Klassische DV-Schulung auf dem Abstellgleis

Umstellung auf Client-Server erfordert Mitarbeiter-Retooling

27.11.1992

ANAHEIM (hk) - Das klassische DV-Training hat ausgedient, der Trend geht in Richtung Just-in-time-Ausbildung am Arbeitsplatz. Diesen Standpunkt vertrat Elliot Masie, bekannt als Autor zahlreicher Bücher zum Thema DV-Schulung und Vordenker seiner Branche, auf der Synergy '92, der Jahrestagung der DV-Ausbilder im kalifornischen Anaheim.

Masie ist überzeugt, daß in Zukunft 90 Prozent der Ausbildung am Arbeitsplatz stattfinden werden. Es gehe nicht mehr um die Vermittlung bestimmter Techniken, sondern um die Frage, wie DV-Wissen unmittelbar in der täglichen Arbeit umgesetzt werden kann.

Eine mögliche Antwort hatte Alan Kay parat. Der Apple-Manager vertrat in seiner Eröffnungsrede den Standpunkt, daß Lernen von Anfang an Spaß bereiten müsse. Er verwies dabei auf eine Erfindung, woran er beteiligt war: die Macintosh-Benutzeroberfläche.

Es habe keinen Sinn, einem Teilnehmer zu Beginn eines Kurses Grundlagenwissen beizubringen; das wirke frustrierend, und es tauchten zu viele unnötige Fragen auf. Man müsse auf dem Niveau einsteigen, wo der Schüler Erfolgserlebnisse erzielen kann. Erst dann sollte man sich den Grundlagen nähern.

Daß die DV-Ausbilder in ihrem Tagesgeschäft mit anderen Problemen konfrontiert sind, zeigten die zahlreichen Diskussionsveranstaltungen, die insgesamt von etwa 1200 Teilnehmern besucht wurden. Eric Wood, DV-Trainer bei der Software AG in Boston, formulierte es so: "Unsere Aufgabe besteht darin, die Ängste der Kursteilnehmer in diesen Krisenzeiten zu verstehen und ihnen zu vermitteln, daß sie nach dem Training einen guten Job tun können."

In vielen Veranstaltungen war immer wieder die Rede von Outsourcing, Benutzerservice-Ausbildung und Mitarbeiter-Retooling. Mit letzterem meinen die Schulungsexperten die Ausbildung der Mitarbeiter, die aus einer Mainframe-Umgebung kommen und nun in einer Client-Server-Welt arbeiten sollen.

Auf die Frage eines Seminarleiters, wie viele Anwesende an einem Umstieg von Mainframe auf Client-Server-Architekturen beteiligt seien, meldeten sich etwa 90 Prozent; bei der Frage, ob es denn dafür auch ein Ausbildungskonzept gebe, hoben nur noch zehn Prozent die Hand.

Diese Trends bescheren den Schulungs-Managern trotz alledem gute Geschäfte, glaubt man den Aussagen auf der Synergy.

Lance Dublin, CEO der Dublin-Group, San Franzisko, kann die Euphorie vieler seiner Kollegen nicht teilen. Er glaubt - und damit knüpft er indirekt an Masie an -, daß im reinen Trainingsgeschäft nicht mehr das große Geld zu holen ist: "Der Manager eines Unternehmens hört, nicht gerne das Wort Weiterbildung, weil er an Kosten denkt; man muß ihm sagen, wie seine Mitarbeiter produktiver und effektiver werden." Deshalb versteht er sich in erster Linie als Berater und Architekt, erst an zweiter Stelle als Anbieter von Schulungen.