Ist der Aufschwung in der IT-Branche schon vorbei?

Umsatzwarnungen zuhauf - nur SAP ist obenauf

16.07.2004
MÜNCHEN (CW) - Die Erholung des US-amerikanischen IT-Markts scheint unterbrochen. Vielen Lieferanten gelang es im abgelaufenen Quartal nicht, die eigenen Erwartungen und die Prognosen der Wallstreet zu erfüllen.

Die Umsatz- und Gewinnwarnungen der vergangenen Wochen haben eines verdeutlicht: Auch die vom anhaltenden Wirtschaftsaufschwung verwöhnten US-amerikanischen Anwender investieren nur vorsichtig in neue IT-Lösungen. Betroffen von der Zurückhaltung waren in erster Linie Softwareanbieter, die in den letzten Juni-Tagen ihre einkalkulierten Vertragsabschlüsse nicht unter Dach und Fach brachten.

Der Trend, dass die Branchenkrise die "zweite Liga" der Anbieter wesentlich stärker trifft als die Großkonzerne, scheint anzudauern. Warnen mussten etwa Siebel, Peoplesoft, BMC und Veritas, wobei letztere Firma allerdings im Grunde zu den Konzernen gerechnet werden muss. Die Veritas-Aktie stürzte um 36 Prozent ab, etwa vier Milliarden Dollar Marktkapitalisierung lösten sich an einem Tag auf. Die Company blieb zirka 15 Millionen Dollar hinter der eigenen Umsatzprognose zurück, ihre Gewinnerwartungen wurden um 25 Prozent verfehlt.

Peoplesoft hadert mit Oracle

Unter die Räder gerieten an der Börse auch Peoplesoft und Siebel mit zweistelligen Kursverlusten - der eine ist nicht groß, der andere spezialisiert. Peoplesoft begründete die schwachen Zahlen mit Auswirkungen des feindlichen Übernahmeversuchs durch Oracle. Dadurch seien dem Unternehmen rund 30 Millionen Dollar an Umsätzen entgangen, argumentierte das Unternehmen. Karen Russillo, Analystin von Merrill Lynch, nennt hingegen den harten Preiskampf als Hauptgrund für die verfehlten Prognosen. Einen Zwang, Software zu kaufen, verspüren demnach nur wenige Anwender, berichtet die Analystin: "Wenn die Kunden nicht zum erhofften Preis kaufen können, warten sie eben auf das nächste Quartal."

Siebel führte außer "verschobenen Kaufentscheidungen" keine spezifischen Gründe für die schleppende Entwicklung an. Das Unternehmen reibt sich zwischen SAP am oberen Ende und dem Börsenneuling Salesforce.com am unteren Ende auf. Siebels Lizenzumsatz bewegt sich inzwischen auf dem Niveau des ersten Berichtszeitraums 1999. "Das Quartal verlief enttäuschend", kommentierte der seit Mai amtierende CEO Mike Lawrie die Zahlen - allerdings gilt dies nicht nur für Siebel allein, sondern für viele Softwerker, die auf einen nachhaltigen Aufschwung der IT-Branche gesetzt haben. Nun sind erneut die Controller gefordert, die Kosten und die Einnahmen in Einklang zu bringen.

Die Flut der Umsatzwarnungen setzte auch die Walldorfer SAP unter Druck, eigene Zahlen zum zweiten Quartal früher als geplant zu veröffentlichen. Diese fielen gemessen am Wettbewerb solide aus und lagen zudem über den Erwartungen der Analysten. Der Kurs der Aktie stieg folglich an, nachdem er in den Vortagen aufgrund von Spekulationen über eine Warnung verloren hatte. Im zweiten Quartal gelang den Walldorfern ein Umsatzzuwachs um neun Prozent, die Lizenzeinnahmen expandierten gegenüber dem Vorjahreszeitraum sogar um 15 Prozent. Auch das Ergebnis konnte verbessert werden. (ajf)