Umfassende Lösungen frühestens in zwei Jahren

Unix-Anbieter wollen Web und Altsoftware verbinden

03.09.1999
MÜNCHEN (CW) - Geschäftskritische Mainframe-Applikationen werden noch über Jahre hinaus das Bild zahlreicher IT-Landschaften prägen. Gleichzeitig steigt der Bedarf, die dort gespeicherten Informationen in neue, Web-gestützte Prozesse wie E-Commerce einzubinden. Die Meta Group sieht hier einen Zukunftsmarkt für Unix-Hersteller.

Über 75 Prozent aller Großrechnerdaten werden derzeit noch mit Terminalapplikationen betrieben. Laut Meta Group soll sich daran zumindest in den nächsten zwei Jahren nicht viel ändern. Forciert wird dieses Festhalten an zentralisierten Prozessen dadurch, daß sich das Preis-Leistungs-Verhältnis im Mainframe-Segment klar zugunsten der Anwender verbessert hat - in den vergangenen zwölf Monaten um rund 50 Prozent. Berücksichtigt man ferner, daß die IP- und Java-Unterstützung im Host-Umfeld deutlich fortgeschritten ist, scheint sich IBMs traditionelles Großrechner-Betriebssystem OS/390 durchaus als leistungsstarkes Web-Server-System zu eignen.

Dieser Überlegung steht die Meta Group jedoch eher skeptisch gegenüber. Weshalb Unix ihrer Meinung nach als eine Art Internet-Prozessor dem Host vorgeschaltet werden könnte, hat mehrere Gründe. Zunächst läßt sich in über 90 Prozent der MVS- und OS/390-Rechenzentren zugleich auch ein Unix-Derivat betreiben, das heißt es ist entsprechendes Know-how verfügbar.

Weitere Argumente für Unix liefern die "E-Legacy-Prozesse" selbst. Im Prinzip geht es darum, Altdaten etwa aus DB2, VSAM und IMS sowie Altanwendungen (Cobol, PL/1 etc.) über Web-fähige Komponententechniken (Java, Corba und DCOM) für den externen oder internen Zugriff zu erweitern. Relativ anspruchslos und deshalb auch verbreitet ist dabei die Eins-zu-eins-Darstellung, die allenfalls mit einer grafischen Auffrischung der Benutzeroberfläche einhergeht. Deutlich komplizierter wird es jedoch, wenn eine neue Geschäftslogik gewünscht ist und dafür Applikationen integriert werden müssen. Spätestens dann ist der Einzug einer dritten Schicht als Middleware erforderlich, die etwa in Form von Cics-Clients, MQ Series oder Tuxedo den Host-Zugriff gewährleistet.

Daß sich gerade die Hersteller derartiger Produkte für eine Web-Legacy-Anbindung eignen, begründet Meta Group mit den inzwischen rund zehnjährigen Erfahrungen in Sachen Unix-Main- frame-Integration. Um so bemerkenswerter ist es, daß große Anbieter wie HP, Sun, Sequent sowie Compaq mit Digital bislang nur wenig Aktivitäten in Richtung Web-fähiger Legacy-Systeme gezeigt haben. Ausnahme hier ist lediglich IBM, die mit ihrem E-Business-Framework eine umfassende Lösung anbietet. Dennoch bleibt auch Big Blue nicht von Kritik verschont: Es gebe weiterhin Kompatibilitätsprobleme zwischen OS/390 und der Unix-Plattform AIX, die Frage nach der Zukunft von AIX im Rahmen des Monterey-Projekts (IA 64) sei nicht endgültig geklärt, außerdem tendiere IBMs Ansatz zur Komplettlösung aus der Hand eines einzigen Herstellers.

Bewegung im Unix-Markt für die Verbindung von Legacy- und Web-Systemen sieht die Meta Group erst allmählich entstehen. Jüngste Initiativen etwa von Hewlett-Packard oder Sun seien die Startsignale für einen erbitterten Wettbewerb in den kommenden Jahren. So will HP seine künftigen Server-Produkte von vornherein Web-fähig gestalten, indem etwa die angekündigten, für den IA-64-Prozessor vorbereiteten Rechner mit einer "Remote Web Console" und Software für die "Web Quality of Service" (Web QoS) ausgestattet werden.

Sun testet derzeit das Zusammenspiel von S/390-Legacy-Applikationen mit IBMs E-Business-Suite für Solaris. Spezielle Produkte und Services wird es voraussichtlich gegen Ende dieses Jahres geben. Die Meta Group warnt jedoch grundsätzlich vor allzu vollmundigen Aussagen der Unix-Anbieter. Mit umfassenden Lösungen rechnen die Analysten nicht vor zwei Jahren.