Unheilbar gesund

21.02.1986

Aus dem Istaufnahmebogen des Unternehmensberaters: Die Großsprecher des Klienten wirken, kommen sie auf Großsysteme zu sprechen, wie Zerrissene. Da werden bereits Sondermodelle einer neuen Rechnerreihe vorgestellt, obwohl der Verkauf aus der normalen Produktion gerade erst begonnen hat - sicheres Zeichen dafür, daß die Erwartungen nicht erfüllt wurden. Da müssen die Marktstrategen erheblich mit dem Preis runtergehen, um ihre alten Großsysteme loszuwerden. Man kennt derartige Rabatt-Aktionen aus der Automobilbranche und dem Teppichhandel.

Für die Analyse braucht der erfahrene Marktbeobachter keinen Vektorrechner: Unser Klient kämpft offensichtlich mit erheblichen Schwierigkeiten, hat daran zu knacken, daß die Beschaffungspläne der Kunden falsch eingeschätzt wurden. Die Abnehmer wiederum müssen aus verständlichen Gründen verwirrt sein angesichts der Aufforderung, das eine zu tun ohne das andere zu lassen - das heißt: die neuen Modelle zu bestellen und die alten zu behalten.

Der Befund liegt nahe: Der Patient - und um einen solchen handelt es sich - ist der Leidtragende seiner eigenen Marketing-Schachzüge. Weitere Informationen stützen die Diagnose: Der Absatz erreichte 1985 gerade Vorjahresniveau. Und völlig ungewiß ist, wie die Kunden reagieren werden.

Mehr noch: Da Großsysteme allein gut die Hälfte des Umsatzes bringen, haben die Armonker - pardon, wir wollten den Herkunftsort eigentlich noch nicht preisgeben - nur einen geringen Handlungsspielraum, müssen die Jumbo-Karte als Joker ausspielen.

Bei dem bedauernswerten Kranken handelt es sich natürlich um die IBM. Die neuen Modelle heißen 3090/150 und 3090/180 - zur Sonderausstattung gehört eine Vektoreinrichtung. Preisermäßigungen gibt's für 308X-Käufer.

Unser Betriebsarzt wird im vorliegenden Falle allerdings zu einem anderen Ergebnis kommen: Unheilbar gesund - da helfen keine Prognosen. Für Kunstfehler kommt die IBM-Pensionskasse auf.