Permanente Fehlersuche im Airbus mittels Digitaltechnik:

Unterbeschäftigte Mikros checken Sicherheit

04.05.1984

Trotz aller Checklisten und Prüfprozeduren vor jedem Start ist es gar nicht so leicht, verborgenen Defekten in Flugzeugen stets rechtzeitig auf die Spur zu kommen. Doch das ändert sich jetzt in dem Maße, indem immer mehr Mikroprozessoren ihren Weg in die Aeroplanes finden. Neben höherer Sicherheit kann die frühzeitige Fehlererkennung auch zu größerer Wirtschaftlichkeit führen.

Die moderne Flugzeugelektronik steht heute im Zeichen der Digitalisierung: Nicht mehr analoge elektrische Signale (variable Spannungen beispielsweise) werden heute von den Sensoren zu den zentralen Instrumenten, beziehungsweise vom Cockpit, wiederum an die einzelnen Stellglieder geleitet, sondern digitale Impulse. Mikroprozessoren bereiten sie auf, leiten sie von einem Flugzeugteilsystem zum nächsten, verbinden sie miteinander, speichern sie gegebenenfalls irgendwo ab und holen sie wieder aus der Versenkung, sollten sie erneut benötigt werden. Doch mit all diesem Tun sind die billigen Mikros noch längst nicht ausgelastet - und so kann man ihnen nun auch noch die Überwachung der Flugzeugsicherheit anvertrauen. Das Suchen, Finden und Identifizieren von Fehlern, so zeigt das Beispiel der Airbusse A 310/320, geschieht damit nun praktisch im. Huckepack-Verfahren auf ohnehin schon vorhandenen elektronischen Informationswegen.

Digitale Elektronik prägt heute bereits die Maschine der Airbus-Familie: Digitalsignale steuern nicht allein die Flugzeugführungs- und Avionik-Anlagen direkt im Cockpit, sondern auch so wichtige Teilsysteme wie die Triebwerke, die Hilfsturbine, die Antriebe zum Bewegen von Flügelklappen oder die Klimaanlage. Eine ganze Reihe von Mikroprozessoren sorgen dafür, daß alle Systeme korrekt zu einspielen und exakt auf die Befehle aus der Pilotenkanzel reagieren.

Nun mußten nur noch Wege gefunden werden wie die einzelnen Mikros Fehler erkennen, die entsprechende Meldung zu einem zentralen Computer bringen und den Defekts dann dem letzten in der Kette, dem Menschen, signalisieren können.

Ein derartiges Fehlerdiagnoseverfahren entwickelten Ingenieure von MBB für die Lufthansa in Gestalt des sogenannten "Aircraft Integrated Data Systems". Dieses System sammelt beim Triebwerk des A-3 1 0-Luftbusses Daten, die einmal wichtige Hinweise auf das aktuelle Leistungsvermögen der Turbine geben, die vor allem aber mögliche Fehler frühzeitig signalisieren. Dazu werden direkt, während das Triebwerk läuft, Angaben über Drücke, Temperaturen und andere wichtige Parameter an mehreren Stellen des Aggregats gesammelt.

Immer, wenn vier Stunden vorbei sind, geht dieses System automatisch auf Fehlerfahndung: Es sucht dabei während des Flugs selbsttätig nach einer stabilen Betriebsphase und fertigt, wenn es eine festgestellt hat, sofort eine Art Momentaufnahme des aktuellen Zustands des Triebwerks an. Das Resultat dieser automatischen Durchleuchtung wird über einen Drucker ausgegeben, der im Cockpit installiert ist.

Doch das beschriebene System ist noch längst nicht der Weisheit letzter Schluß. Schon arbeiten Ingenieure im Hamburger MBB-Werk an seiner Weiterentwicklung, sprich an einem Projekt namens "Fault Isolation and Detection System. Es wird dafür sorgen, daß im gesamten Flugzeug es geht dabei um die "A 320" - Fehler gesucht und gefunden werden.

Ein Beispiel macht deutlich, wie raffiniert die Neuentwicklung arbeiten soll. Man denke sich, die Überwachung der Stellung einer Klappe an einem Flügel weise einen Fehler aus: Der Hinweis auf ihn wird dann vom überwachenden Mikroprozessor gespeichert und, auf Abruf, an das zentrale Wartungssystem an Bord der Maschine weitergeleitet. So kommt die Warnung auf den Bildschirm oder (und) auf den Drucker.

Nun könnte die Langzeitbeobachting zeigen, daß dieser besagte Fehler intermittierend vorkommt oder daß der Fehler vielleicht bloß bei einer bestimmten Flughöhe oder bei einem bestimmten Tempo auftritt. Die Folge: Das Wartungspersonal kann nun gezielt nach komplexeren Ursache/Wirkungs-Zusammenhängen, die zum Auftreten des hier genannten Fehlers führen mögen, suchen, und ist nicht mehr allein auf die Überprüfung der Klappe selber beschränkt. Und das heißt natürlich, dank der modernen Mikrologik werden nun auch Gefahren erkenn- und bekämpfbar, die man früher, wenn Oberhaupt, niemals in ihrer vollen, komplexen Gestalt hätte erkennen können - bis vielleicht das kritische Zusammenwirken von Flughöhe, Geschwindigkeit und Klappenbefehl fatale Folgen gehabt hätte. (Selbst dann hätte die letzte Ursache eines Absturzes vielleicht für immer rätselhaft bleiben können.)

Die Nutzung der ohnedies vorhandenen Mikrointelligenz für die Belange der Sicherheit hat noch einen angenehmen Nebeneffekt, verlautetaus dem Hause MBB. Nämlich den, auch die Wirtschaftlichkeit des Flugbetriebs zu erhöhen. Denn Fehler krasse Fehlfunktionen ebenso wie kleine, nicht direkt auffallende Fehlreaktionen - kosten in der Luftfahrt ja viel Geld.