Konsequenz aus überhöhten Preisen der Telekom

Unilever-Töchter übergeben ihr Netz-Management an Inas GmbH

03.04.1992

MÜNCHEN (gh) - Ein fürs erste ganz ansehnlicher Fisch ist der neuen Outsourcing-Company Inas GmbH ins Netz gegangen. Die Union Deutsche Lebensmittelwerke GmbH und die Langnese-Iglo GmbH, beides Unternehmen der Deutschen Unilever GmbH, wollen rund 100 ihrer bundesdeutschen Produktionsstandorte und Vertriebsniederlassungen an das "Inas-Net" der Frankfurter BfG-Tochter anbinden und das Management ihrer Datennetze komplett auslagern.

Die zwei größten Gesellschaften des Unilever-Konzerns planen, statt auf Datex-P-, Datex-L und HfD-Leitungen der Telekom zukünftig auf Kapazitäten der Inas-Netzspezialisten zurückzugreifen. Mehr als eine Million Mark wollen sich beide Firmen durch diesen Schritt im Laufe der nächsten drei Jahre an Betriebs- und Leitungskosten sparen. Für Werner Aschmutat, IT-Manager bei der Union Deutsche Lebensmittelwerke, ist dies die logische Konsequenz aus einer Umstrukturierung der konzerneigenen DV sowie dem überteuerten Preistableau der Telekom bei Mietleitungen.

Den Begriff Outsourcing will der DV-Verantwortliche in diesem Zusammenhang allerdings nicht so gern benutzt wissen, weil "wir nicht etwas auslagern können, was wir gar nicht besitzen". Sein Unternehmen habe bisher für die Verbindung von neun Werken, darunter zwei in den neuen Bundesländern, sowie 25 Verkaufsbüros Leitungen der Telekom angemietet und wie viele andere gewerbliche Postkunden feststellen müssen, "daß die Telekom im europäischen Vergleich einer der teuersten Anbieter ist".

Telekom bietet nichts Entsprechendes an

Durch den Deal mit Inas vollziehe man daher zunächst lediglich "einen Wechsel von einem Lieferanten zu einem anderen". Gleichwohl wurde auch das komplette Netzwerk-Management-Angebot des Frankfurter Newcomers eingekauft, der sich erst seit Beginn des Jahres in eigener Regie auf dem Markt präsentiert. Bisher sei man, so Aschmutat, sowohl bei Langnese als auch bei der Union Deutsche Lebensmittelwerke durchaus mit der Administration eigener kleiner Netztopologien in Form von Batch-Systemen zurechtgekommen - letztlich auch, "weil die Telekom nichts Entsprechendes anbietet".

Mit einem direkt in der Unilever-Zentrale installierten Knoten sollen nun aber die Inas-Spezialisten einen vollständigen Durchgriff auf die Datennetze beider Hamburger Lebensmittelproduzenten erhalten. Wesentlicher Grund neben der Kostenfrage: Ein Herumbasteln im eigenen Netz ist nicht mehr so ohne weiteres möglich. Beide Firmen sind derzeit dabei, auf Basis von Client-Server-Konzeptionen dezentrale Strukturen einzuführen. An sieben Standorten wurden bereits großflächig LANs auf Ethernet-Basis installiert. Insgesamt sind alleine Aschmutats Verantwortungsbereich rund 500 PCs zugeordnet, die via SNA, Decnet, VMS und zunehmend auch Ultrix in einem dialogorientierten Verbundsystem mit IBM-Hosts und VAX-Minis von Digital verbunden sind.

Mit Inas-Net wollen die beiden Firmen Ende April, spätestens Anfang Mai an den Start gehen. Der Deal bringt Inas-Geschäftsführer Wolfgang Lücker in den nächsten drei Jahren rund 3,6 Millionen Mark in die Kasse. Für diesen Großauftrag müssen sich die aus der BfG-Bank hervorgegangenen Outsourcing-Anbieter allerdings kräftig ins Zeug legen. Nicht weniger als 99,8 Prozent tägliche Verfügbarkeit des Inas-Backbone-Netzes in der Zeit zwischen 7 Uhr und 19 Uhr ließen sich die neuen Inas-Kunden vertraglich zusichern. Kommt es zu einem Breakdown, drohen den Betreibern von Inas-Net empfindliche Konventionalstrafen.

Option für weitere Unilever-Gesellschaften

Zur Probe aufs Exempel könnte es sehr schnell kommen. So hat man seitens Unilever einen dreimonatigen Testvorlauf zur Bedingung gemacht, in der sich, so Aschmutat, "klären muß, ob der Service hält, was versprochen wurde". Besteht Inas-Net die Feuertaufe, könnte der BfG-Outsourcing-Tochter eine Reihe von Folgeaufträgen winken. Für weitere Unilever-Gesellschaften, beispielsweise der Nordsee-Kette, existiert schon die Option, später zu gleichen Vertragsbedingungen einzusteigen. Darüber zu entscheiden, sei allerdings alleinige Angelegenheit der jeweiligen Firmen.

DV: Kostspieliges Faß ohne Boden ?

" Wer zu spät kommt, dem geht das große Geschäft durch die Lappen", könnte das Motto in der TK- und Outsourcing-Branche gegenwärtig lauten. Natürlich will keiner zu spät kommen. Deshalb zeigen viele Anbieter jetzt verstärkt Flagge, um sich ein Stück vom lukrativen Dienstleistungskuchen zu sichern. Egal, ob nun komplettes Outsourcing, Facilities Management oder Mehrwertdienste - die Anbieter versuchen derzeit, ihre Claims abzustecken und Nischen für sich zu proklamieren. Es gilt nämlich, sich der Zielgruppe schlechthin, dem Großanwender, überzeugend zu präsentieren, weil dann erstens das große Geld winkt und zweitens Referenzkunden gewonnen werden.

Dabei steht sowohl für den Anbieter als auch für den Kunden viel auf dem Spiel. Unternehmen, die sich beispielsweise dafür entscheiden, ihr Netz-Management in fremde Hände zu legen, gehen ebenso ein Risiko ein wie Provider, die Versprechungen, etwa 99prozentige Netzsicherheit, nicht einlösen können. Das wichtigste Kapital der Dienstleister muß also absolute Zuverlässigkeit sein, wollen sie im Laufe der Zeit mehr und mehr Großanwender davon überzeugen, ihre Netzwerke und/oder Rechenzentren in die Obhut anderer zu geben.

Die Chancen dafür stehen insgesamt gut. Warum? Bei vielen Unternehmen setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, daß es ein Faß ohne Boden ist, die DV und das Netz in eigener Regie zu betreiben. Ressourcen, Personalkosten und Management gehen insbesondere zu einer Zeit, wo die Netzwerke immer offener und anspruchsvoller gestaltet werden, kräftig ins Geld. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis könnte möglicherweise so manchen Anwender dazu bewegen, wenigstens Teilbereiche seiner DV oder seiner Netzwerk -Facilities auszulagern. pg