Unter Chapter eleven soll Basis fuer Restunternehmen wachsen Sun kauft Hardware-Division von Thinking Machines sehr billig ein

26.08.1994

MUENCHEN (jm) - Die Thinking Machines Corp. (TMC) aus Cambridge, Massachusetts, Synonym fuer massiv-parallele Computer, musste Glaeubigerschutz nach Chapter eleven des US-amerikanischen Konkursrechts anmelden. Etwa ein Drittel der Belegschaft wird sofort entlassen. Sun Microsystems uebernimmt die Hardware- Entwicklung von TMC. Die Software-Division soll unter dem Namen TMC fortgefuehrt werden. Vorrangige Ziele: Lizenzen fuer ihre Technologie an Anbieter unterschiedlicher MPP-Plattformen zu veraeussern und den Support fuer insgesamt zirka 125 installierte TMC-Systeme aufrechtzuerhalten.

Wie ein TMC-Insider gegenueber der CW erklaerte, wird Sun sich des Know-hows der Hardware-Entwickler versichern und diese TMC- Division uebernehmen. Im Gespraech sei ein Kaufpreis von sieben Millionen Dollar.

Der erstaunlich niedrige Betrag relativiert sich, wenn man an vergleichbare Transaktionen denkt: Auch als sich seinerzeit Floating Point Systems (FPS) unter die Fittiche der Cray Research Corp. fluechten musste oder als sich Hewlett-Packard (HP) den dicksten Brocken der in Einzelteile aufgebrochenen Multiflow einverleibte, wechselten nur ein paar Millionen Dollar den Besitzer.

Sun sichert sich mit der Hardwaresektion von TMC Technologie, in die sie bereits eigenes Know-how eingebracht hat. In TMCs neuester Rechnergeneration, den CM-5-Maschinen, arbeiten Supersparc- Prozessoren. Sun unterhaelt allerdings auch eine Partnerschaft mit Cray Research, deren Superserver der "CS6400"-Linie ebenfalls mit Sparc-CPUs rechnen. Die Cray-Systeme komplettieren Suns eigenes Multiprozessor-Systemangebot der "Sparcserver-1000"- und "Sparccenter-2000"-Maschinen am oberen Leistungsspektrum. TMCs Software-Division soll erhalten bleiben und auch zukuenftig Produkte entwickeln. Fuer diese versuche man dann, die Hersteller anderer MPP-Plattformen wie etwa IBM mit deren "SP2"-Systemen als Lizenznehmer zu gewinnen.

Nach Informationen des Brancheninformationsdienstes "Computergram" sind erste Annaeherungsversuche zwischen TMC und Big Blue allerdings fehlgeschlagen: Danach habe IBM verlangt, dass TMC die Architektur seiner MPP-Systeme auf die Power-PC-Prozessoren umstellen solle. Ueberdies haette TMC-President Richard Fishman sich einverstanden erklaeren sollen, IBM eine kostenfreie Lizenznutzung von gewisser TMC-Software zuzugestehen. Hierfuer offerierte Big Blue eine Minderheitsbeteiligung - nach Fishman ein wenig attraktives Angebot.

Architekturwechsel zu problematisch

Fuer Insider kommt der Zusammenbruch des Traditionsunternehmens in Sachen Hoechstleistungsrechner nicht ueberraschend. Wolfgang Gentzsch, Mitbegruender der Genias Software GmbH aus Neutraubling bei Regensburg, in dessen Firma Parallelisierungswerkzeuge fuer MPP-Rechner entwickelt werden, glaubt, dass der Wechsel vom SIMD- Konzept der CM-2- auf die MIMD-Architektur der CM-5-Maschine fuer potentielle Kaeufer eine zu grosse Huerde darstellte.

In einem ist sich der Professor fuer Angewandte Mathematik und Informatik der FH Regensburg mit seinem Kollegen Hans-Werner Meuer, Supercomputer-Guru der Uni Mannheim, und mit Benchmark- Papst Jack Dongarra, Herausgeber der Top-500-Supercomputer- Hitliste, einig: TMC scheiterte an dem Versuch, mit der CM-5 eine Kombination aus Parallelmaschine und Vektorrechner zu konstruieren: "Die CM-5 hat ja nicht nur pro Knoten Sparc- Prozessoren, was ja - weil offen - eine feine Sache ist. Sie hat eben pro Knoten auch vier Spezialvektor-Pipes."

Wegen dieses Technologiekonzeptes seien Software-Entwickler bei der CM-5 mit der extrem beschwerlichen Aufgabe konfrontiert, Programmierprinzipien der Vektorisierung mit denen der Parallelisierung zu verbinden. Gentzsch: "Jedes fuer sich ist schon sehr muehsam, beides zusammen sehr, sehr schwierig."

Kommerziellen Markt vernachlaessigt

Wie Gentzsch sieht Horst Gietl vom Konkurrenten Ncube vor allem auch das Ende des kalten Krieges als ein wesentliches Argument fuer TMCs Scheitern. Gietl hierzu: "TMC hat vor allem von Staatsauftraegen, im ueberwiegenden Masse von Militaerauftraegen, gelebt." Gentzsch untermauert diese Ansicht mit der Feststellung, TMC habe 1994 noch keinen einzigen Rechner verkauft.

TMC-Deutschland-Manager Juergen Kesper konzediert: "Die US- Regierung hat sich dieses Jahr extrem zurueckgehalten. Von denen haben wir zum grossen Teil gelebt - das Geschaeft ist aber voellig weggebrochen."

Ein toedlicher Fehler war zudem, dass TMC sich nicht rechtzeitig dem kommerziellen Sektor zuwandte. Kesper: "Haette sich TMC rechtzeitig und nicht erst viel zu spaet um kommerzielle Anwendungen bemueht, dann haette das Unternehmen ein zweites Bein gehabt. Das hat leider gefehlt." Gietl hierzu: "Wer seine MPP-Systeme ausschliesslich fuer den wissenschaftlichen Bereich auslegt, der ist verloren. Es gibt - mit Ausnahme der stark gefoerderten Cray Research - keine einzige Firma, die solch eine Strategie ueberleben koennte."