Unisource plant mit Sita ATM-Netzwerk "Ansprueche der Kunden machen an Europas Grenzen nicht Halt"

02.09.1994

Mit Viesturs Vucins, President der Unisource Group, einer TK- Allianz, bestehend aus der PTT Telecom Nederland, der Telecom PTT Schweiz sowie der schwedischen Telia, sprach CW-Redakteur Peter Gruber.

CW: AT&T hat mit seiner Entscheidung fuer Unisource bis nach der Bekanntgabe der Kooperationsvereinbarung zwischen France Telecom, Telekom und Sprint gewartet. Ist Unisource fuer AT&T nur die drittbeste europaeische Loesung?

Vucins: Diese Frage muessten Sie AT&T stellen. Ich bin sicher, dass Unisource fuer AT&T nicht nur die drittbeste Loesung verkoerpert.

Es ist kein Geheimnis, dass Unisource schon seit geraumer Zeit mit AT&T in Verhandlungen stand. Wir haben mit den Amerikanern auch schon einige gemeinsame Projekte laufen, zum Beispiel ein Team, das fuer international operierende Kunden derzeit ein Portfolio fuer Sprachdienste vorbereitet.

CW: Versteht sich Unisource als europaeischer oder globaler Player?

Vucins: Unisource hat seine Aktivitaeten von Beginn an auf Europa konzentriert. Wir nehmen fuer uns in Anspruch, das erste paneuropaeische TK-Unternehmen zu sein. Unser vorrangiges Ziel ist, als europaeischer Operator ein eigenes Netzwerk zu betreiben und darauf Services insbesondere fuer multinationale Firmen anzubieten.

Trotzdem ist es fuer Unisource natuerlich unerlaesslich, einen weiten Aktionsradius zu haben. Die Ansprueche unserer Kunden machen nicht an den Grenzen Europas Halt. Wir brauchen trotz unserer Fokusierung auf den europaeischen Markt einen globalen Zugriff. Die Loesung kann nur Partnerschaften heissen. Es gibt kein Unternehmen, das alle Maerkte der Welt selbst bedienen kann.

CW: Wie ist der Markt fuer international agierende Kunden gegenwaertig gekennzeichnet?

Vucins: Lokale Monopole und ein weltweites Kartell haben die Telekommunikation seit Jahrzehnten dominiert. Das Problem fuer die Anwender lag bislang darin, dass die Qualitaet der Services ausserhalb des Heimatmarktes in der Regel nicht auf dem gleichen Niveau war. Ursache dafuer war eben jenes globale Kartell zwischen den Netzbetreibern - ein Regime, das dem Kunden keine Wahlmoeglichkeiten liess. Gluecklicherweiser brechen diese Strukturen jetzt langsam auf.

Das Telekommunikationsnetz ist in Sachen Sprachkommunikation nicht zuletzt wegen des erwaehnten Kartells mittlerweile auf einem hohen technischen Stand. Ueber dieses System koennen heute weltweit ueber 700 Millionen Menschen kommunizieren. Seitens der Carrier wurde jedoch versaeumt, multinationalen Kunden Datenkommunikationsdienste auf hohem Qualitaetsniveau ueber die nationalen Grenzen hinaus anzubieten. Infolgedessen haben nahezu alle Grosskonzerne ihre eigenen privaten Netzwerke errichtet. Deren Betrieb ist aber sehr kostspielig, so dass fuer diese multinationalen Kunden ein grosser Bedarf nach internationalen Netzbetreibern besteht.

CW: Werden TK-Allianzen, bestehend aus traditionellen Carriern wie BT und MCI, AT&T und Unisource sowie Telekom, France Telecom und Sprint, ueberhaupt fuer mehr Angebot, Servicequalitaet und Wettbewerb am Markt sorgen?

Vucins: Ich behaupte, obwohl es die traditionellen Anbieter sind, die jetzt zusammenwachsen, werden sie doch Loesungen fuer die Probleme der Kunden entwickeln. Alle Netzbetreiber wollen, getrieben von den Beduerfnissen der Anwender und dem Marktpotential, ins internationale Geschaeft. Der Kunde wird kuenftig mehr als nur eine Option haben und aus einem vielfaeltigen Angebot die beste Loesung fuer seinen individuellen Probleme heraussuchen koennen.

CW: Sehen sie auch noch andere Player, die in diesen Markt hineindraengen werden?

Vucins: Moeglicherweise noch Hersteller aus der Computerindustrie, die aber keine grosse Erfahrung im Betreiben von Netzen haben. Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, dass die traditionellen Netzoperatoren jetzt energisch dieses Marktsegment besetzen.

CW: Sehen Sie Bedarf fuer einen europaeischen oder weltweiten Regulierer, der ueber die Anbieter dieses TK-Marktes wacht?

Vucins: Zunaechst sollten wir erst einmal die gegenwaertige Regulierung in Europa deregulieren, weil sie in fast allen Laendern der freien Entfaltung der Anwender im Wege steht.

Es muss endlich Schluss sein mit dem bedingungslosen Schutz der Monopolisten unter dem Vorwand deren Infrastrukturauf-

traege. Wir benoetigen ein einheitliches Spielfeld, auf dem alle gleich agieren koennen, aber mit einem Schiedsrichter, der jeden bei einer Zuwiderhandlung strikt zurueckpfeift. Eine solche zentrale Instanz koennte in Bruessel angesiedelt sein.

CW: Sehen Sie Tendenzen in diese Richtung?

Vucins: Zum Teil passiert etwas, aber das geht alles viel zu langsam voran. Leider sind diese Aktivitaeten nicht international getrieben, sondern rein national und von Land zu Land verschieden.

CW: Benoetigt der TK-Markt einen weltweiten Aufpasser?

Vucins: Ja und nein. Ich glaube, die Schaffung eines globalen Regulierers ist ziemlich unrealistisch. Wir sind schon gut bedient, wenn wir eine solche Institution jeweils fuer Nordamerika, Asien und Europa ins Leben rufen koennen.

CW: Verkoerpern die Telekom und France Telecom wirklich jene uebermaechtigen Player in Europa, als die sie immer ausgegeben werden?

Vucins: Beide gehoeren natuerlich zu den dominierenden Netzbetreibern in Europa, mit internationalen Ambitionen wie wir alle. Fuer meinen Geschmack hat deren Joint-venture Eunetcom sehr viel Aehnlichkeit mit Unisource. Zweifellos verfuegen beide in ihren Heimmaerkten ueber enorme Ressourcen und ein gewaltiges Kundenpotential. Ich habe grossen Respekt vor den beiden, aber Ressourcen allein sind nicht entscheidend, ausschlaggebend ist die Art, wie man die Wuensche der Kunden befriedigt.

CW: Wie liberal sind die Maerkte der Mitgliedsstaaten von Unisource?

Vucins: Natuerlich behauptet jeder, er sei sehr liberal. Die Realitaet sieht jedoch anders aus. Alle Gesellschafter haben ihre Absicht bekraeftigt, im Rahmen der Vorgaben der EU, bis zum 1. Januar 1998 eine vollkommene Liberalisierung ihrer Maerkte in die Tat umzusetzen.

CW: Demnach sind die Maerkte auch nicht liberaler als in Deutschland und Frankreich?

Vucins: Man sollte den Wettbewerb in den wichtigsten europaeischen Staaten generell nicht unterschaetzen. Es herrscht bereits eine knallharte Konkurrenz, Regulierung hin oder her. Trotz zeitlicher Rahmendaten der EU hat der Markt seine eigenen Gesetze und diktiert einen anderen Zeitplan.

CW: Nochmals die Frage: Sind die Maerkte in Deutschland und Frankreich schwerer zugaenglich als jene in anderen europaeischen Staaten?

Vucins: Nicht unbedingt unter dem Aspekt der Regulierung, sondern mehr unter praktischen Gesichtspunkten. Zum Beispiel sind die Gebuehren fuer Infrastrukturleistungen in beiden Laendern ausserordentlich hoch. Trotz eines offenen Marktes herrschen dort Preismechanismen, die jeden Wettbewerb unterdruecken.

CW: Wie bedienen Sie unter diesen Umstaenden den deutschen Markt?

Vucins: Wir muessen unsere Leitungen bei der Telekom anmieten. Wir duerfen ja selbst keine Kabel legen und wuerden dies auch nicht tun. Eine Alternative zur Infrastruktur der Telekom wuerde Unisource stark begruessen, um unsere Kosten fuer diesen Bereich reduzieren zu koennen.

CW: Kann Unisource in diesem Fall nicht von den privaten Netzbetreibern in Deutschland profitieren?

Vucins: Nein, weil die selbst ihre Leitungen bei der Telekom anmieten und somit nicht billiger anbieten koennen.

CW: AT&T hat die amerikanischen Behoerden aufgefordert, der Beteiligung von Telekom und France Telecom an Sprint nur dann zuzustimmen, wenn der franzoesische und deutsche Markt fuer US- Anbieter geoeffnet werden. Welche Haltung hat Unisource als Partner von AT&T?

Vucins: Unisource spricht sich fuer einen fairen und offenen Wettbewerb aus. Es geht auf alle Faelle nicht an, dass die Telekom ihren Wettbewerbsbereich mit Ressourcen aus dem Monopol subventioniert und auf diese Weise die Preise der Konkurrenten unterbietet. Leider gibt es heute weltweit keine verbindlichen Regeln, weshalb das Thema sehr stark auf politischer Ebene angesiedelt ist. Es ist nur recht und billig, dass man amerikanischen Anbietern den Zugang zum europaeischen Markt gewaehrt, wenn der US-Markt auch fuer die Europaeer offensteht. Es muessen gleiche Bedingungen fuer alle gelten.

CW: Sie haben neben der Telekom und BT Interesse an einer Kooperation mit Debis bekundet. Koennte Debis der Schluessel zum deutschen Markt sein?

Vucins: Unisource stellt natuerlich Ueberlegungen an, wie die Kunden in Deutschland ueber die drei existierenden Bueros hinaus besser zu bedienen sind. Wir muessen naeher an den deutschen Kunden heran. Das geht entweder nur durch mehr eigenes Engagement oder mit einen Partner vor Ort. Unisource steht daher mit mehreren potentiellen Partnern in Deutschland in intensiven Verhandlungen.

CW: Koennen Sie Namen nennen?

Vucins: Nein, noch nicht.

CW: Bildet Sita fuer Unisource einen Knoten zum deutschen Markt?

Vucins: Ja, Sita besitzt auch in Deutschland Knoten. Gegenwaertig sind wir dabei, das Sita-Netzwerk in Europa mit dem Unisource- Network zu konsolidieren. Der Vorteil ist, dass wir in unseren Netzen weitgehend die gleiche Technik einsetzen, was die Abstimmung erleichtert.

CW: Erzeugt die Konsolidierung eine ausreichend starke Netzdichte?

Vucins: Leider nein. Sita verschafft uns zwar weltweit den Zugang zu vielen Laendern, die Penetration wird aber mit Ausnahme der Heimatlaender der vier Unisource-Partner nicht erhoeht. Dieses Dilemma hat jeder, der in diesen Markt einsteigt. Wir muessen Leitungen anmieten und haben ueber unsere Knoten hinaus keinen Einfluss auf die Qualitaet der Leitungen und Services.

CW: Stimmen es, dass Unisource und Sita weltweit ein Netz mit ueber 1000 ATM-Knoten errichten wollen?

Vucins: Ja, es haben bereits Gespraeche mit Herstellern stattgefunden, eine Entscheidung ueber die Realisierung der Plaene ist aber noch nicht gefallen. Tatsache ist, dass wir unsere Netze aufgrund der Forderungen vieler Kunden nach mehr Geschwindigkeit und Funktionalitaet technisch aufruesten muessen. ATM wird die Technologie sein, mit der wir diese Beduerfnisse realisieren koennen.

CW: Durch den Deal mit AT&T wird Unisource festes Mitglied des Konsortiums "Worldpartners". Bieten Sie im Rahmen dieses Engagements schon Dienste an?

Vucins: Wir werden Anfang 1995 beginnen, im Rahmen von Worldpartners Dienste unter dem Oberbegriff "Worldsource" auf den Markt zu bringen.

CW: Welche Services?

Vucins: Drei Dienstekategorien. Wir werden High-speed-Services fuer LAN-Interconnection auf Frame Relay-Basis offerieren, womit weltweit lokale Netze zur Datenkommunikation verbunden werden koennen. Darueber hinaus wollen wir private Verbindungen fuer Sprach- und Datenanwendungen inklusive Management-Funktionen mit hoher Verfuegbarkeit und Sicherheit schalten und den Kunden schliesslich auch noch virtuelle Sprachnetze anbieten.

CW: Werden die Netzmonopole noch vor 1998 fallen?

Vucins: Ich hoffe sehr. Es gibt zwar unter vielen Netzbetreibern einen Konsens darueber, eine einheitliches, transnationales Glasfasernetz zu schaffen, ueber das alle End-to-end Dienste anbieten und von dieser Infrastruktur profitieren, aber leider dominieren letztlich doch nationale Interessen. Ein solches Projekt wird also nur realisierbar sein, wenn private Investoren die Erlaubnis bekommen, Netze zu errichten.

CW: Das hoert sich sehr nach Information-Highway an. Welche Ambitionen hegt Unisource fuer diesen Zukuftsmarkt?

Vucins: Da Unisource noch ein sehr junges Unternehmen ist, muss es sich zunaechst auf die aktuellen Anforderungen der Kunden besinnen. Das sind ueberwiegend Daten- und Sprachdienste. Sobald sich Unisource in diesem Geschaeft etabliert hat, werden wir zusaetzlich in andere, noch subtilere Anwendungsgebiete expandieren, die dann unsere Carrier-Dienste als Plattform nutzen.

CW: Wie steht es um den Information-Highway in Europa?

Vucins: Um diesen Begriff gibt es sehr viel Missverstaendnisse. Der Highway selbst ist nicht das Problem, weil die Bandbreite dafuer laengst ausreichend vorhanden ist. Der Denkansatz, den Highway immer aus der Warte des Bandbreite anzugehen, ist also falsch. Entscheidend wird die Identifikation der Anwenders mit dem Highway sein. Eine Explosion in der Nachfrage kann nur durch preiswerte Applikationen erfolgen, die momentan noch nicht in Sicht sind.

CW: Ist dieses Anwendungsfeld fuer die Carrier nicht sehr ungewohntes Terrain?

Vucins: Die traditionellen Carrier haben bisher immer 90 Prozent ihrer Investitionen in die Infrastruktur und Technologie gesteckt, aber nur zehn Prozent in Services und Marketing. Das ist kein sehr ausgewogenes Verhaeltnis, zweifellos bedingt durch die Monopole. Dieses Missverhaeltnis wird sich in Zukunft aendern, weil die Netzinfrastruktur in den meisten Faellen schon in digitalisierter Form vorhanden ist. Durch die Konzentration auf Anwendungs- und Terminalebene wird der Super-Highway einen enormen Aufschwung erfahren.

CW: In den vergangenen zwei Jahren wurde auch viel ueber den Begriff Outsourcing debattiert. Welche Rolle spielt dieses Geschaeft in Europa?

Vucins: Dieses Geschaeft nimmt stetig zu. In Amerika hat es schon Tradition und kommt jetzt nach Europa. Fuer alle Unternehmen ist eine funktionierende TK-Infrastruktur heute lebenswichtig und unabdingbarer Bestandteil des Core Business. Selbst solche Netze zu betreiben und technisch auf dem neuesten Stand zu halten, ist sehr kostspielig und aufwendig. Es wird deshalb seitens der Unternehmen zunehmend Bedarf fuer Facilities Management oder Outsourcing geben.

CW: Legen die Kunden mehr Sprach- oder Datenverarbeitung in fremde Haende?

Vucins: Beides, wobei die Beweggruende Sprach- oder Datenkommunikation auszulagern, unterschiedlich geartet sind. Durch Outsourcing der Sprachkommunikation wollen die Unternehmen in erster Linie ihre TK-Kosten senken, waehrend das Motiv fuer die Auslagerung der Datenverarbeitung eher qualitaetsgetriebene Gruende hat. Ich nenne hier die Stichworte schnelle Netzinfrastrukturen und kritische Applikationen.

CW: Wann wird Unisource schwarze Zahlen schreiben?

Vucins: Das erste Geschaeftsjahr, das Unisource kuerzlich abgeschlossen hat, ist besser gelaufen als geplant. Natuerlich schreiben wir noch rote Zahlen, wollen aber bis 1996 in die Gewinnzone kommen.

CW: Wie wird das TK-Szenario Ihrer Meinung nach in zehn Jahren aussehen?

Vucins: Ich glaube, es wird drei oder vier Global Players geben, die eine Kombination aus nordamerikanischen, europaeischen und asiatischen Anbietern sein werden. Es wuerde mich sehr wundern, wenn sich diese Player nicht aus den traditionellen Carriern zusammensetzten, aber wer weiss, vielleicht taucht noch eine andere Macht auf.

Sicher ist, dass in diesem TK-Szenario ein knallharter Wettbewerb toben und die Telekommunikation die Geschaeftspolitik der Kunden noch mehr dominieren wird. Diesen Unternehmen werden die Carrier dann ein wesentlich umfassenderes Diensteangebot zu deutlich niedrigeren Tarifen als heute anbieten, die sich nicht mehr nur an den Telefongebuehren orientieren. Die Entfernung wird sich in den Kosten fuer den Kunden jedenfalls nicht mehr so drastisch niederschlagen wie heute.