Unter Kunden immer weniger Einsteiger Fuer die SW-Industrie wird die Upgrade-Politik immer wichtiger

18.06.1993

CANNES (hp) - Die DV-Industrie steckt in einer Krise, und viele frueher erfolgsverwoehnte Softwarehaeuser kaempfen inzwischen um ihr Ueberleben. Auf dem diesjaehrigen Treffen der Software Publishers Association (SPA) in Cannes kamen diese Probleme allerdings kaum zur Sprache.

Zu den wenigen, die auf der SPA-Veranstaltung Schwierigkeiten und Moeglichkeiten der DV-Industrie kritisch analysierten, gehoert Charles Wolf von dem Beratungsunternehmen First Boston. Die groessten Veraenderungen sieht er auf die PC-Software-Industrie zukommen. Im Gegensatz zu frueher, als die Anbieter vom Geschaeft mit Neukunden lebten, werde der Markt der Zukunft zu einem betraechtlichen Teil aus dem Verkauf von Upgrades bestehen. Deshalb sei es wichtig, den Einstiegspreis relativ niedrig zu halten.

Sei der Anwender erst von dem Produkt ueberzeugt, werde der Anbieter auf laengere Sicht vom Verkauf der Neuversionen profitieren. In diesem Zusammenhang sieht Wolf erfolgversprechende Marketing-Ansaetze von Borland. Die Kahn-Company habe schon sehr frueh damit begonnen, sehr guenstige Einsteigerpreise festzulegen. Zudem biete sie in den USA Dumpingpreise fuer diejenigen Anwender, die von einem Konkurrenzprodukt auf ein Borland-Programm umsteigen wollen.

Allerdings ist das Geschaeft mit den Upgrades nicht ganz unproblematisch. Viele Anwender sehen naemlich nicht ein, warum sie ein- oder bei manchen Software-Anbietern sogar zweimal jaehrlich auf die neueste Version umsteigen sollen. Vor allem in Zeiten von schrumpfenden DV-Budgets scheuen sie die Kosten fuer die Upgrades und das Training der Enduser. "Die User achten sehr viel mehr auf die Preise als frueher. Sie lassen einige Versionen aus und springen erst wieder auf den Zug, wenn es wirklich sinnvolle Neuerungen gibt", erklaert dazu Wolf. Dazu komme, dass sich die Programme durch den Einsatz von Windows sehr aehneln - ein weiterer Grund fuer die Anwender, nach dem Preis zu entscheiden.

Dieses Entscheidungskriterium der Softwarekaeufer haben auch die Anbieter erkannt, die jetzt versuchen, sich gegenseitig zu unterbieten - ein Trend, der vor allem in den USA zum Tragen kommt und den Anwender in den Genuss immer guenstigerer Sonderangebote bringt.

Die Phase des Preisverfalls hat die Hardware-Industrie schon hinter sich, so fuehrt Wolf weiter aus. Sie habe nur Chancen, wenn sie weiterhin die Zulieferpreise und die Produktionskosten niedrig halte. Er haelt es fuer unwahrscheinlich, dass alle Anbieter diesen Verdraengungswettbewerb ueberstehen werden, aber auch nach dem Shakeout wuerden sich die Preise nicht erhoehen. "Da es so einfach ist, in den PC-Markt einzusteigen, werden die jetzigen Anbieter vorsichtig agieren", begruendet der Marktkenner weiter.

Vor allem die Haendler bekamen die Kampfpreise der PC-Anbieter zu spueren, die ihre Margen staendig sinken liessen. Grund fuer ihre schlechte Marktsituation sind, so der Co-President von Computer 2000, Steve DeWindt, auch die Direktverkaeufe der Hersteller an Grosskunden. Hier mache sich die Tendenz zu unternehmensweiten Softwarelizenzen bemerkbar, die in der Regel zwischen Anbieter und Anwender ausgehandelt werden. Bessere Chancen sieht DeWindt fuer VARs und OEMs.