Den Numerus Clausus wegrationalisieren

Universität simuliert

13.06.1975

STUTTGART - Mittels Computer und einem Programmpaket, das im Auftrag des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft vom "Büro für angewandte Mathematik" in Stuttgart entwickelt wurde, könnte man nach Ansicht von Büroleiter Werner Bayer den Numerus Clausus an deutschen Hochschulen weitgehend "wegrationalisieren".

"Unsere Leistung liegt darin, daß wir zum ersten Mal die Universität als soziales, dynamisches Modell beschrieben und dieses Modell rechenbar gemacht haben", meint Werner Bayer. Die sechs Stuttgarter Mathematiker und Ingenieure erzeugen ein Simulationsmodell der Universität, das das Lehrverhalten abbildet. Als gegebene Größen werden bei der kurzfristigen Betrachtung Dozenten-, Studenten und Raumzahl angenommen; dann produziert der Computer eine "Konfliktminimierung". Bei der mittel- und langfristigen Betrachtung kann eine bestimmte Aufnahmepolitik und der Bau weiterer Räume einbezogen werden. Da für das Simulationsmodell etwa zwei Millionen Einzelangaben nötig sind, wurde ein besonderes Kommunikationsverfahren zwischen Modell und Datenbank entwickelt - gerechnet wurden die ersten Modelle an der Universität Stuttgart auf einem TR 4 von AEG.

Bis 40 Prozent Kapazitätsreserve

Ergebnis: 20 bis 40 Prozent Kapazitätsreserve könnten erschlossen werden, wenn man die vorhandenen Räume konsequent bis zu 55 Stunden in der Woche nutzen und außerdem überprüfen würde, welche Mini-Veranstaltungen mit zehn oder weniger Hörern wirklich nötig sind. Die seit sechs Jahren auf Hochschulprobleme spezialisierten Wissenschaftler hatten mit Planungssystemen für die Bedarfsbemessung bei Hochschulen angefangen. "Wir haben bald gemerkt, welchen Einfluß die Organisation auf die Bedarfsbemessung hat", sagt Bayer heute. Deswegen wurde damals das erste und bisher einzige Stundenplanprogramm für Hochschulen entwickelt. Dazu kam im Lauf der Zeit eine "Umgebung" weiterer Programme, bis schließlich jetzt ein komplettes Paket Verfügbar ist.

An ihren Arbeiten hatten die Stuttgarter, die im wesentlichen von öffentlichen Aufträgen leben, bislang nicht immer Freude: ihr Stundenplanprogramm beispielsweise wird wegen starker Fluktuation in den universitären Planungsabteilungen nicht konsequent eingesetzt - in Karlsruhe verschwand es nach vier Semestern bei einem Rektorenwechsel ganz vom Plan. - py