Tochtergesellschaft Ally Inc. gegründet

Unisys entwickelt OLTP-Unix auf Chorus-Microkernel-Basis

16.11.1990

NEW YORK (hv) - Der Unisys Corporation geht die Entwicklungsarbeit innerhalb der Unix-International-Gruppe offensichtlich zu langsam voran. Nachdem sich die OSF nach der Auslieferung von OSF/1 bereits für die nächste Microkernel-basierte Version interessiert, beschreitet der krisengeplagte Mainframer einen ähnlichen Weg - allerdings im Alleingang.

Wird die künftige Unix-Architektur der OSF mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Microkernel der Carnegie-Mellon-Universität beruhen, so wählt Unix-International-Mitglied Unisys das Konkurrenzprodukt der in Paris ansässigen Chorus Systémes SA. Als Ergebnis der Kooperation mit dem Microkernel-Spezialisten hofft der Mainframe-Hersteller, schon im nächsten Jahr ein Unix mit besseren Möglichkeiten der Online-Transaktionsverarbeitung (OLTP) präsentieren zu können.

Die für den kommerziellen Einsatz vorgesehene verteilte Betriebssystem-Architektur soll auf einem High-end-Unix-Rechner laufen, mit dessen Ankündigung sich Unisys noch Zeit lassen will. Jamie Riotto, bei Unisys für die gesamte Unix-Produktpalette verantwortlich, spricht gegenüber der CW-Schwester "Computerworld" nicht von einer Produkt-, sondern von einer Technologieankündigung.

Mit dieser Unix-Version auf dem neuen Rechner könne der Anwender grundsätzlich all das machen, was er heute auf dem Mainframe, erledige, verspricht auch Chorus-Gründer und Geschäftsführer Hubert Zimmermann. Die Kompatibilität zu Unix System V.4 erlaubt darüber hinaus die Nutzung aller verfügbaren Anwendungen.

Das offene Betriebssystem der Zukunft basiert nach Einschätzung vieler Branchenkenner spätestens ab Mitte der 90er Jahre auf einer schnellen, modular aufgebauten und im Umfang erheblich reduzierten Microkernel-Architektur. In einer solchen Umgebung enthält der Kernel einen Minimalsatz von kooperativ arbeitenden Kernbetriebssystem-Funktionen sowie verschiedene Systemsserver, die diese Kernel-Funktionen nutzen und dem Anwender je nach Applikation die notwendige Betriebssystem-Funktionalität liefern. Hersteller könnten sich dann - im Idealfall - mit der Pflege eines Betriebssystem-Kerns begnügen und mit Hilfe von Management-Systemen und Schalen die jeweilige, vom Anwender "gewohnte" Betriebssystem-Welt emulieren.

Unisys vermerktet 4GL für OLTP-Entwicklung

Das auf dem Chorus-Kernel basierende System von Unisys soll verteilte, fehlertolerante Rechnerumgebungen unterstützen und außerdem besondere Sicherheits-Features mitbringen. Zudem ist die Unterstützung der von IEEE- und X/Open spezifizierten Standards geplant. Ein erstes Release des System-V.4-kompatiblen Produktes wird laut Unisys schon bis Mitte nächsten Jahres freigegeben. In vollem Umfang ist verteilte Datenverarbeitung auf der Basis des Chorus-Microkernels aber frühestens 1993 möglich.

Daß Hardwarehersteller Unisys seine Überlebenschance zukünftig vor allem im Bereich kommerzieller Datenverarbeitung unter Unix und hier nicht zuletzt im Bereich der Software-Entwicklung sieht, zeigt auch das jüngste Abkommen mit der AT&T-Tochter Unix Software Laboratories (USL): Unisys wird danach das 4GL-Produkt "Ally" als Front-end-Entwicklungswerkzeug für "Tuxedo", die Unix-OLTP-Entwicklungsumgebung der USL, anbieten.

Mit Tuxedo läßt sich - bisher nur in der Programmiersprache C - ein Gerüst erstellen, das die Entwicklung von Unix-OLTP-Anwendungen in verteilten Rechnerumgebungen erlaubt. Ally als Front-end-Entwicklungsumgebung soll die entsprechende 4GL-Entwicklungswerkzeuge bereitstellen. Nach Einschätzung eines USL-Sprechers lassen sich mit der Kombination beider Systeme zum Beispiel Reservierungssysteme für Flughäfen öder auch Point-of-sales-Systeme entwickeln. Für USL sei Ally vor allem wegen seiner Kompatibilität zu den wichtigsten Datenbanksystemen interessant gewesen.

Bisher laufen die Ally-Werkzeuge vor allem auf den hauseigenen Plattformen der U/6000. Serie sowie auf verschiedenen Sparc-Stations von Sun Microsystems. Um das weitgehend konkurrenzlose Produkt - Unisys rechnet allerdings schon bald mit einer ähnlichen Ankündigung aus dem Hause Siemens Nixdorf - auch für andere Systemumgebungen zu vermarkten, hat der Mainframe. Anbieter die Tochtergesellschaft Ally Inc. gegründet. Unterstützt werden sollen bereits Anfang 1991 Rechner der RS/6000-Reihe von IBM.