Web

Ray Kurzweil

"Uns steht eine phantastische Zukunft bevor"

21.06.2010
Von 


Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.

Die mediale Revolution

CW: Was ist das nächste große Ding in der IT? 2010 scheint das Jahr der Tablet-PCs zu werden.

KURZWEIL: Wir befinden uns dank der Tablet-PCs gerade am Beginn einer medialen Revolution. In einigen Jahren werden diese Geräte jede Form von Mediennutzung verändert haben. Filme, TV, Bücher, Zeitschriften, Musik - alles wird irgendwo in der Cloud liegen und jedem von überall aus zugänglich sein. Ein weiterer Trend ist die virtuelle Realität, die von einem spielartigen Erlebnis, wie wir es heute noch haben, zu einem Teil unseres wirklichen Lebens werden wird. Das geht heute mit den Videokonferenzsystemen los, die sich weiter in Richtung der Dreidimensionalität entwickeln werden. Bald werden wir virtuelle Realität mit allen Sinnen erleben können - zumindest visuell und auditiv. Schon heute halte ich viele Vorträge über mein eigenes Teleportec-System, mit dessen Hilfe ich mich sogar im Raum bewegen und dem Publikum in die Augen schauen kann. Auch 3D-Umgebungen im WWW wie "Second Life" werden in den kommenden zehn Jahre wesentlich realitätsgetreuer werden und immer mehr unseren Alltag bestimmen - auch wenn das genannte Beispiel für viele immer noch nur ein Spiel ist.

CW: Mit Ihren Gedanken im Hinterkopf - in welches Start-up würden Sie jetzt investieren?

KURZWEIL: Ich glaube zwar, dass sich viele technische Entwicklungen vorhersagen lassen - unternehmerischer Erfolg lässt sich aber nach wie vor nicht prognostizieren. Als Larry Page und Sergey Brin ihre Suchmaschine ins Leben riefen, gab es mehr als ein Dutzend Unternehmen, die Ähnliches vorhatten. Allein wie die beiden ihre Ideen umgesetzt haben, hat letztlich den Unterschied ausgemacht. Das ist ein Punkt, den ich in vielen meiner Investments und beratenden Tätigkeiten für junge Unternehmer immer wieder an oberste Stelle setze: Nur wer das exponentielle Wachstum der Technologie in seine Business-Pläne einbezieht, hat auch eine Chance, dauerhaften Erfolg zu haben. Wer das nicht macht und annimmt, dass die Welt der Zukunft die gleiche ist wie die heutige, hat keine Chance. Eine Gefahr dabei ist aber, überoptimistisch zu planen und von Entwicklungen auszugehen, die sich nicht bestätigen. Das Paradebeispiel ist das Platzen der Dotcom-Blase Anfang des Jahrzehnts: Die waghalsigen Prognosen, die diese Unternehmen getroffen haben, waren im Kern völlig richtig - sie waren jedoch davon ausgegangen, dass sie innerhalb von ein bis zwei Jahren eintreffen würden. Tatsächlich hat es aber zehn Jahre gedauert. Exponentielles Wachstum heißt also nicht augenblickliches Wachstum, sondern langsames und stetiges, erst später schnell ansteigendes Wachstum.