Verschlußsache Acorn Neuer Boß für Sperry-Computer

Univac bringt kleines System

07.11.1975

FRANKFURT - Sechs Jahre nachdem es die Univac-Manager abgelehnt hatten, ein Konkurrenzmodell für IBMs System 3 zu entwickeln, will der Marktzweite jetzt doch in Geschäft mit kleinen Systemen einsteigen: Was von den beteiligten Firmen noch als Top Secret gehütet wird, konnte man als Ankündigung schon im amerikanischen Wirtschaftsmagazin Business Week lesen.

Jetzt wird offenbar ernst gemacht: Der bisherige General Manager des Geschäftsbereiches Sperry Univac in Frankfurt, Franz C. Grohs, wird sich - so die offizielle Firmenmitteilung - "Anfang November aus dem Tagesgeschäft in der Bundesrepublik zurückziehen und von Frankfurt aus eine Organisation aufbauen, die Sperry Rand in einem neuen Marktsegment vertreten soll". Die Zuständigkeit de 46jährigen Österreichers wird sich auf Europa, den Mittleren Osten und Afrika erstrecken. Er bleibt einer der zahlreichen Geschäftsführer de Sperry Rand GmbH, Frankfurt. Mit dieser lakonischen Mitteilung wurde Grohs zum Systems-Messeschlager - bei Gesprächen in den Kabinen: Unter Bezugnahme auf den US-Grundsatz "Never change a winning team" lautete eine verbreitete Schlußfolgerung, der Österreicher sei "abgeschossen" worden.

Abrundung nach unten

Zwischen Sperry Rand in den USA und der Decision Data Computer Corp. gibt es eine bislang mit strengem Stillschweigen gehütete Vereinbarung über das Projekt "Acorn". Was Decision Data kürzlich als das neue System 4 vorstellte, soll auch in eine Univac-Version produziert und angeboten werden, damit der bisher auf mittlere und große Rechner konzentrierte Hersteller seine Computerpalette nach unten abrunden kann.

Decision-Data-Präsident Loren A. Schultz und sein für Marketing zuständiger Vizepräsident Frank Pherson kennen Univac seit langem: Sie gingen von Sperry 1969 weg, als ihr Vorschlag für den Bau eines kleinen Systems abgelehnt wurde und machten sich mit Decision Data selbständig.

Zielrichtung: IBMs Systeme 3 und 32

Dieses Unternehmen wurde zunächst zum wichtigsten, unabhängigen Lieferanten vor, System-3-Peripherie. Es will jetzt kleine DV-Systeme anbieten, die etwa die Hälfte Systems 3 kosten und sogar noch unter den Preisen des Systems 32 von IBM liegen sollen. Es darf angenommen werden, daß Decision Data und Sperry nicht nur ihr Produktionsangebot, sondern auch ihre Preispolitik aufeinander abstimmen werden. .

Parallel zur Zusammenarbeit mit den Ex-Mitarbeitern läuft bei Sperry eine Reorganisation: In einer "Office Equipment Division" (OED) werden die ganzen alten Remington-Büro-Aktivitäten (beispielsweise Schreibmaschinen und Kardex-Geräte) sowie die neuen Geschäfte mit kleinen DV-Systemen zusammengefaßt - eine deutliche Analogie zu IBMs Geschäftsbereich Basisdatenverarbeitung.

Grohs wäre für eine solche Aufgabe wie den Aufbau einer Vertriebsorganisation für die neuen kleinen Systeme bestens gerüstet: Er begann seine DV-Karriere 1954 in Wien bei der österreichischen Remington-Rand-Vertretung als Organisator und Verkaufsassistent für Büroorganisation - ist also mit dem Remington-Komplex bestens vertraut. Ab 1964 baute er von Wien aus schon einmal eine neue Organisation auf: er startete für Univac das Ostgeschäft. Auch persönlich dürfte alles stimmen: Der jetzige OED-Chef in den USA, Fera, war European Manager für Univac, als Grohs Univac-Manager in Österreich war. Univacs Start mit den neuen Systemen, die zur Zeit getestet werden, dürfte im Frühjahr 76 - so die US-Auguren - erfolgen.

Neuer deutscher Univac-General-Manager und weiterer Sperry-Rand-Geschäftsführer wird der 49jährige Willi H. Bannow, der in Frankfurt von, 1967 bis 70 als Controller tätig war und seitdem als Controller bei der "Central European Division" in Rom arbeitete. Das US-Unternehmen ist offensichtlich Controller-orientiert: auch Grohs-Vorgänger Dr. Detlef Meyer-Ohlert war Controller, bevor er General-Manager wurde. Sperry-Kommentar: "Wir sind profitminded."