Unix-Welt abschotten?

26.07.1991

Betrifft CW Nr. 27 vom 5. Juli 1991, Seite 16: "Geschönte Leistungsdaten schaden dem Ruf von Unix"

Es ist erfreulich, wenn die Ergebnisse des Leistungstests, den Klöckner & Co., die Software AG und HP durchgeführt haben, selbst Fachleute derart verblüffen, daß sie zunächst mit ungläubigem Staunen reagieren. Weniger erfreulich und in diesem Fall völlig unverständlich ist es jedoch, wenn sie dann spekulieren, "was gewesen" und "was gemeint sein könnte", statt sich schlicht und einfach sachkundig zu machen. Die ausführliche Testbeschreibung hätte ohne weiteres eingesehen werden können (und kann das auch weiterhin). Dann wäre niemand zu "Annahmen" gezwungen gewesen, die sich im nachhinein als unrichtig erweisen. Die besondere Pikanterie: Dem aufmerksamen Leser dürfte es nicht entgangen sein, daß die sachliche Schilderung der Testumgebung, die die CW in einem Kasten dem Artikel anschließt, die vorher aufgestellten Mutmaßungen bereits größtenteils widerlegt. Die wichtigsten Richtigstellungen:

1. Es handelte sich nicht um "Werbepraktiken" oder was auch immer, sondern um einen Leistungstest, der im Auftrag des Kunden Klöckner im europäischen Performance-Center von HP in Böblingen für einen ganz konkreten Zweck durchgeführt wurde: Es galt herauszufinden, ob Adabas/Natural-Anwendungen, die auf einem Mainframe unter MVS entwikkelt wurden, bei Performance-Vorgaben des Kunden bezüglich Antwortzeitverhalten und definierter Last unverändert auf Unix-Rechnern ablauffähig sind. Auch die Konfiguration wurde vom Kunden exakt festgelegt. Dieser Test erbrachte dann bemerkenswerte und für das Thema Unix insgesamt relevante Ergebnisse, so daß es sinnvoll erschien, sie einem größeren Publikum zur Kenntnis zu bringen.

2. Völlig falsch sind die Annahmen bezüglich des Testablaufs selbst, infolgedessen auch die Spekulationen, weshalb die Ergebnisse "möglich waren". Weder wurden lediglich "reine Transferraten zwischen dem Server (übrigens eine reichlich verwegene Bezeichnung für einen Rechner mit 150 Bildschirmen, d. Verf.) und den simulierten Terminals ermittelt", noch wurden die Terminals "mit Hilfe von zwei Unix-Rechnern simuliert" oder "die Dauer der Arbeitsabläufe zwischen Terminaleingang und dem Bildschirm in keiner Weise berücksichtigt". Offensichtlich gründen diese recht unklaren Einlassungen auf der Annahme, für die zu testenden Unix-Rechner seien nicht die Terminal-Ports verwendet worden, sondern eine Software, die Benutzereingaben über LAN simulieren kann. Dies trifft jedoch nicht zu. Richtig ist vielmehr, daß die Terminal-Ports des Unix-Rechners direkt mit den Terminal-Ports der HP-3000-Rechner - welche die Bildschirme emulierten - verbunden wurden. Dadurch war es für den Unix-Rechner völlig gleich, ob er mit simulierten oder realen Terminals arbeitete. Auch Übertragungsgeschwindigkeiten, Maskenaufbau etc. wurden berücksichtigt.

3. Unrichtig ist schließlich auch die Annahme, der Bildschirmaufbau sei bei dem Test ausgeklammert worden. Es wurden zwei Werte gemessen und ausgewiesen: die Zeit bis zur ersten Reaktion und bis zur Beendigung des Bildschirmaufbaus. Beide Zahlen wurden übrigens in dem Artikel genannt: 1,2 beziehungsweise 2,2 Sekunden. Der zweite Wert erschien uns allerdings für den konkreten Testzweck weniger signifikant zu sein, weil er von der Leitungsgeschwindigkeit abhängt und je nach Konfiguration unterschiedlich ausfallen kann.

Es wären sicherlich noch weitere Fragen zu stellen. Die wichtigste ist, warum sachliche Testergebnisse eine derart allergische Reaktion hervorgerufen haben Wieso werden Daten, die zunächst überraschen, ohne nähere Prüfung einfach als unseriös hingestellt? Warum wird Unix diese Leistungsfähigkeit prinzipiell abgesprochen? Liegt es vielleicht daran, daß man die "reine Unix-Welt" als geschütztes Refugium, abgeschottet von der kommerziellen Großrechner-DV, erhalten möchte? Dann allerdings stellte man sich gegen den Lauf der Dinge.

Entgegen der geäußerten Mutmaßung möchte sich die Software AG auch keineswegs durch die Blume "als Unix Anbieter präsentieren" - im Gegenteil: Erst zwei Ausgaben vorher, in der CW Nr. 25 vom 21. Juni 1991, zitierten Sie in dem Bericht über unsere Unix-Ankündigung Herrn Page mit der klaren Aussage, die Software AG wolle "keine Unix-Company werden".

Wofür sie allerdings steht, ist die Zusammenführung bisher getrennter Welten - also auch der gewachsenen Großrechnerwelt und offener Systeme auf Unix-Basis, in der alle Komponenten gemäß ihren spezifischen Stärken ihren Platz finden.

Rolf Bastian, Leiter Öffentlichkeitsarbeit Software AG, Darmstadt