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Umstrittene D21-Studie zur Breitbandnutzung in Deutschland

15.03.2006
Die Initiative D21 hat am vorletzten Tag der CeBIT eine Studie zur Breitbandnutzung in Deutschland präsentiert, deren Aussagen möglicherweise politisch eingefärbt sind.

Auf der CeBIT 2006 stellten unter anderem Bernd Pfaffenbach, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Thomas Ganswindt, Vorstandsvorsitzender der Initiative D21 und Mitglied des Zentralvorstands der Siemens AG, sowie Heinz Paul Bonn, Vizepräsident des Bitkom, die Studie "Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der Breitbandnutzung" vor. Diese war im Auftrag des BMWi von der Micus Management Consulting GmbH erstellt worden.

Kernaussagen der Untersuchung sind: Dank breitbandiger Internet-Zugänge könne das gesamtwirtschaftliche Wachstum in Deutschland bis 2010 um bis zu 46 Milliarden Euro stärker ausfallen. Zudem könnten bis zu 265.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Validität dieser Ergebnisse bestritt Franz Büllingen, Abteilungsleiter Kommunikation und Innovation des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste WIK GmbH, deutlich. Es sei nicht zu erklären, wie die Aussage der zusätzlichen 265.000 Arbeitsplätze ermittelt werden konnte. Alle bisherigen Erfahrungen würden zeigen, dass sich die Nutzung neuer Techniken wie in diesem Fall der Breitbandvernetzung nicht auf die Arbeitsmarktstatistik auswirkten. Würden die durch neue Techniken entstehenden Arbeitsplätze gegen die aufgrund von Rationalisierungseffekten wegfallenden Jobs aufgerechnet, sei in der Regel ein "negatives Wachstum" zu verzeichnen. Unternehmen würden die Breitbandtechnik eher dazu nutzen, weiter zu rationalisieren.

Büllingen äußerte sich auch kritisch zu den Aussagen, Deutschland sei im internationalen Vergleich in Sachen Verbreitung der Breitbandtechnik nur europäisches Mittelmaß. Ganswindt hatte gesagt, die Verbreitung von Breitbandtechniken in deutschen Haushalten (DSL, UMTS, Wimax etc.) betrage nur elf Prozent. Dies sei wesentlich weniger als etwa in skandinavischen Ländern.

Büllingen kann diese Rechnung nicht nachvollziehen. 14 Millionen deutsche Haushalte besitzen seinen Berechnungen zufolge einen Breitbandanschluss. Damit seien rund 36 Prozent der insgesamt 39 Millionen Haushalte versorgt - mithin mehr als dreimal so viel, als von der Initiative D21 angegeben. Büllingen vermutet politische Gründe, deretwegen "Deutschland schlechter geredet wird". Erwähnt werden sollte allerdings, dass Büllingens Institut sich ebenfalls um die Abfassung der von Micus erstellten Studie für das BMWi beworben, den Zuschlag aber nicht erhalten hatte.

Um die wirtschaftlichen Vorteile einer flächendeckenden Breitbandversorgung zu skizzieren, bemühte D21-Sprecher Ganswindt noch einmal das Beispiel Skandinavien. Hier würden wesentlich mehr Arbeitnehmer zu Hause arbeiten, also als so genannte Home-Office-Worker an Telearbeitsplätzen ihrer Beschäftigung nachgehen. Dadurch könnten Unternehmen erhebliche Kosten einsparen, weil sie weniger Miete für Büroräume zahlen müssten und die witterungsbedingten Fehlzeiten von Arbeitnehmern gering blieben. Dies steigere die globale Wettbewerbsfähigkeit der skandinavischen Unternehmen. Ganswindt sagte nicht, ob deutsche Arbeitgeber solch ein Telearbeitskonzept auf breiter Front unterstützen würden. In vielen Fällen sind Unternehmen skeptisch, weil sie fürchten, die Kontrolle über ihre Beschäftigten zu verlieren.

Staatssekretär Pfaffenbach betonte, dass "Breitband eine wesentliche Basisinnovation mit erheblichen positiven Auswirkungen für die Gesamtwirtschaft" sei. Geschäftsmodelle, Prozesse sowie Hard- und Softwaretechnologien seien darauf neu auszurichten. Die Bundesregierung will nach den Worten von Pfaffenbach bis Ende 2008 immerhin 98 Prozent aller deutschen Haushalte mit einem Breitbandzugang versorgt wissen.

Büllingen forderte, man dürfe die zwei Prozent - immerhin knapp 800 000 Haushalte - nicht im Regen stehen lassen. Er kritisierte, es gebe noch zu viele weiße Flecken auf der Landkarte, für die eine angemessene Breitbandversorgung nicht gewährleistet sei. Der von der Initiative D21 im vergangenen Jahr vorgestellte Breitbandatlas bestätigt den Kritiker: Beispielsweise verfügt Mecklenburg-Vorpommern in weiten Teilen über keine Breitbandanschlussoptionen.

Wenn sich also, wie Bitkom-Vizepräsident Bonn argumentierte, "gerade für kleine und mittelständische Unternehmen durch die zunehmende Breitbandnutzung erhebliche Marktchancen ergeben" sollen, dann sollten auch die verbleibenden zwei Prozent nicht einfach hingenommen werden. Gerade auch bei Kleinstunternehmen schlummert laut Bonn "erhebliches Potenzial". Verfügten diese aber nicht über die neuesten und schnellsten Kommunikationsanbindungen, sei es um ihre Konkurrenzfähigkeit schlecht bestellt.

Positiv werteten die Partner der deutschen Breitbandinitiative (Initiative D21, BMWi und Bitkom), dass der Wettbewerb in diesem Segment in Deutschland erheblich zugenommen habe. Pfaffenbach sagte, mittlerweile besäßen Telekom-Konkurrenten einen Marktanteil von 40 Prozent im Segment der Breitbandanbieter. (jm)