Unix als zweites Standbein AS/400-Softwerker laufen in das Open-Systems-Lager ueber

06.08.1993

MUENCHEN (CW) - Das Vertrauen in die Zukunft von IBMs bisher erfolgreicher AS/400-Maschine schwindet zunehmend. Immer mehr Software-Anbieter fuer das Midrange-System bauen sich ein zweites Standbein im Open-Systems-Markt auf.

Zu den AS/400-Spezialisten, die sich auf das Unix-Parkett wagen, gehoeren internationale Branchengroessen wie Systems Software Associates Inc., (SSA), IBMs CASE-Partner Synon Inc., die Marcam Corp. und J. D. Edwards. Auf der Liste stehen aber auch 4GL- Anbieter wie Aspect Computing Pty. (Lansa) und

Cognos (Powerhouse) sowie der britische Buchhaltungsspezialist Coda und der deutsche Standardsoftware-Anbieter Orga Ratio. Selbst die IBM gehoert mit dem Standardpaket MAS 90 zu den Unternehmen, die AS/400-Produkte auf das Unix-Betriebssystem portieren.

Fuer diese Entwicklung bieten die Analysten zwei unterschiedliche Deutungen an, die beide darauf beruhen, dass die Zukunft den Anbietern offener

Systeme gehoert. Nach Ansicht von Myron Kerstedder, Vice-President Midrange Systems Stategies bei der Gartner Group, steigen die AS/400-Softwarehaeuser auf Unix um, weil es der IBM trotz enormer Anstrengungen nicht gelungen ist, ihre Midrange-Systeme glaubwuerdig offen darzustellen.

Die Gegenposition bezieht Nina Lytton, Herausgeberin des Bostoner "Open Systems Advisors". Ihrer Auffassung nach staerkt die Verfuegbarkeit von Software auf anderen Plattformen das Vertrauen der Anwender in die AS/400. Die Existenz der Unix-Produkte gebe ihnen die Sicherheit, dass sie nicht auf Gedeih und Verderb an die AS/400 gekettet sind. Offensichtlich hat das IBM-System inzwischen jedoch seinen Zenith ueberschritten. In diesem Jahr musste der Hersteller erstmals einen Umsatzrueckgang von sechs Prozent im AS/400-Geschaeft melden.

SSA: "Jeder weiss, dass unser Markt sich verlagert", verkuendet Larry Ford, Chairman und CEO von SSA, das langsame Ende des AS/400- Geschaefts. Zwar erwarte er hier auch in den kommenden Jahren noch steigende Umsaetze, es sei allerdings fraglich, ob der IBM- Midrange-Rechner die wichtigste SSA-Plattform bleiben werde.

Der Spezialist fuer kommerzielle AS/400-Software hat angekuendigt, nach und nach die gesamte Produktpalette Unix-faehig zu machen. Als Grundlage dieser Umgestaltung dient die hauseigene CASE-Umgebung AS/Set, die laut Hersteller bereits Plattform-unabhaengig konzipiert ist. Als erstes soll das Geschaeftsplanungs- und Kontrollsystem "BPCS" ab Anfang 1994 auch auf den Unix-Rechnern von Hewlett-Packard und der IBM laufen.

Synon: "Wir sehen in Unix das groessere Wachstumspotential", begruendet Andre Boisvert, Vice-President Marketing von Synon, die Plattformerweiterung. Diese Einschaetzung ruehre - wie bei den Mitbewerbern - daher, dass "die Kunden ganz einfach nach offenen Systemen verlangen".

Das bedeutet jedoch nicht, dass Synon oder die anderen Anbieter das AS/400-Geschaeft auslaufen liessen. Angesichts der hohen Installationszahlen der IBM-Midrange-Systeme sieht Boisvert durchaus noch gute Verdienstmoeglichkeiten, allerdings sei man "mit den Umsatzsteigerungen inzwischen am Ende der Fahnenstange angekommen".

Aus diesen Gruenden hat

Synon inzwischen ein Client/Server-Konzept erarbeitet, bei dem der AS/400 bestenfalls eine Server-Funktion zukommt. Unix-Produkte fuer IBMs AIX-Betriebssystem sollen Anfang des naechsten Jahres auf den Markt kommen. Als Front-end-Systeme sind OS/2-, Windows- und Macintosh-Rechner vorgesehen.

Darueber hinaus beliefert

Synon den Workstation-Anbieter Hewlett-Packard inzwischen mit "Synon/Open", einem Tool, das Oracle-Datenbanken unterstuetzt und Cobol-Code generiert. Vermarktet wird es ab Ende dieses Jahres von HP, um AS/400-Anwendern den Umstieg auf die hauseigenen Unix- Systeme zu ermoeglichen.

JDE: Auch die J. D. Edwards & Company wird der AS/400 untreu. Die bislang ausschliesslich auf den proprietaeren Midrange-Maschinen der IBM lauffaehigen Anwendungspakete sollen Anfang 1994 auf den Unix- basierten RS/6000- und HP-9000-Workstations, spaeter auch auf Windows-NT-Servern sowie

OS/2-Maschinen verfuegbar sein.

"Die AS/400 ist ein sehr proprietaeres System, auch wenn es allmaehlich ein wenig offener wird", erlaeutert Robert Newman, JDE- Vice-President Complementary Technologies. "Wenn Sie guten Code fuer die AS/400 schreiben, dann ist er kaum irgendwo anders hin portierbar."

Marcam: Eine Open-Systems-Variante ihrer von der IBM uebernommenen AS/400-Fertigungssoftware hat die Duesseldorfer Marcam GmbH mit Mapics XP vorgestellt. Darueber hinaus plant das Unternehmen eine offene Unternehmensarchitektur, damit die unter den Unix-Systemen von DEC, HP und IBM entstandenen Mapics-Anwendungen mit den entsprechenden AS/400-Programmen kommunizieren koennen. In England haben die dortigen IBM- und Marcam-Niederlassungen inzwischen beschlossen, ein Joint-venture zu gruenden, das sowohl die Unix- als auch die AS/400-Varianten von

Mapics vermarkten soll.

Cognos: Schon 1992 ist der 4GL-Anbieter Cognos auf Unix-Kurs eingeschwenkt. Erst im Jahr davor hatten die urspruenglich auf proprietaere Betriebssystem-Plattformen spezialisierten Kanadier ihre Powerhouse-Umgebung auf die AS/400 portiert. Nach dem wenig erfolgreichen Versuch, die Software an den Mann zu bringen - bis Ende 1992 gab es weltweit lediglich 500 Kunden - verkuendete das Unternehmen eine offene Client/Server-Strategie und stellte Produktversionen fuer die Unix-Umgebungen von Data General, IBM, DEC und Sun sowie ein Client-Tool fuer SCO Unix vor.

Aspect: Die australische Aspect Computing Pty ist ebenfalls ein 4GL-Anbieter fuer die AS/400, der auf Unix-Pfaden wandeln moechte. Obwohl Lansa zu den Entwicklungswerkzeugen zaehlt, die von IBM als strategisch bedeutsam in den eigenen Vertrieb aufgenommen wurden, setzt Aspect auf Downsizing. Dafuer hat das Unternehmen OS/2 und Unix als wichtigste Plattformen ausgewaehlt.

Orga-Ratio: Zu den deutschen Anbietern von AS/400-Software mit Unix-Ambitionen gehoert die Starnberger Orga-Ratio GmbH. Das Unternehmen liefert die Standardsoftware "Orag" bereits seit Anfang dieses Jahres fuer die Unix-Systeme von IBM, Hewlett-Packard und NCR aus. Positioniert ist das Produkt als inlaendische Konkurrenz zum R/3-Produkt der SAP.

Coda: Neu auf dem deutschen Markt ist die englische Coda Ltd, die sich mit ihrer Buchhaltungssoftware "Integrated Accounting System" (IAS) vor allem auf die AS/400-Anwender spezialisiert hat, wie Torsten Pinnau, Consultant bei der deutschen Coda-Niederlassung in Germering bei Muenchen betont. Obwohl er die AS/400 nach wie vor fuer eine hervorragende Plattform haelt, raeumt er ein, dass offene Systeme in der Anwendergunst weit vorne rangieren. Daher habe sich Coda gezwungen gesehen eine IAS-Version fuer Unix-Systeme von Hewlett-Packard auf den Markt zu bringen.

Verloren geben die genannten Software-Anbieter Big Blues bisher erfolgreiche Maschine allerdings noch nicht. Mit Ausnahme von Coda und Orga-Ratio nehmen sie alle an dem AS/400 Application Developement Program (AS/400 AD) teil. Unter dieser Bezeichnung versucht die IBM ihr Midrange-System als Entwicklungsplattform fuer moderne Anwendungen zu etablieren.