Halbjahreszahlen im Plan

United Internet pickt nach Rosinen im Internet-Kuchen

25.08.2000
FRANKFURT/M (CW) - Seit gut einem halben Jahr firmiert die vor zwölf Jahren gegründete 1 & 1 AG unter dem Namen United Internet AG. Der ehemalige Spezialist für IT-Marketing hat seine Geschäftsstrategie völlig umgekrempelt und präsentiert sich seit Anfang des Jahres als Beteiligungsgesellschaft für Internet-Firmen (siehe CW 2/00 Seite 1).

Mit der Umbenennung zu Beginn dieses Jahres sollte ein neues Kapitel in der Unternehmensgeschichte aufgeschlagen werden. Bis dato hatte sich die 1 & 1 AG & Co. KG aA als Anbieter von Marketing beziehungsweise Online-Marketing, Call-Center-Betreiber und Internet-Provider einen Namen gemacht. Das Unternehmen aus dem hessischen Montabaur vermarktete unter anderem PCs des Herstellers Compaq und war für den Vertrieb des Online-Dienstes der Deutschen Telekom "T-Online" zuständig. Eher nebenbei hatte sich 1 & 1 bereits Anteile von einzelnen Internet-Firmen erworben. Im Zuge der neuen Firmenphilosophie bekam genau dieser Bereich eine zentrale Rolle: Hinter dem neuen Label United Internet verbirgt sich nun eine Management-Holding, die sich an unterschiedlichen Firmen aus der New-Economy-Szene beteiligt. Ziel ist es laut Firmengründer und Vorstandschef Ralph Dommermuth, mit einem Netz aus eigenständigen und auf Teilmärkte ausgerichteten Web-Firmen an den derzeitigen und künftigen Wachstumsmärkten zu partizipieren. Durch dieses Tanzen auf mehreren Hochzeiten lassen sich für das seit zwei Jahren am Neuen Markt notierte Unternehmen die Risiken im schnelllebigen Internet-Business reduzieren.

Dass sich solche Überlegungen jedoch auch als Milchmädchenrechnung erweisen könnten, zeigen die Ergebnisse für die die erste Hälfte des Geschäftsjahres 2000. Denn trotz eines insgesamt gestiegenen Umsatzes um 63 Prozent auf 91,2 Millionen Euro musste United Internet einen operativen Verlust in Höhe von 4,1 Millionen Mark melden. Die roten Zahlen lassen sich fast exakt auf die 51-Prozent-Beteiligung am Internet-Messaging-Dienst GMX zurückführen. Dessen Geschäftsergebnisse flossen erstmals in die Bilanz von United Internet mit ein und zogen sie in den negativen Bereich. Der E-Mail-Anbieter steigerte zwar seinen Umsatz in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres um das Zehnfache gegenüber dem Vorjahreszeitraum, nämlich von 300000 auf 3,3 Millionen Euro, doch auch der operative Verlust stieg weiter an - von minus 1,2 Euro Millionen auf besagte minus 4,1 Millionen Euro.

Dennoch wertete Dommermuth das erste Halbjahr nach dem Strategiewechsel als äußerst positiv. Die derzeit verhaltene Stimmung gegenüber Internet-Werten an den Finanzmärkten begrüßte er ausdrücklich im Sinne einer "Rückkehr zur neuen Sachlichkeit". Wen wundert´s, schließlich ist dieser Trend für eine Gesellschaft, deren Kerngeschäft aus Beteiligungen besteht, zunächst ein Vorteil, da günstiger eingekauft werden kann.

Trotzdem bekamen die Hessen auch die schlechten Seiten der momentanen Flaute zu spüren. Die Börsengänge des größten virtuellen Jobvermittlers in Europa, Jobs & Adverts, hier hielt United Internet rund 35 Prozent der Anteile, sowie des Internet-Vermarkters Adlink (99 Prozent) waren nicht gerade von Erfolg gekrönt.

Die Papiere dümpeln derzeit unter ihrem jeweiligen Ausgabepreis vor sich hin. Auf das geplante Listing von GMX wurde wegen schlechter Aussichten zunächst völlig verzichtet. Auch der zweite IPO-Versuch soll erst nach einer "Beruhigung des Marktumfelds" ins Auge gefasst werden. Einen günstigen Zeitpunkt sieht Dommermuth zu Beginn 2001, da bis dahin unter Beweis gestellt werden könne, dass das GMX-Geschäft die vorgegebenen Prognosen einhält.

Grundsätzlich glaubt der 36-jährige Firmenchef nach wie vor an einen Boom im Online-Business und rechnet für die entsprechenden Geschäftsmodelle mit überdurchschnittlichen Wertzuwächsen. Eine erste Bestandsaufnahme seit Umgestaltung der Gesellschaft fällt unterm Strich positiv aus. Das Unternehmen investierte im vergangenen Halbjahr rund 54,2 Millionen Euro, wobei der Schwerpunkt des Engagements auf der Akquisition neuer Beteiligungen sowie dem Ausbau der DV-Infrastruktur lag. Zwar erhöhte sich die Zahl der Beteiligungen, die im Schnitt zwischen 25 und 50 Prozent ausmachen, lediglich von 15 auf 18, doch Dommermuth berichtete, dass bereits in der ersten Jahreshälfte insgesamt mehr als 500 Anfragen in Montabaur eingegangen seien. Dass gerade mal drei von ihnen es ins Portfolio geschafft haben, zeugt von der Vorsicht, mit der sich United Internet darum bemüht, nur bei den aussichtsreichsten Firmen einzusteigen. Obwohl von den fünf Mehrheitsbeteiligungen noch drei mit einem negativen Ergebnis aufwarten (Jobs & Adverts, Adlink und GMX), konnten alle ihre Umsätze in den vergangenen sechs Monaten deutlich steigern. Die 1 & 1 Internet AG, die einen Großteil ihres Erlöses mit Web-Hosting-Dienstleistungen erwirtschaftet, sowie das Internet-Hilfe-Portal Twenty4Help erzielten unter dem Strich sogar ein positives Ergebnis.

Bei der Auswahl der Kandidaten bemüht sich die Company vor allem um eine möglichst breite Streuung in unterschiedlichen Marktsegmenten. Bislang ist die Holding in neun Zielmärkten rund um das Internet präsent: Application Providing, Communities, E-Care, Online-Werbung, Navigation, Finanzen, Smart Shopping, virtuelle Märkte sowie Messaging.

Das Auswahlprozedere ist immer das gleiche: Nach einer Überprüfung des Marktumfelds identifiziert United Internet mögliche Beteiligungen und investiert zunächst eine "überschaubare" Summe. Gleichzeitig werden erste Meilensteine definiert, an deren Erreichung sich die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit orientiert. Nach dieser so genannten Prove-Phase geht es in die eigentliche Finanzierungsrunde, in der das Geschäft sich in mindestens einem Land erst einmal bewähren muss. Erst danach, so Dommermuth, machten eine weitere Expansion, Internationalisierung und der Aufbau einer Marke Sinn. Der hohe Kapitalbedarf, der dabei entsteht, sollte idealerweise durch ein IPO gedeckt werden, was für United Internet jedoch nicht die Möglichkeit für den Ausstieg bedeutet. Denn im Gegensatz zu Investoren wie den klassischen Venture-Kapital-Gebern sollen die Beteiligungen von United Internet langfristig ausgelegt sein. So kann die Holding selber dauerhaft von den Wertsteigerungen ihrer Töchter profitieren.

Zu den Neueinstiegen seit der Umfirmierung gehört zum einen die europaweite Gewinnspiel-Plattform "Netzpiloten", eine Site, die bereits 5,2 Millionen Page-Impressions verzeichnet. An dem Unternehmen, das in 13 Ländern so genannte Internet-Site-Seeing-Touren sowie themenorientiertes Suchen anbietet, erwarb United Internet 30 Prozent der Anteile. Außerdem beteiligte sich das Unternehmen mit gut 25 Prozent an Gatrixx, einem deutschen Börseninformationsdienst, der unter anderem die Finanzseite Finanztreff.de betreibt. Gatrixx greift hierzulande auf eine Kundenbasis von mehr als 180000 registrierten Mitgliedern zu und plant nun eine europaweite Expansion. Dritter Neuzugang ist der Internet-Service-Provider Living Net, dessen Geschäft aus der Bündelung von Website-Services für kleine und mittlere Unternehmen besteht.

Abb: Bereits heute sind die Beteiligungsgesellschaften mit 36 Niederlassungen in 16 europäischen Ländern vertreten. Quelle: United Internet