Computer-Investitions-Programm (CIP) der Bundesregierung zeitig Ergebnisse:

Unis installieren PC-Pools für alle Studenten

21.08.1987

BERLIN - Fast schon als Selbstverständlichkeit stellte sich jetzt im Berliner Internationalen Conferenz Centrum (ICC) der Einsatz in Lehre und Forschung dar. Dazu hat, speziell im nicht-wissenschaftlichen Sektor, das Förderprogramm der Bundesregierung CIP (Computer-Investitions-Programm) beigetragen. Bis zum Auslaufen des Programms 1988 sollen rund 15 000 "Studienplatzrechner" installiert sein.

Plattform der Demonstrationen war der von IBM gesponserte Kongreß "Informationsverarbeitung in Lehre und Forschung" (vergleiche CW Nr. 33/87, Seite 26). Ins Auge sprangen vor allem Anwendungen der Betriebswirte, Germanisten, Kunstgeschichtler, Juristen und Sozialwissenschaftler.

CIP ist für die Anwender der Informatik gedacht, das heißt für Studierende aller Fachrichtungen, denn jeder sollte später - als Arzt auf der Intensivstation oder als Wissenschaftler in der Sozialforschung - mit einen Computer umgehen können. CIP läuft zunächst von 1985 bis 1988, das vorgegebene Investitionsvolumen beträgt 250 Millionen Mark. Damit hofft man, bis zum Auslaufen des Programms rund 15 000 "Studienplatzrechner" installieren zu können.

Eine Vorgabe für CIP war die lokale Vernetzung der PCs, die es ermöglicht, jeden Einzelrechner direkt zu erreichen, um die Betriebsorganisation und auch die inhaltliche Kursführung zu vereinfachen. Solche "PC-Pools" dienen der Basisausbildung, also dem Lernen, wie man mit Arbeitsplatzrechnern umgeht, dem Programmieren sowie dem Vermitteln und Praktizieren von Grundkenntnissen der Informatik.

Zugang über Bibliotheksausweis

Der zweite Schritt ist dann die Verwendung des PC als Arbeitsmittel beim Lösen fachspezifischer Aufgaben. Hier soll der Lernprozeß zusätzlich durch rechnerunterstütztes interaktives Lernen mit dem in Lernprogrammen aufbereiteten Lehrstoff des betreffenden Fachgebiets erleichtert und beschleunigt werden.

Inzwischen ist nach Angaben des Staatssekretärs im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Eberhard Böning, etwa die Hälfte der geplanten Studienplatzrechner in PC-Pools installiert. Zahlreiche Hochschulinstitute demonstrierten auf dem Berliner Kongreß Lehr- und Lernprogramme für solche PCs. Sie reichten vom Textil-Design über ein Lehrprogramm für Finite Elemente bis zur Statistikausbildung und einem Lehrprogramm zum Umgang mit dem PC für Germanisten.

Als Modellversuch eröffnete die Technische Universität Berlin - erstmalig an einer europäischen Hochschule - im Februar 1986 einen sogenannten PC-Saal, der allen 27 000 Studenten und 4000 Mitarbeitern der TU an Wochentagen von 8 Uhr bis 20 Uhr offensteht. Zugang verschafft der Ausweis der TU-Bibliothek, der die Nutzung von PCs einschließlich der Ausleihe von benötigten Handbüchern ermöglicht. Der PC-Saal wurde im Rahmen eines Studienvertrags zwischen IBM und der TU Berlin eingerichtet.

Arbeitsplatz mit Blindenschrift

Im Gegensatz zu den zehn Pools der TU im CIP-Programm, die nur für die Lehre benutzt werden dürfen, läßt der PC-Saal jede Art der Anwendung am PC zu und erreicht damit alle Studierenden. Die Hardware-Konfiguration umfaßt einen PC zur Projektsteuerung, Programmentwicklung und Test, zwei PCs als Leitstation sowie zwei Netze, in denen jeweils 14 PCs mit einem Server-PC zusammengefaßt sind. Zusätzlich wurde ein Arbeitsplatz für Behinderte mit Einrichtungen für Blindenschrift installiert. Die wichtigste Software, wie verschiedene Compiler/Interpreter, Text- und Grafikpakete, Dienst und Lernprogramme, steht in den PC-Netzen ständig zur Verfügung. Weitere Programme sind auf Disketten erhältlich.

Die bisherigen Ergebnisse des Modellversuchs zeigten, daß rund 10 Prozent der Studierenden sämtlicher 22 Fachbereiche der Technischen Universität Benutzer des PC-Saals geworden sind. Die Kapazitätsgrenze war nach zwölf Monaten erreicht. Die TU will jetzt den erfolgreichen PC-Saal als feste Einrichtung weiterführen.

Im Grunde noch erstaunlicher als in der Lehre ist das Vordringen des Personal Computers in der Forschung. Wissenschaftler, die ihn noch vor einigen Jahren als Spielzeug abgestempelt haben, möchten ihn heute nicht mehr missen. Die Forschungsbereiche, die der PC sich erobert hat, liegen jedoch nicht nur in den Naturwissenschaften, sondern verstärkt auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften.

Biblist-Programm für kleine Bibliotheken

In Berlin stellte beispielsweise Professor Dr. Winfried Lenders vom Institut für Kommunikationsforschung und Phonetik der Universität Bonn ein Konkordanzsystem vor, dessen Such- und Analysemöglichkeiten anhand von Immanuel Kants Bänden 3 und 5 auf einem PC AT demonstriert wurden. Das MPI für psychologische Forschung im München arbeitet mit "Biblist", einem Programm zur Literaturverwaltung, das ebenfalls auf einem PC läuft und sich besonders für den einzelnen Wissenschaftler oder kleinere Bibliotheken eignet. Sogar für einen so rechenintensiven Bereich wie die Bildverarbeitung eignet sich der Personal Computer. Das Deutsche Krebsforschungsinstitut in Heidelberg verwendet ihn, um in histologischen Präparaten Zellen zu erkennen und zu analysieren, um mit speziellen Filteroperationen in Röntgenaufnahmen sonst nicht erkennbare Details sichtbar zu machen oder zur quantitativen Analyse von Elektrophoresen .

Professor Dr. Hans-Jürgen Krupp, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin und Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung, hob in einem Vortrag über den Einsatz der Datenverarbeitung in der empirischen Wirtschaftsforschung insbesondere den hohen Software-Standard der PCs hervor, der auch bei preiswerten Modellen erreicht werde.

Großrechnerhersteller müssen nachdenken

Nach Krupp hat sich durch die Einführung des Personal Computers die Art der Nutzung des Großcomputers wesentlich verändert. Zudem seien durch den PC völlig neue Bereiche für die Datenverarbeitung erschlossen worden. Hierzu habe wesentlich auch die viel benutzerfreundlichere Software beigetragen. Es sei allerdings eine Entwicklung zu beobachten, die diese Relation noch weiter zugunsten des PCs verschieben könnte, ohne daß sie hardwaremäßig betrachtet sinnvoll sei. Den Grund sieht Krupp in dem nach wie vor zu großen Unterschied in der Software-Qualität. Wenn die Großcomputer-Hersteller in diesem Bereich im Geschäft bleiben wollten, müßten sie über eine Verbesserung ihres Softwareangebots nachdenken oder dafür sorgen, daß PC-Programme auch auf Großrechnern laufen können.

*Kristin Mierzowski ist freie Fachjournalistin in Leonberg.