Unruhe im Chip-, Bürokommunikations- und SoftwaremarktJapan: Turbulenz fördert Konzetration

22.08.1986

TOKIO/MÜNCHEN (bk) - Nicht nur der unlängst beigelegte Chip-Streit mit den Amerikanern hat bei den Japanern einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Auch in der Software- und Bürokommunikationsbranche stehen Agenturmeldungen und Presseberichten zufolge die Zeichen auf Sturm: Kleine und mittlere Unternehmen kämpfen ums Überleben.

Mehr als ein Jahr dauerte der Chip-Konflikt zwischen Japan und den USA (siehe CW 32/86, Seite 64). Sogar die US-Regierung wurde eingeschaltet, die dem Tokioer Außenhandelsministerium MITI sogleich ein Antidumping-Verfahren anhängte und deftige Strafzölle für jeden japanischen 64-KB- sowie 256-KB-Chip androhte.

Angesichts der drohenden Einführrestriktionen haben die Japaner (...) nachgegeben.

Sie verpflichteten sich auf die Dauer von fünf Jahren, unter anderem darauf zu achten, daß japanische Hersteller ihre Halbleiter in den USA und in Drittländern nicht "unter Preis" anbieten. Gerade diese Vereinbarung aber könnte für die Japaner recht unangenehm werden: Über das MITI müssen die japanischen Chip-Exporteure dem US-Handelsministerium vierteljährlich ihre Kostenkalkulation und Preise vorlegen, und dies sowohl für die inländische als auch die ausländische Produktion. Die Vereinigten Staaten wiederum legen einen sogenannten Auslandswert fest. Wird dieser von den japanischen Unternehmen unterschritten, so kann das die Aufforderung zur Einstellung von Exporten und Verkäufen oder Anti-Dumping-Verfahren zur Folge haben.

Doch nicht nur das Halbleitergeschäft bereitet den Japanern Sorge. Unruhe herrscht auch in der Bürokommunikationsbranche. So schicken sich die "Großen der Industrie" (zum Beispiel NEC, Fujitsu und IBM Japan) an, die Kontrolle über diesen Markt zu gewinnen. Nach Ansicht von Marktbeobachtern setzen sie alle verfügbaren technischen und finanziellen Mittel ein, um weitere Anteile dieses Zukunftsmarktes zu belegen und ihre Vertriebskanäle zu erweitern. Dies führt schon seit einigen Monaten, so die Marktbeobachter, zu immer neuen Konkursen der nicht so finanzstarken Unternehmen. Jüngstes Beispiel: die Miroku Keiri Co., ein laut Insider "nicht unbedeutender" Bürokommunikationshersteller. Das Unternehmen erreichte nach seiner Gründung 1961 schnell eine führende Position als Distributor von Bürocomputern des unteren und mittleren Leistungsbereiches, konzentrierte sich aber in letzter Zeit vor allem auf die Entwicklung von Softwareprodukten.

Und gerade dieses nennen die Miroku-Verantwortlichen als Grund für ihr Scheitern: die Investitionen für die Softwareentwicklung - zirka 64,9 Millionen Dollar pro Jahr - seien zu hoch gewesen. Sprecher von Kreditinstituten dagegen glauben, daß Miroku "zuviel riskiert hat, um mehr Marktanteile zu erreichen". Und ein Insider: "Dem Unternehmen war jedes Mittel recht, um seine Verkaufszahlen zu steigern".

Der Zusammenbruch von Miroku, so befürchten die Marktanalysten, werde den Führungsanspruch der großen japanischen DV-Hersteller im Bereich der Bürokommunikation unterstreichen. Den "Kleinen" dagegen bliebe nur die Möglichkeit, unter der Regie der "Großen" zu arbeiten. So mußte bereits Anfang 1985 die Sord Computer Corp., ein 32-Bit-Minicomputerhersteller, aufgeben. Toshiba übernahm das tiefverschuldete Unternehmen. In den folgenden Monaten kaufte die Digital Computer Ltd. die AI Electronics Corp. auf. Doch auch dieses Unternehmen mußte vor einem Monat die Fuji Bank um Unterstützung angehen.

Ähnliche Tendenzen werden auch von der japanischen Softwareindustrie gemeldet. War dieser Bereich lange Zeit geprägt von kleinen Unternehmen mit zehn bis 30 Mitarbeitern, so macht die wachsende User-Nachfrage nach komplexen Softwarelösungen inzwischen immer mehr Fusionen der kleinen Softwarehäuser erforderlich. Von Januar bis Juni dieses Jahres schlossen sich an die 100 kleine bis mittlere Unternehmen in sechs Vereinigungen zusammen. Diese Gruppenbildung gewährleiste mehr finanzielle Mittel und die Erweiterung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten.

Damit aber beherrschen diese 100 Unternehmen wiederum den japanischen Softwaremarkt, der im Jahr rund 3,4 Milliarden Dollar ausmacht. Für Softwarehäuser, die unabhängig bleiben wollen, wird damit der Kampf ums Überleben immer schwerer. So bescheinigt denn auch Ken Hirokawa, President der 120 Mitarbeiter zählenden Japan System Integration: "Die Zeiten der One-Man-Shows sind vorbei."

Aber auch von staatlicher Seite wird den kleinen unabhängigen Weichwareproduzenten das Leben schwer gemacht. So wurde im Juli ein Gesetz verabschiedet, das ihnen verbietet, ihre technischen Mitarbeiter, ihre Kunden, beispielsweise OEMs, auszuleihen.