Auslieferung für Ende November angekündigt

Unixware soll Novell das Tor zum Markt für PC-Unix öffnen

23.10.1992

DALLAS/MÜNCHEN (gh/gfh/pg) - Der Einstieg New in den Unix-Markt als Anbieter eines netzwerkfähigen Betriebssystems steht unmittelbar bevor. Auf der Networld in Dallas kündigte Univel, die gemeinsame Tochter von Novell und der Unix System Laboratories Inc. (USL) die Auslieferung von "Unixware " für Ende November an.

Zu dem neuen Produkt steuert die USL, die an Univel mit 45 Prozent beteiligt ist, das Unix System V, Release 4.2, bei, während Novell, das 55 Prozent der Anteile hält, für die Integration der Kommunikationsprotokolle IPX/SPX sowie weiterer Netware-Services in Unixware sorgt. Laut Kai Leonhardt, Pressesprecher der Novell Deutschland GmbH, hat Novell durch Unixware den Vorteil, nicht nur mit einem PC-Betriebssystem in den Unix-Markt einzutreten, sondern durch die Implementation der Netware-Protokolle IPX/SPX in das Unix-System auch den Zugriff auf Netware-Server und damit Novell-Netze zu gewährleisten. Zu den gegenwärtig kursierenden Gerüchten, Novell wolle USL übernehmen beziehungsweise den Anteil von bisher 4,6 Prozent an der Unix Company deutlich erhöhen, antworteten Sprecher beider Unternehmen in Dallas auf Antrage der COMPUTERWOCHE mit ,Kein Kommentar ".

Umkämpfter PC-Markt für Unix-Anbieter

Das modular konzipierte Client-Server-Betriebssystem Unixware wird nach Angaben von Univel aus drei Kernprodukten bestehen: der Personal Edition, die als Client fungiert und über die Netware-Features hinaus ein eigenständiges Desktop-Unix darstellt, dem Application Server sowie einem Software Developer Kit. Die Personal Edition verkörpert ein Single-User-System, das über IPX/SPX in Netware-Netze integrierbar ist. Der Application Server gewährleistet dagegen verteilten Multi-User-Zugriff auf Unix-Applikationen sowie die Networking-Protokolle IPX/SPX und das Unix-spezifische TCP/IP. Das Entwickler-Toolset enthält Werkzeuge und Dokumentationen für die Programmierung in der Unixware-Umgebung.

"Unser Ziel ist, die Ressourcen von Unix- und Netware-Netzen mit Unixware zu koppeln ", erklärt Leonhardt den Beweggrund Novells, in das Unix-Geschäft einzusteigen und sieht den Nutzen des Anwenders unter anderem darin, künftig keine Protokolle mehr konvertieren zu müssen. Von den anderen Unix-Produkten Novells unterscheidet sich Unixware dadurch, daß es sich bei der Software um ein eigenständiges Betriebssystem handelt. Hierin wird nach Ansicht Leonhardts eine Öffnung Novells von einem reinen Netzwerk-Betriebssystem-Anbieter zu einer Betriebssystem-Company deutlich, da das Unternehmen mit DR-DOS 6.0 " und "Netware Palm DOS bereits zwei weitere OS Produkte im Angebot habe.

In der Unix-Linie von Novell ergänzt Unixware die Produkte "Netware NFS", Netware für Unix" und "LAN Workplace". Dabei regelt Netware NFS die Integration von Unix-Rechnern in PC-Netze über den Netware Server, während das OEM-Produkt Netware für Unix in Unix Plattformen implementiert wird und dort einen Netware-Server für DOS-, OS/2- und Mac-Clients simuliert. LAN Workplace schließlich stellt ein Interface zwischen Unix und anderen Betriebssystemen dar, das den transparenten Dateitransfer von der PC-Plattform (DOS, OS/2, Mac) auf Unix und umgekehrt über grafische Benutzeroberflächen erlaubt und Netware nicht unbedingt voraussetzt.

Als Zielgruppe für Unixware definiert Univel laut Chris Torkildson, Vice-President Product Developement, potentielle Rightsizer, die einerseits bestehende Features des Netware Servers wie File- und Printsharing sowie IBM-Mainframe-Anbindung nutzen, andererseits die Multi-User- und Fault-Tolerance-Funktionalität des USL Unix 4.2 einsetzen wollen. außerdem spekuliert Univel auf UNIX-Anwender, die von ihren angestammten Versionen auf Unixware wechseln sowie die Klientel der Netware-Anwender, die beabsichtigen, leistungsfähige Unix-Rechner in ihre Netze zu integrieren.

Die Brancheninsider reagieren auf die Unixware-Ankündigung im Hinblick auf die Netware-Strategie Novells allerdings zwiespältig. Zum einen könnte es Novell gelingen, so die vorherrschende Meinung, sich im High-end-PC-Markt eine feste Position zu sichern, weil immer mehr Anwender Unix als geeignete Plattform für unternehmenskritische Applikationen ansehen. Zum anderen bewegt sich Novell hier in einem Marktsegment, wo Banyan Systems mit seinem "Vines für SCO Unix 1.0 '' bereits als starker Mitbewerber präsent ist.

Ferner wird darüber spekuliert, ob es für Novell auf Dauer von Interesse ist, Netware zum Server für File- und Printsharing zu degradieren. Dies angesichts der Tatsache, daß Netware-Anwendern mit entsprechenden Netware Loadable Modules (NLMs) von Datenbankherstellern wie Gupta Technologies Informix, Oracle sowie dem seit einer Woche verfügbaren System Fault Tolerance Version 3 auch Features für unternehmenskritische Applikationen zur Verfügung stehen.

Die Konkurrenz von Banyan fürchtet Torkildson allerdings 0 nicht: "Ich glaube, der Anwender wird sich im Zweifel für eine echte Unix-Lösung und damit für Unixware entscheiden äußert der Univel-Manager seine Überzeugung und ist außerdem der Ansicht, der große Marktanteil von Netware spreche für sich. Aber auch in Netware als Konkurrenzprodukt sieht Univel keine Gefahr, weil Unixware nach Meinung des Vice-President die stabilere, schnellere und effektivere Lösung sei.

Eine konkrete Prognose über zu erzielende Marktanteile wagt das Univel-Management derzeit jedoch nicht, obwohl das Unternehmen einen anhaltenden Trend zu Unix sieht. "Der Unix -Markt wird 1994 einen Anteil von 24 Prozent am Gesamtmarkt haben und weltweit 42 Milliarden Dollar umsetzen" begründet Univel-Chef Joel Appelbaum die guten Marktchancen von Unixware und verweist ferner auf die Distributionswege von USL und Novell

Appelbaum verschweigt allerdings, daß Marktbeobachter wie Dataquest Unix nach wie vor als Workstation-Betriebssystem klassifizieren. Sie prognostizieren den Desktop-Varianten des Multiuser-Betriebssystems für die nächsten Jahre lediglich einen Marktanteil deutlich unter zehn Prozent.

Portierungsaufwand ist nicht ausgeschlossen

Novell gibt sich jedoch ausgesprochen zuversichtlich. Das Unternehmen vertraut bei der Vermarktung auf die weltweiten Vertriebskanäle. "Unix übernimmt zwar schon seit 20 Jahren den Markt '', kommentiert Joseph Wolf, Product Manager Unix bei Novell Deutschland, lakonisch den bislang ausgebliebenen UNIX-Durchbruch, macht dafür aber vor allem die Hardwarehersteller als OEMs verantwortlich, die sich nicht sehr für Unix oder nur für die eigenen Versionen interessiert hätten.

Nach Angaben von Univel und Novell laufen auf dem Produkt auch Anwendungen für andere PC-Unix-Varianten wie SCO Unix, Interactive Unix und Applikationen, die den iABI Standard von Intel unterstützen. Portabilität und Skalierbarkeit der Anwendung werde zu dem durch die Verwendung der t Standards Posix, FIPS, XPG3, iBCS2 und iABI gesichert. Wolf räumte jedoch ein, daß es sich dabei um eine theoretische Aussage handle, da es unter den genannten Derivaten mit Sicherheit Anwendungen gebe, die nicht ohne Portierungsaufwand I zu fahren seien. Verhandlungen mit SCO, für die Netware-Shell ebenso wie für IPX/SPX von Novell eine Lizenz zu erwerben, seien bisher, so Wolf, ergebnislos verlaufen.

Die Distribution werden in Deutschland Novell zufolge Computer 2000, Rein Elektronik und Merisel übernehmen, wobei weitere Distributoren nicht ausgeschlossen seien. Der Preis für die Personal Edition soll bei rund 950 Mark, für den Application Server zwischen 4500 und 500 Mark liegen.

Das rätselhafte Unix-Engagement

Bei Novell und der UNIX-Tochter Univel knallen die Sektkorken. Der Jubel scheint berechtigt, schließlich gehört Univel in Kürze zu den ersten Unternehmen, die mit einem Netzwerk-Unix in den heiß umkämpften PC-Markt einsteigen können. Zudem verfügt das Unternehmen dank der Konzernmütter Novell und USL von allen Anbietern über das größte und dichteste Distributionsnetz. Trotzdem bleibt rätselhaft, was Novell beziehungsweise Univel sich vom Eintritt in den Markt für Desktop-Unix versprechen.

Der Eindruck drängt sich auf daß die Hoffnungen auf das große Unix-Geschäft bei Univel den Blick für die Realitäten getrübt haben. Die Argumentation der Univel-Manager, Unix werde bis 1994 insgesamt 24 Prozent des Betriebssystem-Marktes erobert haben, läßt außer acht, daß dieser Boom fast ausschließlich im Workstation-Bereich stattfindet. Im PC Sektor dagegen hat Microsoft mit MS-DOS und Windows eine Quasi-Monopolstellung inne. Die Folge: PG Unix Aktivisten wie Univel, SCO, USL, Interactive, Sunsoft, Coherent und Generics bekriegen sich mit ihren Produkten in einem Segment, das laut Dataquest bestenfalls sieben Prozent des Marktes ausmacht.

In dem Gerangel um den PG Unix-Markt haben die Hersteller offenbar die Befürnisse der Anwender aus den Augen verloren. Aus deren Sicht spricht nichts gegen Unix als Netz-Server, aber auch nichts dafür - solange sich die Netze zufriedenstellend unter MS-DOS, Windows und Netware betreiben lassen.

Wenn jedoch die Anwender nicht kaufen, kann das Novell Konzept nicht aufgehen, mit dem Massenprodukt Unixware den PC-Markt aufzurollen. Angesicht all dieser Unwägbarkeiten gibt es für das rätselhafte Unix Engagement wohl nur eine Erklärung: Das Unternehmen befürchtet, daß ein netzfähiges Windows NT Netware überflüssig machen könnte. Dann allerdings konnte sich UNIX als Novells letzter Rettungsanker erweisen.