Objektive Projektschätzung löst Abteilungshader:

Umfeldanalyse fährt zu korrekten Werten

16.11.1984

Nicht selten befinden sich die Bereiche Projektleitung und Vertrieb über das Resultat einer DV-Aufwandsschätzung miteinander Im Clinch. Neigt doch das Projektmanagement meistens dazu, den Aufwand eher zu überschätzen, während Vertriebsstrategen oder entsprechende Budgetstellen weitaus knappere Ergebnisse errechnen. So ist der Wunsch nach einem, objektiven" Verfahren verständlich" Bernd Götz, Manager Professional Development bei der Cap Gemini Deutschland GmbH, München, machte sich Gedanken über grundlegende Faktoren zur Aufwandsschätzung Im Bereich der Softwaresystementwicklung und der DV-Umstellung.

Es scheint, daß jeder Unternehmer ein eigenes Geheimrezept besitzt, wenn der Aufwand eines DV-Projektes zu schätzen und bei einer bestimmten Anzahl Manpower der Anfangs- und Endtermin definitiv zu planen ist. Dabei ist dies eine immer, wiederkehrende Aufgabe, die täglich von Vertriebsleuten bei der Erstellung von Angeboten, von Projektleitern bei der Planung ihrer Projekte und vom Management bei der Kontrolle der Zeiten und Kosten zu bewältigen ist.

Methodenauswahl bereitet Kopfzerbrechen

So unterschiedlich die Ziele der (...) genannten Parteien auch scheinen mögen, sitzen doch alle im selben Boot bei dem Problem, zur richtigen Schätzungsmethode zu greifen. Denn spätestens bei der Durchführung des Projektes zeigt sich die Richtigkeit der Vorhersagen.

Aus der Problematik, in einem großen DV-Dienstleistungsuntemehmen täglich verbindliche Angebote über die Durchführung von DV-Projekten zu erstellen, entstanden bereits früh Systeme zur Aufwandsschätzung von Projekten im Bereich der Softwaresystementwicklung und der Conversion (EDV-Umstellungen).

Eine Grundvoraussetzung dieser Systeme ist eine bewährte Methodik im jeweiligen Bereich, die alle Phasen und Aktivitäten mit ihren Abhängigkeiten wohldefiniert. Dies sind etwa bei Cap Gemini die SDM (System Development Methodology) (...) die SCM (System Conversion Methodology).

Die Schätzungssysteme verfolgen drei Ziele:

- die Definition des Umfanges und der Komplexität des Projektes, 0 eine objektive Messung vor, während und nach der Realisierung,

- die Sammlung von normativen Daten für zukünftige Schätzungen.

Für alle Phasen eines Projektes wurde der Aufwand einer jeden Phase in Abhängigkeit von der Anzahl der "funktionalen Einheiten" definiert, also beispielsweise

- Anzahl der zu spezifizierenden Funktionen

- Anzahl der zu realisierenden Programme,

- Anzahl der umzustellenden Einheiten (Programme, Jobs, Dateien).

Programmfunktionen beeinflussen Komplexitätsfaktoren

Diese Faktoren werden weiterhin in verschiedene Komplexitätskategorien unterteilt. Durch Anwendung von statistisch ermittelten - Produktivitätsfaktoren auf jede dieser Kategorien, wird der geschätzte Gesamtaufwand jeder Phase des Projektes berechnet. Komplexitätsfaktoren für die Softwareentwicklung werden dabei unter anderem in Abhängigkeit der Datentypen und der elementaren Funktionen eines Programmes gebildet. Bei EDV-Umstellungen klassifizieren die Komplexitätskategorien Gruppen wie Batch- und Online-Anwendungen oder Programmiersprachentypen.

Die Produktivitätsfaktoren selbst sind wiederum abhängig von sogenannten Qualifizierungsfaktoren wie etwa die Qualität der EDV-Umgebung, dem Ausbildungsniveau des Projektteams bezüglich des projektspezifischen Know-hows, die Verfügbarkeit und Qualität von Werkzeugen, aber auch des Zeitdruckes, unter der das Projekt durchgeführt werden soll.

Ein solches System lebt durch den Feedback aus den Projekten. An eingeplanten Zeitpunkten des Projektes, insbesondere am Ende, werden deshalb die realisierten funktionalen Einheiten und die realisierten Aufwandswerte erfaßt und in das System eingebracht..

Ein spezieller Fall ist das Vorgehen bei der Schätzung eines Conversion Projektes: Die Aufwandsschätzung vor Projektbeginn zum Zeitpunkt der Angebotserstellung geschieht anhand der oft nur grob vorliegenden Mengengerüste und den Komplexitäten aus den bisherigen Projekten ermittelten Mittelwerten für Produktivitätsfaktoren.

Die erste Phase eines Conversion-Projektes ist die Conversion-Studie, in der alle umzustellenden Einheiten genau erfaßt und die aktuellen Komplexitäten und Qualikationsfaktoren ermittelt werden. Ein Ergebnis der Umstellungsstudie ist eine zweite Aufwandsschätzung mit diesen aktuellen Werten. Erfolgreiche und termingerecht abgeschlossene Großprojekte im Bereich Conversion bestätigen die Korrektheit dieser Schätzungsmethodik.