Umstellung auf Client-Server Kfz-Hersteller passt IT-System an seine Geschaeftsprozesse an Von CW-Mitarbeiter Lorenz Winter

22.07.1994

PARIS - Fast 85 Prozent aller Topmanager sind laut einer Arthur- D.-Little-Studie von Re-Engineering-Projekten enttaeuscht. Schuld daran tragen nach Meinung der Fuehrungskraefte vielfach die IT- Abteilungen, die fuer die beabsichtigte Reorganisation der Geschaeftsprozeduren unzulaengliche Konzepte und Instrumente bereitstellen. Zu den wenigen Erfolgreichen, die aus der Umorganisation Nutzen ziehen, gehoert Matra Automobile, einer der neun Bereiche des franzoesischen Mischkonzerns Lagardere Groupe.

Erste Ueberlegungen zum Re-Engineering der Division stellte das Matra-Management im Sommer 1992 an. "Wir erkannten damals, dass unser IT-System technisch ueberholt und zu unzuverlaessig war. Es unterstuetzte zudem die neuen geschaeftspolitischen Erfordernisse nur mangelhaft", erlaeutert Verwaltungschef Francois Lefevre. Zu diesen Notwendigkeiten gehoeren im verschaerften Wettbewerb der Automobilbranche vor allem Kostendaempfung, Termintreue und Reduzierung der Ausschussquote.

Im Februar 1993 genehmigte der Vorstand der Muttergesellschaft Konzept und Budget des vom Matra-Management vorgelegten Re- Engineering-Projekts. Die Kosten wurden auf knapp 4,5 Millionen Mark ueber drei Jahre hinweg veranschlagt. Davon entfielen drei Prozent auf die Information und Schulung der mit dem neuen System vertraut zu machenden Mitarbeiter.

Heute, zwoelf Monate spaeter, "haben wir bereits gut die Haelfte des Projektumfangs verwirklicht", berichtet PPS-Leiterin Olga de Guisbert. Bei der Hardware wurde dabei ein Mainframe des Typs 370/4381 durch sieben HP-Server ersetzt. Als Clients fungieren 40 CAD-Stationen von Silicon Graphics und 200 Workstations von Sun.

Das neue IT-System bei Matra ist der Matrix-Struktur der sechs Direktionsbereiche angepasst. Auf der horizontalen Achse der Matrix sind die Entwicklungs-, die Einkaufs- und die Fertigungsleitung angesiedelt. Sie sind durch vertragsaehnliche Regelungen dazu verpflichtet, etwa die Spezifikationen einer neuen Modellgeneration zu schreiben (Entwicklung), Kosten- und Qualitaetsnormen zu erlassen und die guenstigsten Bezugsquellen zu suchen (Einkauf) sowie einen bestimmten Tagesausstoss mit einer moeglichst geringen Fehlerquote zu garantieren (Fertigung). Projekt-, Qualitaets- und Finanzdirektion befinden sich auf der vertikalen Achse der Unternehmensmatrix und ueberwachen die Einhaltung der Vertragsbedingungen.

Die gesamte Client-Server-Installation laeuft unter Unix. Eine SQL- Datenbank von Sybase hat die DL/1 von IBM abgeloest. Fuer den Arbeitsplatzbereich adaptierte HP fuer Matra Automobile seinen "Workmanager"; intern stellte die IT-Abteilung zudem noch ein neues alphanumerisches Entwicklungs-Tool her. Nach Auskunft von de Guisbert ist die Migration aller Daten von der alten auf die neue Plattform vollzogen; Struktur und Adressierbarkeit des Kerns der Datenbank wurden dabei modifiziert. Alle Anwenderprogramme schrieb das Projektteam neu. Verwaltungschef Lefevre schaetzt, dass damit schon jetzt rund 40 Prozent mehr Geschaeftsvorgaenge informationstechnisch abgedeckt werden als vor zwei Jahren. In der Schlussphase soll - bei konstantem IT-Budget - eine Uebersicht ueber alle Unternehmensvorgaenge moeglich sein.

Ein relativ hoher Teil der Kosten und technischen Ressourcen der neuen Plattform wurde fuer die Entwicklung grafischer Benutzeroberflaechen aufgebracht, betont Projektleiterin de Guisbert: "Dadurch wollten wir die Akzeptanz steigern und auch Mitarbeiter motivieren, die mit Routineaufgaben beschaeftigt sind."

Die Umorganisation brachte einen hoeheren Prozentsatz abgezeichneter Direktionsvertraege, verkuerzte Durchlaufzeiten vom Reissbrett bis zur Endauslieferung, zuverlaessigere Produktqualitaet mit geringeren Kosten und bessere Termineinhaltung.

Lefevre raeumt ein, dass das Zusammenspiel der Matrixstruktur als Ergebnis des Re-Engineerings wahrscheinlich deshalb so rasch Fortschritte gemacht habe, "weil wir es in dieser Division jeweils nur mit einem einzigen Produktmodell und bisher stets auch nur mit einem einzigen Kunden zu tun hatten". Auch komme den reorganisierten Geschaeftsprozeduren und der IT-Abteilung zugute, dass sie unter Aufsicht einer einzigen gemeinsamen Fuehrungsinstanz stehen.