Downsizing-Projekt erhoeht DV-Akzeptanz seitens der User

Unix-Installation reduziert die Kosten beim Bundessortenamt

28.01.1994

HANNOVER - Das Bundessortenamt (BSA) in Hannover hat innerhalb von zwei Jahren seine proprietaere BS2000-Sinix-Installation durch eine homogene Unix-Umgebung von Hewlett-Packard (HP) abgeloest. Neben den Einsparungen bei Wartungs- und Investitionskosten koennen die Norddeutschen auf einen qualitativen Zugewinn verweisen: Mit der Vereinheitlichung und dem gesteigerten Komfort der Bedieneroberflaechen erhoehte sich auch die Akzeptanz bei den Usern.

Die Bundesbehoerde mit Sitz in der niedersaechsischen Landeshauptstadt ist fuer den Schutz und die Zulassung von Pflanzensorten zustaendig. Jaehrlich liegen dem Amt etwa 2500 Neuzuechtungen zur Pruefung vor. Insgesamt 16 000 Pflanzensorten in 800 000 Parzellen werden an 450 Standorten getestet.

Zur Auswertung der umfangreichen Ergebnisse aus Feld-, Gewaechshaus- und Laborversuchen bedient sich das BSA bereits seit 30 Jahren DV-technischer Hilfsmittel. Seit 1984 war ein Grossrechner fuer die Sesam-Datenbank und Statistikauswertungen sowie eine Sinix-Umgebung fuer dezentrale Applikationen wie Textverarbeitung und Tabellenkalkulation im Einsatz.

Fuer die IT-Installationen werden beim BSA in einem Zyklus von fuenf bis sechs Jahren Neuinvestitionen getaetigt. 1992 stand erneut eine Erweiterung der DV-Basis an. Fuer IT-Koordinator Friedrich Laidig und seine Mitarbeiter in der DV-Abteilung eroeffneten sich zwei Moeglichkeiten. "Zum einen", so Laidig, "konnten wir die Loesung mit dem BS2000-System und mit dem Sinix-Rechner weiterfuehren und ueberarbeiten. Als Alternative bot sich andererseits eine homogene Unix-Installation an."

Die Ueberlegung, auf eine Client-Server-Umgebung zu migrieren, nahm konkrete Formen an, zumal sich die Funktionalitaet der Unix-Systeme immer mehr den aus der Mainframe-Welt bekannten Moeglichkeiten annaeherte.

Eigene Benchmark-Tests als Leistungsindex

Letztlich fiel die Wahl auf eine Unix-Umgebung, nachdem eine anwenderspezifische Machbarkeitsstudie zur Migration auf eine Unix-Installation mit Informix als Datenbank ein positives Ergebnis lieferte.

Obwohl das BSA aufgrund des vorhandenen Sinix-Know-hows zunaechst davon ausgegangen war, auf eine Plattform mit Intel-Prozessoren von der Siemens Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) zu migrieren, entschloss es sich dann, eine Ausschreibung vorzunehmen und Angebote weiterer Hersteller einzuholen.

Eine wichtige Forderung an die Bewerber war die Verfuegbarkeit des Statistikpakets von der SAS Institute Inc. auf Unix-Rechnern. SNI konnte jedoch nicht garantieren, dass die Software zum Zeitpunkt der Umstellung auf Sinix-Rechner in einer produktionsreifen Version zur Verfuegung stehen wuerde.

Des weiteren basierte das SNI-Konzept auf einer neuen, im Vergleich zu den MX500-Rechnern leistungsstaerkeren Unix-Maschine, die jedoch erst nach Ablauf der Umstellung verfuegbar gewesen waere. Das BSA haette noch ein halbes Jahr nach dem geplanten Installationsabschluss mit einem als Mainframe-Ersatz fungierenden Uebergangsmodell arbeiten muessen.

Nach dem Vorliegen der Angebote verschiedener Unternehmen gab sich das BSA jedoch mit den Leistungsangaben der Hersteller zu den verschiedenen Rechnersystemen nicht zufrieden und entwickelte auf die eigenen Anwendungen zugeschnittene Benchmark-Tests. Die Ergebnisse sprachen fuer die Hewlett-Packard-Maschinen. Ausschlaggebend fuer die Vergabe des Auftrags an HP war neben diesen Leistungsmerkmalen der Preis und die nach Einschaetzung Laidigs fortschrittlichere Technik des Gesamtpakets.

Mittlerweile ist die Umstellung komplett abgeschlossen, und die DV-Abteilung arbeitet in einer reinen Unix-Umgebung mit neun HP- Maschinen.

Vier davon stehen in BSA-Aussenstellen und sind ueber Modems mit dem Produktionsrechner in Hannover verbunden.

Insgesamt ergebe sich fuer die Unix-Umgebung, so kalkulierte Laidig mit seinen Mitarbeitern bereits im Vorfeld, ein Kostenvorteil von 800 000 Mark abzueglich des Umstellungsaufwands gegenueber der Host- Umgebung. Die Zahl errechne sich aus den guenstigeren Investitionskosten, auch wenn unter Unix mehr Soft- und Hardware eingesetzt wird. Beispielsweise erhoehte sich die Festplattenkapazitaet um den Faktor zwei bis drei.

Fuer die Umstellung errechnete Laidig einen Aufwand von acht Mannjahren, von denen drei auch bei einer Fortfuehrung der BS2000- Umgebung angefallen waeren. Der zusaetzliche Aufwand reduziert sich demnach auf fuenf Mannjahre, wovon der DV-Chef jedes mit 120 000 Mark bewertet. Somit hat sich die Migration aufgrund der erheblichen Einsparungen bei den Soft- und Hardware-Investitionen bereits gelohnt.

Zusaetzliche Kosten fuer die Umstellungsphase fielen im Schulungsbereich an. Fuer die Programmierer mussten Informix-Online- sowie 4GL-Schulungen veranstaltet werden, die mit 50000 Mark zu Buche schlugen.

Langfristig rechnet die Behoerde mit weiteren Einsparungen in der DV-Abteilung. Die Preise fuer die Aktualisierung von Soft- und Hardware werden nach Laidigs Einschaetzung in Mainframe- und Unix- Umgebungen weiter auseinanderdriften. In ihrer Mainframe-Umgebung mussten die DV-Verantwortlichen beim BSA bei Neuanschaffung ueber zwei bis drei Jahre hinausplanen, und Rechnerressourcen auf Vorrat besorgen.

Die neue Client-Server-Loesung ermoeglicht dem BSA nun, Investitionen den aktuellen Erfordernissen anzupassen. Dazu der IT-Leiter: "Durch die bessere Skalierbarkeit und die einfachere Systemerweiterung kann ein Kauf von Rechenressourcen auf Vorrat vermieden und damit vom allgemeinen Preisverfall im Unix-Markt profitiert werden."

Im Betrieb, so betont der DV-Chef, lasse sich der finanzielle Aufwand fuer die beiden Systeme aufgrund der unterschiedlichen Kostenstruktur jedoch schwer miteinander vergleichen. Allein zu den Wartungskosten fuer die Hardware wagte Laidig konkretere Angaben: "In diesem Segment haben wir Einsparungen von 40 Prozent."

Ein Kostenvorteil, der nur schwer berechenbar ist, duerfte sich mit der erhoehten DV-Akzeptanz der User und den damit verbundenen Rationalisierungseffekten einstellen. Im Rahmen der Migration von Sesam auf Informix konnte das BSA seine Anwendungen benutzerfreund-licher gestalten. Daraufhin ist die Nachfrage nach Terminals sprunghaft gestiegen. Der Bedarf war laut Laidig schon immer vorhanden, sei aufgrund der umstaendlichen Technik jedoch nicht zum Tragen gekommen.

Weitere Qualitaetsvorteile ergeben sich durch die flexiblere Gestaltung der Systemumgebung. Die DV-Abteilung hat jetzt bessere Moeglichkeiten, eigenverantwortlich in das System einzugreifen. Beispielsweise wurde die Installation bereits um einen leistungsstaerkeren Grafik-Server erweitert und das Betriebssystem von Version 8.0 auf 9.0 umgestellt.

Treten Fehler auf, die nicht im Alleingang behoben werden koennen, greift das BSA auf einen mit HP abgeschlossenen Wartungs- und Servicevertrag zurueck. Bei anwendungskritischen Hardwarekomponenten garantiert HP eine Reaktionszeit von vier Stunden, bei anderen Systembestandteilen wurde der Spielraum auf zwoelf Stunden festgelegt. Fuer Geraete wie Drucker, Bildschirme und Terminals besteht dagegen kein entsprechendes Abkommen.

Bei der Datenbankpflege schloss das BSA aufgrund frueherer Erfahrungen direkt mit Informix einen Vertrag. Die Informationen bekommt die DV-Abteilung nun nicht mehr aus zweiter Hand, und die finanziellen Konditionen sind um 30 bis 40 Prozent guenstiger.

Insgesamt gelang die Migration relativ reibungslos. Durch die gruendliche Vorbereitung und eine Machbarkeitsstudie war das BSA fuer die Herausforderung gewappnet. Obwohl neben der Software-, Hardware- sowie der Verfahrensumstellung auch ein Herstellerwechsel bewaeltigt werden musste, konnte das Bundessortenamt letzlich den im Vorfeld festgelegten Zeitplan einhalten und die Migration fristgerecht und erfolgreich abschliessen.