Marketing die Aktivitäten und zielten etwa auf den Bekanntheitsgrad, die Imageverbesserung oder neue Kundenkreise. Den Rückkanal für den Kunden auszuweiten - auch für die Produktverbesserung - dürfte laut Schnoor aber ein Trend werden.

Der Technologiekonzern Bosch etwa experimentiert schon auf diesem Feld - und hat es manchmal nicht leicht. Nutzer "Tobi74" hat sich zum Beispiel Gedanken zum Rasenmäherroboter Indego gemacht aus der Gartengerätesparte der Stuttgarter. "Viel zu teuer die Dinger", urteilt "Tobi74" im Heimwerkerforum "1-2-do.com" und rechnet vor, dass das rund 1500 Euro teure Gerät etwa das Sechsfache eines gewöhnlichen Elektrorasenmähers koste. Wenn man sich diese Ausgabe spare, könne man mit dem Geld viele Jahre lang ganz einfach die Jungs aus der Nachbarschaft den Rasen mähen lassen.

Mit dem Aufbau des eigenen Portals haben die Schwaben erkannt, dass der bloße Internetauftritt nur die halbe Miete ist. In Foren dagegen diskutieren Verbraucher über Geräte, geben sich gegenseitig Tipps zur Anwendung und stellen stolz eigene Ergebnisse vor. Ob nun Sport, Kochen, Basteln oder Astronomie: Fans diverser Hobbys treffen sich im Internet - aus Firmensicht ein Sammelbecken möglicher Kunden.

Bosch ist mit seiner Idee keinesfalls alleine. Ähnliche Beispiele gibt es viele. Der Henkel-Konzern etwa zeigt unter klebeberater.de, wie Pattex, Ponal und Pritt am besten halten. Kochzeitschriften haben Portale mit Rezeptetipps, die Immobilienwirtschaft berät beim Bauen, der Möbelriese Ikea betreibt eine "Ideen-Plattform" zum Einrichten.

Lenken Unternehmen Nutzer auf entsprechende Plattformen, vereinen sich viele Vorteile: Die Zielgruppe ist ein Volltreffer und lässt sich direkt in ihrem Metier analysieren, ganz so wie es Forscher in Verhaltensstudien machen - der Traum eines jeden Marketingexperten.

Bosch macht auch keinen Hehl daraus und stellt online transparent dar: "Natürlich haben wir auch etwas davon. Denn so erfahren wir mehr über die Bedürfnisse der Heimwerker."

Henning von Boxberg, Chef für Vertrieb und Marketing in der Bosch-Elektrogerätesparte, betont die wichtige Rückkopplung mit den Kunden. Während man früher etwa in langwierigen Schleifen die Garantiefälle analysierte und so Verbesserungsbedarf ausmachte, biete das Portal nun ganz neue Möglichkeiten. "Da haben wir schon nach Stunden ein qualifiziertes Feedback", berichtet von Boxberg.

Das Forum dreht sich um Themen von A wie Abbeizmittel bis Z wie Zahnbrust (Teil des Sägezahns beim Sägeblatt). Nutzer stellen ihre Projekte vor - etwa Hochbetten oder beleuchtete Blumenwände. Und es geht natürlich um Produkte des Unternehmens, die ausführlich getestet werden.

Beispielsweise ein Akku-Schrauber, der aus Sicht eines Nutzers zur besseren Orientierung "eine Nummerierung der einzelnen Bitschächte auf dem äußeren schwarzen Drehring" gut vertragen könnte oder auch eine Reinigungsmöglichkeit des Aufsatzmagazins, in das beim Schrauben über Kopf doch mitunter Staub eindringt. Der Bosch-Konzern, der im Schnitt 16 Patente pro Tag anmeldet, bekommt aus dem Forum wichtige Anregungen, für die es früher schlicht keinen direkten Kanal gab.

Natürlich wirbt Bosch mit dem Forum auch für die eigene Sache und befeuert den eigenen Verkauf. Manager von Boxberg meint dazu: "Da werden ganze Heimwerkerkarrieren stimuliert." Die vielen Tipps würden oft helfen, Talente zu fördern, die früher mangels Hilfe vielleicht zu früh resigniert hätten. Auch Seminare bietet 1-2-do.com an. Demnächst gibt es einen kostenlosen "Oberfräsen-Workshop".

Rund 200.000 Besucher verzeichnet Bosch pro Monat in dem Forum, Startschuss war im April 2010. Der Anteil der Nutzerinnen wächst, bereits jeder Vierte ist weiblich.

Laut Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (AGOF) hat sich hierzulande fast jeder Dritte deutschsprachige Internetnutzer über 14 Jahre in den vergangenen drei Monaten zum Thema Heimwerken online informiert. Vor einem Jahr waren das noch etwa 800.000 Menschen weniger. Der Trend dürfte anhalten, da immer mehr im Netz sind und mit dem Handy surfen. (dpa/tc)