Unix: Lage besser als die Stimmung

13.06.1986

"US-User reagieren auf Unix zurückhaltend" berichtete die CW am 6. Juni 1986 über eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Forrester Research bei 250 US-Fortune-Companies. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daß Unix erst bei wenigen amerikanischen Industriebetrieben eingesetzt wird - selbst bei diesen allenfalls in Pilotprojekten oder ausgewählten Inselanwendungen.

Sinngemäß dürfte die Forrester-Interpretation stimmen, daß der Unix-V-Lizengeber AT&T noch sehr viel Überzeugungsarbeit leisten muß, damit Unix auch in der Kommerz-DV Akzeptanz bekommt. Man sieht, von einem Durchbruch kann nicht die Rede sein. Es bleibt der AT&T-Gemeinde also nichts anderes übrig als auszumalen, welch paradiesisch-portable Zustände wir in einer Unix-Welt hätten.

Die COMPUTERWOCHE gehört nun erklärtermaßen nicht zu den Unix-Kirchenblättern. Nein, wir vertreten hier den Nachrichtenteil (siehe Forrester-Studie). Soll sich doch erst einmal der Markt für Unix erwärmen - das wäre dann allerdings einen Leitartikel wert.

Es geht mit anderen Worten nicht darum, der Unix-Hersteller-Society einen publizistischen Dienst zu erweisen, sondern um konstruktive Kritik, wenn die Anbieter einfach ignorieren, daß sich die Anwender zu ihrem vermeintlichen Unix-Glück nicht zwingen lassen.

Zu analysieren, und zwar anhand von Fakten, worauf sich die Unix-Zurückhaltung gründet (noch einmal: siehe Forrester-Umfrage), ist aber auch eine Antwort auf die Forderung nach mehr Transparenz im Betriebssystemgeschäft.

Damit wären wir in der Mitte des Orkans, wo es bekanntlich ruhig und windstill ist - ein geeignetes Plätzchen, um einmal mit Software-Insidern zu plaudern. Daß den Unix-Profis dabei gelegentlich rausrutscht, der Quellcode sei "von Werkstudenten geschrieben worden - was man Unix leider deutlich anmerke - , ist viel schlagkräftiger als die legendäre CW-Satire unter dem Titel "Tu nix mit Unix".

Unix-Fanatiker mögen einwenden, die "strategische" Akzeptanz des Bell-Betriebssystems habe sich durch die Unix-Ankündigung für den Risc-PC 6150 des Marktführers entscheidend verbessert. Nur wurde eben früher gerne gesagt, auf das Wunschdenken von IBM käme es nicht an, Unix werde sich seinen Platz in der Nicht-IBM-Welt suchen. Was ist richtig? War alles falsch?

Im Low-end-Bereich, so klagen die Unix-Hersteller, kommt man am PC-DOS-Industriestandard der IBM nicht vorbei. Im Mainframe-Markt, so lamentieren dieselben Leute, geht schon lange nichts mehr ohne /370-Kompatibilität unter VM oder MVS. In der Mitte, bei den Minis, gibt DEC den PDP-Ton an. Alles klar?

Auch wir sind nicht so vermessen, zu glauben, man könne etwas gegen die IBM durchsetzen. Nur: Querbeet-Portabilität, die mit Unix angestrebt wird, kann nicht im Interesse des Mainframe-Monopolisten sein. Dazu erübrigt sich jeder Kommentar. Daß die IBM etwas Unix-Ähnliches braucht, um den eigenen Augiasstall auszumisten, steht auf einem anderen Blatt. Das hat nichts mit "common" im Sinne einer Standardisierung zu tun.

Immerhin ließe sich denken, daß der Wunsch nach Portabilität bei den Anwendern manifest wird. Und genau das scheint sich nunmehr abzuzeichnen, wie das Beispiel General Motors beweist. Für das MAP-Projekt (Manufacturing Automation Protocol) hat GM eine Unix-Ausrichtung für bindend erklärt. Und siehe da, Big Blue macht mit. Merke: Der Wunsch des (großen) Anwenders ist IBM Befehl (und Unix).

_AU:Dieter Eckbauer