Universitäten werden zum Tummelplatz privater Investoren:Akademiker-Software soll vermarktet werden

09.12.1983

MÜNCHEN (CW) - Die britische DV-lndustrie interessiert sich zunehmend für Softwareprogramme, die an Hochschulen entwickelt werden. In den Universitäten schauen sich immer mehr private Investoren nach kommerziell verwertbaren Programmen um. Mit entscheidend für dieses Engagement ist das persönliche Einschreiten von Premierministerin Margaret Thatcher, die dazu aufforderte, "Akademiker-Software" künftig noch mehr zu vermarkten.

Dadurch ist die bisherige Monopolstellung der British Technology Group (BTG) in Frage gestellt. Zu ihren Aufgaben gehörte es, Forschungsarbeiten kommerziell zu verwerten. Allerdings ist die Idee, an Universitäten entwickelte Software auf dem freien Markt zu verkaufen, keineswegs neu. Viele Unternehmen wissen schon seit längerem, daß eine Förderung solcher Programme durchaus lukrativ sein kann. Sie gehen immer mehr dazu über, bereits geschriebene, aber auch noch im Entwicklungsstadium befindliche, Software in Augenschein zu nehmen.

Zusammenarbeit mit Universitäten

Zu den Firmen, die sich in diesem Bereich engagieren, gehört die Imperial Software Technology (IST). Gegründet wurde IST im Oktober 1982 mit einem Startkapital von 750 000 Pfund, das zu gleichen Teilen vom Imperial College, Plessey, Natwest und der P. A. Unternehmensberatung aufgebracht wurde. Die Idee war, Programme zu schreiben, die den Entwurf von neuen Computern "eher wissenschaftlich als künstlerisch machen sollte", so John Parker, Berater von IST.

Bei der Grundlagenentwicklung der neuen Programme wird mit dem benachbarten Imperial College eng zusammengearbeitet. Die Gesellschaft gibt ihre praktischen Erfahrungen an Studenten weiter, die Grundkurse in Software Engineering am College belegt haben. Letztlich handelt es sich bei diesem Projekt jedoch um ein kommerzielles Unterfangen. Nach Meinung von führenden Mitarbeitern könnte die Zusammenarbeit mit dem Imperial College und anderen Hochschulen in der Tat "revolutionäre" Softwareprogramme hervorbringen, welche ansonsten vielleicht nach Jahren in irgendeiner Schublade verstaubt wären. Derzeit versucht die Imperial Software Technology, einem Bericht der Financial Times zufolge, die Entwicklungen auf eine breitere kommerzielle Basis zu stellen. Geplant sind Standardprogramme, die Systeme der Büroautomation, aber auch anderer Rechner vereinfachen und effizienter machen sollen. Ein Projekt von vielen: Ein Computer, der Computer baut.

Kurzfristig einfachere Anwendungen zur Verfügung zu stellen, ist Gegenstand einer Software, die Dr. Leslie Marshall und einige Kollegen an der Universität von Newcastle geschrieben haben. Das Newcastle-Connection-Programm soll die Fähigkeit besitzen, verschiedene inkompatible Computersysteme in einem Netzwerk zusammenzuschließen. Dr. Marshall entschied, die Software durch das gemeinnützige Microelectronics Applications Institute (Mari) vertreiben zu lassen.

Mari vermarktet Produkte und Serviceleistungen von verschiedenen Organisationen. Dabei wird der Reingewinn nach Abzug der Steuern und bestimmter Aufwendungen an der University and Politechnic of Newcastle in neue Projekte investiert.

Das Programm entstand als ein Abfallprodukt aus Forschungsarbeiten, die Dr. Marshall und seine Kollegen mit dem Betriebssystem Unix durchführten. Ursprünglich wurde es dafür entwickelt, identische Informationen zwischen inkompatiblen Bildschirmen und Mikrocomputern zu transferieren.

Die Bradford University Software Services (BUSS), gegründet von David Butland, startete ihre Aktivitäten 1981 mit einem Grundkapital von 25 000 Pfund, die von der British Technology Group bezahlt wurden. Resultat ihrer Arbeit ist die Grafiksoftware Simpleplot. Das Unternehmen begann 1978 mit den Entwicklungsarbeiten zu diesem Projekt, um Studenten die Darstellung ihrer experimentell erarbeiteten Ergebnisse mittels Computergrafik zu erleichtern. Das Softwarehaus BUSS schloß einen Vertrag mit dem japanischen Computerhändler Rikei ab. Das jährlich 100 000 Pfund schwere Abkommen beinhaltet die Lieferung von Simpleplot an Rikei.

Unternehmensgründer Butford ist zwar froh über die Unterstützung seiner Firma durch BTG, warnt aber gleichzeitig davor, Entwicklungsprojekte an Universitäten nur deshalb zu finanzieren, um sie dann später kommerziell auszunutzen: "Ich glaube, Universitäten haben nicht und sollten nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, Software für den kommerziellen Verkauf zu entwickeln. Denn der erfolgreiche Verkauf einer Software hängt entscheidend von der Unterstützung ab, die man nach dem Verkauf bieten kann."