Auch Partner Intel als Kronzeuge aufgeboten

Undurchsichtige Geschichten im Microsoft-Verfahren

04.09.1998

Insbesondere die Auseinandersetzung zwischen der vergleichsweise winzigen Technologieschmiede Caldera und dem Softwareriesen entwickelt sich zu einer Posse. Das Unternehmen mit Sitz in Orem, Utah, war 1996 gegen Microsoft vor Gericht gezogen. Der Vorwurf lautete seinerzeit, die Gates-Company habe das Betriebssystem MS-DOS illegalerweise mit der Benutzeroberfläche Windows zu einer Einheit verwoben, um Calderas Konkurrenzprodukt DR-DOS aus dem Wettbewerb zu kippen.

Caldera-President und Chief Executive Officer (CEO) Bryan Sparks beschuldigt Microsoft, absichtlich einen Bug in eine Betaversion von Windows 3.1 eingebaut zu haben, die dann an Software-Entwickler und PC-Hersteller verschickt worden sei. Habe die Windows-3.1-Vorversion nun ein anderes Betriebssystem als MS-DOS auf einem Rechner erkannt - beispielsweise Calderas DR-DOS - so sei der in Windows eingearbeitete Bug aktiv geworden und habe zu einer Fehlermeldung geführt. Hard- und Software-Entwicklern seien dadurch erhebliche Zweifel an der Kompatibilität von DR-DOS mit Windows gekommen.

Das Ergebnis der Microsoft-Taktik, so Vorstandschef Sparks, sei in Zahlen zu messen: 1991 habe sich der Umsatz seiner Firma gegenüber dem Vorjahr auf 30 Millionen Dollar verdoppelt. Allein im ersten Vierteljahr 1992 sei der Ertrag auf 15 Millionen Dollar geschossen, um dann im vierten Quartal 1992 abrupt auf 1,4 Millionen Dollar zusammenzubrechen.

Zum Treppenwitz gerät die Auseinandersetzung durch eine Aussage von Microsoft, man könne einen bestimmten Teil des Quellcodes der Windows-3.x-Software nicht mehr finden. Vorausgegangen war ein richterlicher Entscheid, mit dem Microsoft aufgefordert wurde, den Quellcode der inkrimierten Software auszuhändigen, um prüfen zu können, ob die Gates-Company tatsächlich absichtlich einen Bug eingewoben habe.

Die Existenz des Fehlers war durch die Veröffentlichung einer internen E-Mail ruchbar geworden, das der Leiter des Windows-Entwicklungs-Teams, David Cole, seinerzeit hausintern in Umlauf brachte. Kern der Aussage: Ein in Windows implantierter Bug könnte wirkungsvoll Konkurrenz-Betriebssysteme in Probleme und ab einem bestimmten Zeitpunkt sogar zum Absturz bringen. Microsoft bestreitet die Existenz dieser und ähnlicher E-Mails nicht.

Krise in der Wintel-Allianz?

Intel hat bestätigt, Unterlagen an das US-Justizministerium überreicht zu haben, die Microsoft belasten könnten. Danach gab es zwischen den beiden Top-Managern von Intel und Microsoft, Andy Grove und Bill Gates, sowie einer engen Führungsriege 1995 ein Gespräch mit möglichen Langzeitfolgen. Im Verlauf der Diskussionen soll Gates Intel damit gedroht haben, Microsoft könnte verstärkt Intel-Konkurrenten unterstützen. Dies für den Fall, daß Intel nicht von einer in der Grove-Company entwickelten Softwaretechnologie mit der Bezeichnung "Native Signal Processing" (NSP) Abstand nehme. Das Produkt, das Entwicklungen von Microsoft hätte gefährlich werden können, war von Intel mit großem Marketingrummel angekündigt worden, bloß um später sang- und klanglos in der Versenkung zu verschwinden.