Analyse

Unendliche Geschichte

14.06.1991

Wie ungebrochen das Vertrauen der kleinen und mittleren IBM-Kunden zu ihrem Lieferanten ist, zeigt der Erfolg der AS/400: Obwohl sich die Anbieter von Offenen Systemen die Hacken ablaufen, um Schrägstrich-Maschinen abzulösen - insbesondere im /36-Bereich -, entscheiden sich immer mehr Anwender für Big Blues Midrange-Offerte.

Daß sie in einem proprietären Getto bleiben stört sie nicht. Keine Anstrengung scheint ihnen zu groß, wenn es um den Nachweis geht, daß die AS/400 besser ist als alles, was es auf dem Unix-Markt gibt. Wie ist der Schulterschluß zu erklären?

Um diese Frage zu beantworten, muß man die Besonderheiten des IBM-Midrange-Marktes kennen. Im Falle der Schrägstrich-Maschinen helfen Argumente wie Technik oder Preis-Leistungs-Verhältnis nicht weiter. So waren das System/3, auf das alles zurückgeht, und später die Systeme /32, /34, /36 sowie /38 stets Produkt-Außenseiter in einer IBM-Welt, die durch die /370-Mainframe-Philosophie geprägt wurde - ja, noch geprägt wird. Das heißt: Es entwickelte sich ein "Napoleon-Komplex" der "kleinen" IBM, die das /3X-Programm vermarktete - und man weiß ja, wozu " kleine Napoleons" fähig sind.

Eines wurde jedenfalls erreicht: Die /3X-Anwender solidarisierten sich mit "ihrer" IBM in einer Weise, wie es im normalen DV-Leben sonst nicht vorkommt - sehr zum Leidwesen der IBM-Mainframer übrigens, die am liebsten selbst die Bedingungen für eine Vereinigung beider Systemwelten diktiert hätten.

Nein, mit Ratio allein ist dem AS/400-Phänomen nicht beizukommen: einmal Schrägstrich-Anwender, immer Schrägstrich-Anwender. Weil das bei IBM mittlerweile jeder weiß, wird auch gar nicht mehr der Versuch unternommen, /38- und AS/400-Kunden auf die /370-Mainline herüberzuziehen.

Das ist allerdings noch nicht die Pointe der unendlichen Geschichte. Was bis jetzt kaum für möglich gehalten wurde: Um zu verhindern, daß frustrierte /370-Kunden zur Konkurrenz abwandern, wird ihnen von Big Blue nahegelegt, ins /3X-Lager zu wechseln - so bleiben sie in der Familie. Wenn das kein freier Wettbewerb ist?