Maschinenbau- und Technikhandel Magdeburg GmbH

Unternehmen der Ex-DDR richtet ein PC-Netzwerk ein

06.12.1991

Manfred Wenzel ist freier Journalist in Trier.

Ehemalige Kombinate, die sich heute als selbständige Unternehmen bewähren müssen, stehen in der Regel nicht nur wirtschaftlich, sondern auch DV-technisch vor Problemen. Manfred Wenzel befragte den DV-Chef der Maschinenbau- und Technikhandel Magdeburg GmbH (MBH) nach dem Verlauf eines DV-Projektes, in dessen Rahmen ein PC-Netzwerk mit einer entsprechenden kaufmännischen Software eingeführt wurde.

Unter dem Zeitdruck der Wiedervereinigung führte DV-Leiter Fritz Sparig beim ehemals volkseigenen Betrieb "Maschinenbau- und Technikhandel Magdeburg GmbH (MBH)" eine "westliche" DV-Umgebung ein. Die im Juni 1990 in Kraft getretene Wirtschafts- und Währungsunion bedeutete für alle Betriebe der ehemaligen DDR eine große Herausforderung. Neben neuen Gesetzen und Regeln war (und ist) auf starke West-Konkurrenz sowie auf geringere Exporte in osteuropäische Länder zu reagieren.

Durch ihr breites Produktangebot war die MBH, ein Fachgroßhandel für Elektroinstallation, Metallbearbeitung, Gebäude- und Umwelttechnik, Holzbearbeitung, Brand- und Havarieschutz sowie den Automobil- und Nutzfahrzeughandel, stark durch die Konkurrenz betroffen.

Insbesondere in der ersten Phase der Vereinigung galten "Westprodukte" bei Bürgern der ehemaligen DDR den eigenen Angeboten überlegen. Alte DV-Systeme abzulösen sowie westliche kaufmännische Software einzuführen, zählte zu den wichtigsten Schritten, um Marktfähigkeit zu erlangen. Mit diesen Aufgaben waren DV-Leiter Sparig und sein Team beauftragt.

"Eines unserer größten Probleme war die Zeitknappheit. Die rasante Geschwindigkeit im Einigungsprozeß drängte uns dazu, zahlreiche Probleme in kürzester Zeit zu lösen", erinnert sich der DV-Verantwortliche. Sparig arbeitete zusammen mit DV-Leitern anderer Kombinatsbetriebe in einem Arbeitskreis an der Lösung dieses Problems. Im Bereich Hardware waren damals veraltete 8-Bit-Computer sowie DOS-kompatible Systeme der Marke Robotron, ausgestattet mit lediglich einem Diskettenlaufwerk, im Einsatz.

Einige Unternehmen verfügten zusätzlich über ebenfalls veraltete Systeme der Mittleren Datentechnik (MDT). Auf dieser Basis, das war allen Beteiligten klar, war großen westdeutschen Unternehmen Tür und Tor zur Übernahme des heimischen Marktes geöffnet. Folgerichtig mußten neue leistungsfähige DV-Systeme angeschafft werden.

Als Hardwarebasis hat Sparig moderne vernetzte MS-DOS-PCs unter Novell Netware ins Auge gefaßt. Als problematisch erwies sich dagegen der Softwarebereich. Alle alten Programme waren auf Planwirtschaft ausgerichtet und für den Umstieg in die Marktwirtschaft ungeeignet. "Wir mußten neue Programme kaufen und zuvor prüfen, welche Anforderungen diese abdecken sollten", beschreibt der DV-Chef das doppelte Problem, das bei westdeutschen Unternehmen aufgrund marktwirtschaftlicher Erfahrungen nicht in diesem Umfang auftritt.

Sparig hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits Informationen über einige Auftragsbearbeitungen eingeholt und kam schließlich auch mit dem Produkt "Pro-Fakt", einer netzwerkfähigen Fakturierung des Bremer Softwarebüros Szymaniak, in Kontakt. "Durch zahlreiche Prospekte hatte ich mir einen Überblick über die Leistungsbreite der angebotenen Programme verschafft und arbeitete mich auf diesem Weg an mein Anforderungsprofil heran."

Trotz des Zeitdrucks fiel die endgültige Entscheidung für das Produkt der Bremer erst, nachdem alle gestellten Anforderungen durch eine Demoversion erfolgreich abgedeckt wurden. Zwischenzeitlich entschied die Kombinatsleitung über die Abeitsgruppe hinweg, das Verwaltungsproblem auf einer Mittleren Datentechnik-Anlage (MDT) von DEC zusammen mit einem darauf geschriebenen Branchensoftware-Paket zu lösen.

Dieser Schritt stieß bei dem DV-Verantwortlichen auf Unverständnis: Weder waren die Untersuchungsergebnisse der Arbeitsgruppe abgewartet worden, noch wurden die höhere Flexibilität und die günstigeren Preise einer PC-Netzwerk-Lösung berücksichtigt. Überzeugt von den eigenen Untersuchungen blieb Herr Sparig bei seiner Entscheidung und setzte sich schließlich auch damit durch.

Neben Hard- und Software-Installation sowie dem "Vertraut-machen" mit PC und Programm waren durch die Wirtschaftsunion auch zahlreiche neue Regeln und Abläufe zu definieren und zu lernen. "Trotzdem konnten wir zum 1. Juli loslegen und tagesaktuell Belege verarbeiten", so Sparig. Zeitweise erfaßten zwölf Datentypistinnen zeitgleich Kunden- und Lieferantendaten, Artikel sowie Rechnungen.

Problematisch waren Basisüberlegungen, was die Einführung eines Rabattsystems, die Vergabe von Waren- und Kundengruppenkennziffern oder die Definition von Liefer- und Zahlungsbedingungen anging. Derartige Differenzierungen waren in der ehemaligen DDR nicht üblich und somit völlig neu. Dazu Sparig: "Viele Funktionen und Hilfen unserer Software konnten wir aus Zeitmangel nicht nutzen. Wir haben uns primär auf wichtige ablauftechnische Dinge konzentriert und Auswertungen vernachlässigt."

Zwischenzeitlich arbeiten zahlreiche MBH-Angestellte mit PCs. Zum Hauptnetzwerk, welches neben Server und Netzwerkbetreuer-Gerät 16 Arbeitsplätze zählt, kamen zwei neue Netzwerke mit weiteren elf PCs. Zusammen mit Finanzbuchhaltung (fünf Plätze) und drei Außenstellen-PCs sind insgesamt 35 Software-Arbeitsplätze installiert. Im Augenblick verarbeitet MBH mit der Pro-Software über 5000 Ausgangsrechnungen pro Monat.

PC-Lösung konkurriert mit MDT-Anlagen

Diese Umsätze werden von zirka 10000 Kunden erbracht, welche aus mehr als 55000 Artikeln wählen können. Doch dabei, so stellt Sparig fest, soll es nicht bleiben: "Augenblicklich streben wir eine Steigerung der Kundenzahl und des Rechnungsvolumens an. Diese höheren Kapazitäten sind für unser eingesetztes Softwaresystem kein Problem. Allerdings müssen wir dann unser Netzwerk um Speicherkapazitäten (größere Festplatten) und Arbeitsplätze ergänzen."

Mit der Entscheidung für die preiswerte Lösung auf PC-Basis "konkurriert" MBH erfolgreich mit den MDT-Anlagen der anderen Ex-Kombinatsunternehmen. Neben einfacher Bedienung und günstigem Preis hat die PC-Software auch Vorteile bei Auswertungen. Geboten werden Standards wie Kundenstatistiken, Artikelumschlags-Analysen oder Bestandslisten sowie darüber hinaus ein Listengenerator, mit dem Anwender individuelle Auswertungen ohne großen Aufwand selbst realisieren können.

"Ich kann wie in einer Datenbank alle Kundenadressen ausdrucken, die in den letzten drei Monaten einen Umsatz von über 5000 DM hatten", verdeutlicht Sparig. Ein großer Vorteil gegenüber MDT-Systemen zeige sich bei der DV-Anbindung von Außenstellen. Dazu der DV-Chef: "Wie ich weiß, haben die Unternehmen mit MDT-Anlagen im Augenblick das Problem, ihre Außenstellen ohne Anschaffung einer neuen MDT-Basisanlage oder Anmietung einer Standleitung einzubinden, was jeweils mit erheblichen Kosten verbunden ist. Dennoch benötigen diese Profit-Center eine DV-Anbindung. So wird augenblicklich ein Programm getestet, welches die MDT-Anbindung auf der Basis eines Profit-Center-PCs ermöglicht."

In naher Zukunft entsteht in einiger Entfernung zum Verwaltungsgebäude eine weitere Verkaufstheke. Parallel dazu wird das komplette MBH-Gelände verkabelt, so daß an jeder gewünschten Stelle PCs integrierbar sind.

Große Wachstumschancen sind im Bereich der Gebäude- und Umwelttechnik zu realisieren. Durch den Einsatz moderner Hard- und Software sieht Herr Sparig der westdeutschen Konkurrenz optimistisch ins Auge.

Mit steigenden Bau- und Renovierungstätigkeiten und dem daraus entstehenden Umsatzwachstum ist die Zukunft der Maschinenbau- und Technikhandel GmbH in Magdeburg weitgehend gesichert.