Kritik an Topmanagern

Union hält an Vorratsdatenspeicherung fest

04.06.2008
Die Union hält trotz des Telekom-Spitzelskandals an der Anfang des Jahres eingeführten Speicherung aller Telefon-Verbindungsdaten zur Terror- und Verbrechensbekämpfung fest.

Die Vorratsdatenspeicherung habe nichts mit der Telekom-Affäre zu tun, bekräftigten führende Unionspolitiker am Dienstag. Nach der Opposition stellten inzwischen auch SPD-Politiker das Gesetz infrage. CDU und CSU prangerten das Fehlverhalten von Managern an. In ihrer Reaktion auf den Skandal zeigte sich die Union uneins.

Bundestagsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sprach sich zwar gegen weitere Datenschutzgesetze, aber für höhere Bußgelder als die bislang vorgesehenen maximal 300.000 Euro aus: "Da werden wir den Strafrahmen deutlich erhöhen müssen." Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, stehen solche Überlegungen derzeit nicht im Vordergrund. Es sei massiv gegen geltendes Recht verstoßen worden, sagte Röttgen. Die Frage von Änderungen solle aber am Ende einer Analyse stehen. Der CDU-Politiker sieht vielmehr die Wirtschaft in einer "Bringschuld, so etwas in Zukunft zu verhindern".

Die CDU-Ministerpräsidenten Christian Wulff (Niedersachsen) und Peter Müller (Saarland) attackierten die Wirtschaft. "Es fehlt an Moral", sagte Wulff der "Financial Times Deutschland" (Mittwoch). Das Verhalten einzelner angestellter Manager nannte der stellvertretende CDU-Vorsitzende "unerträglich". Müller warf den Topmanagern vor, die soziale Marktwirtschaft zu gefährden. "Wir haben eine zunehmende Akzeptanzkrise der sozialen Marktwirtschaft. Das hat damit zu tun, dass in mehreren Fällen führende Vertreter der deutschen Wirtschaft ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind."

Die Innenexperten der Unionsfraktion Hans-Peter Uhl, Ralf Göbel und Beatrix Philipp machten die Telekommunikationsunternehmen für den sorgsamen Umgang mit den ihnen anvertrauten Daten verantwortlich. Es müsse im wohlverstandenen Interesse der Telekom sein, das erschütterte Vertrauen wiederherzustellen. Die Unionspolitiker wollen prüfen, ob gravierende Verstöße gegen den Datenschutz durch die Unternehmen selbst öffentlich gemacht werden müssen.

Die Verbindung des Telekom-Skandals mit der Vorratsdatenspeicherung nannten die Unionsabgeordneten grob irreführend. Die bei der Telekom missbräuchlich verwendeten Daten benötige jedes Unternehmen zur Rechnungsstellung. Auf die für ein halbes Jahr gespeicherten Verbindungsdaten dürfe bei der Verfolgung schwerer und schwerster Straftaten nur aufgrund eines richterlichen Beschlusses zugegriffen werden. Ähnlich hatte sich bereits Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geäußert.

Dagegen stellte der SPD-Datenschutzexperte Jörg Tauss die Vorratsdatenspeicherung infrage. Man müsse darüber diskutieren, ob die minimale Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie "vielleicht auch schon ein Stück zu viel ist", sagte er dem Südwestrundfunk. Deutschland hatte die EU-Vorgaben nicht voll ausgeschöpft. Die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel forderte, die Speicherung rückgängig zu machen. Der Fall Telekom zeige, dass die große Sammlung persönlicher Daten "dem Missbrauch Tür und Tor öffnen".

Die Telekommunikationsbranche will sich für mehr Kontrollen durch den Bundesdatenschutzbeauftragten öffnen. "Wir wollen damit zeigen, dass wir in der Branche nichts zu verbergen haben", sagte der Geschäftsführer des Branchenverbandes BITKOM, Bernhard Rohleder, im Deutschlandradio Kultur. Branchenvertreter hatten am Montag mit dem Bundesinnenministerium über mögliche Konsequenzen aus der Bespitzelungsaffäre gesprochen. Die Telekom hatte zugegeben, Verbindungsdaten von Aufsichtsräten und Journalisten ausgewertet zu haben, um einen heimlichen Informanten der Medien aufzuspüren.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar erneuerte seine Forderung nach schärferen Sanktionen. "Ein Bußgeld sollte wirklich wehtun", erklärte Schaar der "Thüringer Allgemeinen" (Dienstag). Zugleich forderte er eine personelle Verstärkung. In seiner Behörde seien lediglich fünf Mitarbeiter damit beschäftigt, die Telekom und die 5000 anderen Unternehmen der Branche datenschutzrechtlich zu kontrollieren. "Das ist zu wenig." (dpa/tc)