Personalchef Moll schickt seine Workaholics mitunter nach Hause

"Unsere Mitarbeiter sollen noch ein Privatleben haben"

28.04.2000
Die Macher des Internet-Portals Web.de haben große Pläne. Sie wollen in den nächsten Jahren im deutschsprachigen Raum zur Nummer eins aufsteigen und für mindestens 50 Prozent der Nutzer die erste Adresse für die Reise durch das Netz sein. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, brauchen die Karlsruher neben cleveren Ideen vor allem eines: gute Mitarbeiter. Human Resources Manager Markus Moll im Gespräch mit Ingrid Weidner*.

CW: Seit dem Börsengang im Februar hat sich der Bekanntheitsgrad des Unternehmens deutlich erhöht. Welche Mitarbeiter suchen Sie jetzt?

Moll: Bei uns sind in allen Bereichen neue Mitarbeiter gefragt. Momentan arbeiten hier 80 Festangestellte und 45 Teilzeitmitarbeiter. Bis Ende 2001 wollen wir etwa 500 Leute an Bord haben.

CW: Wie wollen Sie das schaffen?

Moll: Wir müssen mehrere Möglichkeiten des Recruitments nutzen, vom Hochschul-Marketing über die traditionelle Stellenanzeige bis zu den Online-Jobbörsen. Allerdings hat uns der Börsengang als Arbeitgeber bekannter und attraktiver gemacht. Inzwischen gibt es mehr Initiativbewerbungen.

CW: Wie sehen die idealen neuen Kollegen aus?

Moll: Eine Internet-Affinität und technisches Know-how sollten auf jeden Fall da sein. Wichtig sind uns vor allem Motivation und Persönlichkeit der Bewerber. Neben den technischen Studienfächern sind klassische Quereinsteiger aus den Naturwissenschaften für die technische Entwicklungsabteilung willkommen.

CW: Wie sehen die persönlichen Voraussetzungen aus?

Moll: Die Leute sollten wissen, was sie wollen, und Spaß an der Arbeit haben. Wer zu uns kommt, der will etwas bewegen und vorne dabei sein. Da die Entwicklung rasant verläuft, gehören Flexibilität und die Bereitschaft, ständig etwas Neues zu lernen, ebenfalls als wichtige Faktoren dazu.

CW: Das hört sich nach 70 bis 80 Wochenstunden an.

Moll: Keineswegs. Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Mitarbeiter auch ein Privatleben haben und die Firma nicht die sozialen Kontakte außerhalb des Büros ersetzt. Wenn sich das ganze Leben nur in der Firma und im virtuellen Raum abspielt, dann ist das sehr bedenklich.

CW: Wie wollen Sie das ausschließen?

Moll: Die Teamleiter achten darauf, dass die Arbeit nicht alles ist. Workaholics schicken wir auch mal nach Hause, wenn sie ständig zu lange an den Bildschirmen kleben. Bei uns gibt es zwar keine Zeiterfassung, sondern flexible Arbeitszeiten, aber wir erwarten nicht, dass das Soll von 40 Stunden permanent überschritten wird.

CW: Warum nicht?

Moll: Leute, für die es nur noch die Arbeit und kein Privatleben gibt, sind irgendwann nicht mehr kreativ, sondern nur noch ausgepowert. Wenn die Privatkontakte wegbrechen, ist das ein negativer Multiplikator. Das möchten wir auf keinen Fall, denn unsere Mitarbeiter sollen langfristig für uns arbeiten wollen. Dazu gehört ein gesundes Verhältnis zwischen Arbeits- und Freizeit.

CW: Was bieten Sie Ihren Mitarbeitern finanziell?

Moll: Neben dem Gehalt gibt es ein Aktienoptionsprogramm.

CW: Momentan liegt der Aktienkurs mit zirka 27 Euro einen Euro über dem Emissionskurs. Ist das noch eine attraktive Option?

Moll: An unserer Firma hat sich nichts geändert. Unsere Kennzahlen stimmen. Momentan erleben wir eine Kurskorrektur am Neuen Markt. Unsere Aktien sind für die neuen Mitarbeiter eine gute Einstiegsmöglichkeit.

CW: Wie sieht es mit immateriellen Anreizen aus?

Moll: Bei der Personalentwicklung legen wir großen Wert darauf, die neuen Kollegen gut zu integrieren. Ständige Aus- und Weiterbildung on the job, aber auch externe Kurse, etwa Moderationstechniken und Vorbereitung auf Führungsaufgaben gehören bald zum Standard.

CW: Welche Perspektiven bieten Sie den Mitarbeitern?

Moll: Da wir stark wachsen, haben die Mitarbeiter gute Entwicklungsmöglichkeiten. Weil wir mit sehr flachen Hierarchien arbeiten, gibt es wenig vertikale Aufstiegschancen. Gerade im technischen Bereich wünschen sich das viele Mitarbeiter auch nicht. Wichtiger ist die horizontale Wissenserweiterung jedes Einzelnen. Denn das Wissen wird der entscheidende Faktor sein, wenn es um neue und verantwortungsvollere Aufgaben geht.

CW: Ist Karlsruhe als Standort ein Nachteil beim Personal-Recruitment?

Moll: Ja und nein. Die Leute, die schon hier leben, wissen die Lebensqualität zu schätzen. Da der Arbeitskräftemarkt wegen der vielen ortsansässigen IT-Firmen sehr eng ist, müssen wir manche Bewerber aus anderen Städten und Bundesländern schon überzeugen.

CW: Was ist die kniffligste Frage beim Vorstellungsgespräch?

Moll: Falls jemand sich mit einer anderen Free-E-Mail als unserer hier bewirbt. Da frage ich schon genauer nach. Manche Bewerber sind dann verunsichert, andere haben aber schlagfertige Antworten parat. Aber ein Ausschlusskriterium ist das nicht.

* Ingrid Weidner ist freie Journalistin in München.