Unix und MDT-Anlagen loesen das Speicherproblem CAD-Datenaustausch stellt hohe Anforderung an die EDI-Systeme Von Joerg Richter*

01.10.1993

Im Bereich des Electronic Data Interchange (EDI) ist in Deutschland die Automobilindustrie fuehrend. Mittlerweile werden mit Zulieferern auf elektronischem Wege nicht nur kaufmaennische Daten, sondern auch technische Daten wie CAD-Daten ausgetauscht und damit die herkoemmlichen Verfahren ueber Magnetbaender abgeloest.

In der Industrie, die EDI-Technologien heute weit weniger einsetzt als die Automobilzulieferer, erfolgt der CAD-Datenaustausch weitestgehend durch den Transfer von Magnetbaendern. Dieses Verfahren birgt erhebliche Nachteile. Einerseits sind die Verzoegerungen durch den Postweg beim Verschicken von Magnetbaendern erheblich, andererseits sind wegen der Inkompatibilitaet der Bandstationen zeitaufwendige Konvertierungsaktivitaeten notwendig, die einen betraechtlichen Aufwand an Personal und Zeit erfordern. Verzoegerungen entstehen ausserdem haeufig durch Fehler bei der Erstellung der Baender. Insgesamt laufen dadurch erhebliche Verwaltungskosten auf.

Durch den Einsatz von EDI und die schnelle und sichere Uebermittlung der Daten lassen sich dagegen vor allem minimale Durchlaufzeiten realisieren. Darueber hinaus bietet der digitale Dialog mit den Partnern im Fertigungsbereich die Moeglichkeit, zu produzierende Teile leichter zu aendern und zu optimieren, wodurch wiederum ein groesseres Produktspektrum und Qualitaetsverbesserungen generiert werden. Produkte lassen sich somit schneller zur Serienreife bringen; Konkurrenzfaehigkeit, Rentabilitaet und Produktivitaet werden verbessert. Um die Vorteile eines Industriestandards bei dieser Anbindung zu nutzen und Inselloesungen zu vermeiden, wurden vom Verband der Automobilindustrie (VDA) Standards entwickelt, die sich auch in anderen Branchen anwenden lassen.

EDI-Einsatz reduziert die Durchlaufzeiten

Da CAD-Dateien im Vergleich zu kommerziellen Daten ein sehr hohes Datenvolumen besitzen, werden in puncto Datendurchsatz wesentlich hoehere Anforderungen an die beteiligten DV-Systeme, insbesondere an die EDI-Komponenten, gestellt. Die Anforderungen sind im einzelnen:

- Sekundaerspeicher: Die Erfahrung zeigt, dass beim Austausch von CAD-Daten das durchschnittliche Dateivolumen bei ein bis drei MB und mindestens einhundert Dateien im Monat liegt. Mit diesem Umfang sind die heutigen EDI-Systeme sehr schnell ueberfordert, weshalb Sekundaerspeicher erforderlich werden.

- Geschwindigkeit der Fernmeldenetze: Bei einem Dateivolumen von zehn MB muss bei einer Datex-P-Uebertragung mit einer Uebertragunsgeschwindigkeit von 9,6 Bit/s mit einer Transferdauer von rund drei Stunden gerechnet werden. Deshalb ist es sinnvoll, mit ISDN zu arbeiten, wo sich die Uebertragungsdauer auf rund 25 Minuten reduziert.

- Multiplexfaehigkeit der Leitungen: Sie ist erforderlich, damit bei grossen Dateien der Anschluss nicht ueber Stunden blockiert wird.

- Geschwindigkeit interner Leitungen: Fuer die Uebertragung vom EDI- zum Host-System ist ebenfalls eine schnelle Uebertragungstechnik erforderlich (zum Beispiel ein LAN), um diese Leitungsstrecke nicht fuer andere zeitkritische kommerzielle Nachrichten zu blockieren.

- Kostenguenstigkeit des TK-Netzes: Die Uebertragung von 50 MB ueber Datex-P kostet im Normaltarif rund 2000 Mark, ueber ISDN rund 200 Mark. Bei Uebertragungen in der Nacht lassen sich teilweise bis zu 55 Prozent der Standardgebuehren einsparen.

- Restart-Faehigkeit der Uebertragungstechnik: Die Restart-Faehigkeit der Uebertragungstechnik ist notwendig, um bei Leitungszusammenbruechen ein erneutes und kostenintensives Uebertragen von Dateien zu vermeiden.

Abbildung 1 zeigt die Integration eines EDI-Systems in eine Anwendungsumgebung fuer den vollautomatischen CAD-Datenaustausch. Zuerst werden die Daten vom Partner ueber ein oeffentliches Netz (Datex-P oder ISDN) und per File-Transfer-Protokoll uebertragen. Der VDA sieht fuer den Austausch von CAD-Daten den Einsatz des File-Transfer-Protokolls Odette auf der Basis von ISDN vor, um besonders kostenguenstig zu arbeiten.

Auf der Seite des EDI-Systems werden die CAD-Daten in der EDI- Datenbank zwischengespeichert. Dort koennen auch Konvertierungsfunktionen uebernommen werden. Das betrifft besonders die Verwaltungsinformationen, die im allgemeinen den EDI-Daten vorgeschaltet sind. Im Anschluss daran werden die Daten ueber die Host-Verbindung in den Empfangs-Pool geschrieben. Bis zu diesem Zeitpunkt lassen sich standardisierte Produkte einsetzen, das heisst, es ist keine spezielle Entwicklungsarbeit notwendig. Das Programm zur Integration von Daten aus dem Empfangs-Pool in die CAD-Datenbank ist hingegen individuell zu realisieren, da jedes CAD-System eigene interne Datenstrukturen verwaltet. Nach der Integration der CAD-Daten in das CAD-System koennen die Daten von Anwendern weiter verarbeitet werden. Im Sendefall wird in umgekehrter Richtung ueber den Sende-Pool verfahren.

Als Standard fuer die Uebertragung der CAD-Dateien sind

- VDAFS

- IGES

- VDAIS

moeglich. Durch diese Metaformate lassen sich CAD-Daten systemneutral zwischen unterschiedlichen CAD-Systemen uebertragen.

Der VDA als Normungsgremium hat die Standardisierung des CAD- Datenaustausches mit einer Edifact-Nachricht erreicht. Da innerhalb der naechsten zwei bis drei Jahre keine echte CAD- Edifact-Nachricht vorliegen wird, wurde eine VDA-Empfehlung erarbeitet, die sich an der Odette-ENGDAT-Nachricht orientiert, das heisst diese Nachricht ist zwar keine normierte Edifact- Nachricht, entspricht aber der Edifact-Syntax.

Header- und Trailersatz rahmen die Nachricht ein

Abbildung 2 zeigt das Strukturdiagramm dieser Message. Es wird unterschieden zwischen Konditionalsegmenten (C) und Pflichtsegmenten (M) mit entsprechender Haeufigkeit sowie Vektoren und Wiederholungsgruppen. Die eigentliche Nachricht wird von einem Header- und einem Trailersatz eingerahmt. Die Nachricht enthaelt Verwaltungsinformationen wie Kennung der Nachricht, Informationen ueber den Absender, Empfaenger und Nutzdaten, sowie die Beschreibung der Zeichnungen, Sicherheitsinformationen etc.

Die Besonderheit dieser Loesung liegt darin, dass die Edifact- Informationen nicht der eigentlichen CAD-Datei, die zum Beispiel im Format IGES oder VDAFS aufgebaut ist, direkt vorgeschaltet sind, sondern Edifact- und CAD-Datei als getrennte Dateien uebertragen werden. Es ist auf der Anwendungsseite sicherzustellen, dass Dateien, die zusammengehoeren, auch als Einheit in die Anwendung integriert werden, da es sonst zu Verwechslungen kommt.

Nahezu jedes EDI-System kann CAD-Daten uebertragen

Prinzipiell ist mit jedem EDI-System der Austausch von CAD-Dateien moeglich. Durch die oben beschriebenen hohen Anforderungen muessen die derzeitigen PC-basierten EDI-Systeme jedoch staerker ergaenzt werden. Dies betrifft vor allen Dingen die Groesse des Sekundaerspeichers.

Aus diesem Grund ist es sinnvoll, das EDI-System fuer CAD- Datenaustausch unter Unix auf Anlagen mittlerer Datentechnik zu realisieren. Damit sind hoher Uebertragungdurchsatz, schnelle Datenuebertragung auf vielen logischen Kanaelen gleichzeitig, Erreichbarkeit des Applikationssystems ueber das Unix-LAN und besonders leichte Integration der EDI-Komponente gewaehrleistet, wenn das CAD- oder PPS-System auch unter Unix laeuft. Ein X.25- oder ISDN-Adapter mit entsprechender Software ist Voraussetzung fuer das Odette-System.

Abbildung 3 zeigt die Architektur eines EDI-Systems anhand der fuenf Schichten des Actis-EDI-Referenzmodells. In diesem Modell werden die unterschiedlichen Funktionalitaeten eines EDI-Systems bestimmten Schichten zugeordnet. Eine solche Vorgehensweise bietet die Moeglichkeit, die einzelnen Ebenen auf unterschiedlichen Rechnern zu im- plementieren.

Die Kommunikationsebene wurde auf Basis von ISDN und Datex-P durch ein Odette-Filetransferprogramm realisiert. In dieser Ebene ist heute schon die Nutzung von FTAM moeglich, in Zukunft X.400. Auf der Ebene des Servicesegments werden die Kopfsaetze als die Edifact- Nachrichten analysiert (Empfangsrichtung) oder generiert (Senderichtung). Eine Formatumsetzung findet bei CAD-Nachrichten nicht auf Seiten des EDI-Systems statt, da diese Funktionalitaet CAD-Systeme bereitstellen (Anwendungsebene). Es ist aber moeglich, dass das EDI-System nach entsprechender Parametrierung diese Formatumsetzungen vollautomatisch startet. Auf Integrations- /Extraktionsebene findet die individuelle Integration in das jeweilige CAD-System statt, in dem die Daten weiter verarbeitet (Empfangsfall) oder erstellt werden (Sendefall). Besonderes Augenmerk ist auf die Edifact-Informationen zu legen, die auf Anwendungsseite durch das CAD-EDI-Interface verarbeitet werden muessen. Auf oberster Ebene des Modells liegen eventuell unterschiedliche CAD-Systeme.

Bild 1: Integration eines EDI- und CAD-Systems in die DV

Bild 3: Automatischer Betrieb mit EDI-Server

Bild 2: Strukturdiagramm der CAD/CAM-Nachricht des VDA

*Dr. Joerg Richter ist Seminarleiter bei der Actis GmbH in Berlin.