Umorganisation fordert Akzeptanz der Mitarbeiter Die Platzhirsche muessen beim Re-Engineering Terrain abgeben

27.05.1994

Von Guenther Grassmann*

Fuer das Gelingen einer Geschaeftsprozessoptimierung spielen die Mitarbeiter eine enorm wichtige Rolle. Nur wenn auch Fuehrungskraefte bereit sind, neue Aufgaben zu uebernehmen oder Bereiche abzugeben, koennen die Konzepte greifen. Denn ohne eine breite Akzeptanz im Unternehmen sind solche Plaene zum Scheitern verurteilt.

Wenn das Management in Klausur geht, einen Plan fuer die Optimierung der Geschaeftsprozesse im stillen Kaemmerlein erarbeitet und den unvorbereiteten Mitarbeitern einen Katalog von Restrukturierungsmassnahmen verkuendet, ist der Fehlschlag programmiert. Bei einer grundlegenden Umorientierung kommt es massgeblich darauf an, fruehzeitig im Fuehrungskreis und bei den Mitarbeitern eine breite Akzeptanz zu schaffen. Nur so laesst sich eine Restrukturierung erfolgreich realisieren, die dem Unternehmen letztlich zu erhoehter Wettbewerbsfaehigkeit verhelfen soll.

Schon waehrend der Konzeption gilt es, ueber die Ziele, Absichten und Ideen zu diskutieren. Die Verantwortlichen sollten versuchen, umfassendes und ungefiltertes Feedback mit repraesentativem Charakter zu provozieren. Das Management ist aufgerufen, die vielfaeltigen Verbesserungsvorschlaege zu nutzen.

Am Anfang des Projekts muessen die eingefahrenen Denk- und Verhaltensmuster systematisch erfasst und analysiert werden, um die Chancen fuer den Strukturwandel erkennen und nutzen zu koennen. Erfolg oder Misserfolg der Reformer haengen ganz wesentlich davon ab, wie gut die Interessenkonstellationen im Unternehmen ausgelotet wurden. Es muss klar ersichtlich sein, wer die potentiellen Gewinner und Verlierer nach einer Strukturaenderung sind.

Bereits in dieser fruehen Phase empfiehlt sich die Erstellung einer methodischen Kulturdiagnose, die Aufschluss ueber offizielle und informelle Informationswege gibt, ueber die Fuehrungs-, Kommunikations- und Konfliktkultur. Organisationen sind lebende Organismen, die evolutionaer gewachsen und mit differenzierten Wertvorstellungen verbunden sind, die nicht ohne hinreichende Vorbereitung und Sensibilisierung umgekrempelt werden koennen. Kulturschocks stellen den Erfolg ganzer Fitnessprogramme grundsaetzlich in Frage und sind deshalb zu vermeiden.

Vielen Mitarbeitern des Unternehmens faellt es schwer, zu einer Standortbestimmung beizutragen, da ihnen zumeist eine einseitige Interessenlastigkeit unterstellt wird. Selbst Personalabteilungen haben oft keine Chance, diese Systemgrenzen zu ueberwinden. Deshalb lassen sich viele Betriebe von einem externen Beraterteam helfen.

Eine der wichtigsten Herausforderungen fuer das Topmanagement besteht darin, in bestehenden Organisationen potentielle Multiplikatoren mit positiver Einstellung fuer die Restrukturierung ausfindig zu machen. Diese "revolutionaere Zellen", die als Vorbilder fungieren, sollten sich auf allen Hierarchieebenen finden. Ihre Aufgabe ist es, die anderen Mitarbeiter zu motivieren und zu unterstuetzen, um schliesslich die gewuenschte Tiefen- und Breitenwirkung zu erzielen.

Die Praxis hat gezeigt, dass diese Methode nach dem Prinzip der positiven Lawineneffekte eine hohe Erfolgsquote aufweist. Eine gezielte Unterstuetzung der revolutionaeren Zellen muss mindestens so lange erfolgen, bis ein Grossteil des Personals von dem neuen Unternehmenskonzept ueberzeugt ist.

Die beschriebene Methode mag einleuchtend sein und einfach erscheinen. Indes gibt es vieles zu beachten. Das Management sollte notfalls Druck ausueben und vor Entlassungen nicht zurueckschrecken. Platzhirsche und maechtige Fuersten duerfen sich nicht gegen die Neuerungen stemmen. Besonders beim mittleren Management besteht die Gefahr, dass Feedbback weder umfassend noch repraesentativ nach oben transparent wird.