Standardisierung gefährdet Projektgeschäft
Der Trend zur Cloud und zu As-a-Service-Modellen ist eine folge davon, dass sich Anwenderunternehmen häufiger mit Standardlösungen begnügen. Sie akzeptieren funktionale Einschränkungen, wenn die Installationen stattdessen pflegeleicht, weniger personalintensiv und günstig sind. Das wird vor allem die System-Integratoren treffen, die in der Vergangenheit viel Geld mit individuellen Anpassungsarbeiten verdient haben. "Früher haben wir SAP-Projekte für Großkunden betrieben, die mit beispielsweise fünf Millionen Euro dotiert werden. Wenn wir heute eine SaaS-Lösung etwa von Salesforce.com integrieren, sind das Projekte im Wert von sagen wir mal 200 000 Euro", beschreibt Paul Hermelin, CEO von Capgemini, die Veränderung.
Zwar erwartet Forrester zunächst noch einen Anstieg der Umsätze mit klassischen IT-Dienstleistungen, doch im Lauf des Jahres 2012 soll der Scheitelpunkt dieser Entwicklung erreicht sein. Der Gesamtmarkt wächst weiterhin ordentlich (siehe Grafik), die Umsätze verschieben sich aber zusehends zu On-Demand- und Cloud-Angeboten. Gefragt sind künftig Standarddienste aus dem Baukasten und der IT-Wolke. Die dann noch nötigen Integrationsaufgaben haben nicht mehr die Anpassung von ERP- und CRM-Software an die Prozesse der Anwenderunternehmen zum Ziel, sondern die Anbindung von Public- und Private-Cloud-Diensten an vorhandene IT-Installationen. Dafür müssen die Beratungshäuser rechtzeitig ihr Portfolio umbauen und Know-how bei den Mitarbeitern aufbauen.
- Paul Hermelin, CEO der Capgemini-Gruppe
Paul Hermelin, CEO der Capgemini-Gruppe, sprach mit CW-Redakteur Joachim Hackmann darüber, welche Herausforderungen Cloud Computing, Business Analytics, Mobility und der Fachrkräftemangel für IT-Service-Provider bereit halten. - Paul Hermelin über das Cloud Computing
Mit dem Cloud-Modell können Unternehmen den IT-Einsatz und die dadurch entstehenden Kosten transparent darstellen. Deswegen wird es einen großen Hunger nach Private-Cloud-Installationen geben. - Paul Hermelin über das Cloud Computing
Wir haben uns natürlich die Frage gestellt: Steigen wir in das Geschäft mit Infrastruktur-Leistungen aus der Cloud ein, oder konzentrieren wir uns auf die Rolle als Cloud-Broker? Angesichts der enormen Investitionen in Cloud-Dienste erschien es anfangs als unausweichlich, dass Capgemini sich auf die Rolle als Cloud-Broker konzentriert. - Paul Hermelin über das Cloud Computing
Es hat sich aber herausgestellt, dass wir Server von großen Anbietern wie HP, Cisco und IBM zu solch günstigen Konditionen einkaufen können, dass wir Cloud-Service absolut wettbewerbsfähig betreiben können. - Paul Hermelin über das Cloud Computing
Bevor Cloud Computing und on-Demand auf dem Markt kamen, haben Unternehmen für jeden Euro, den sie für eine Softwarelizenz bezahlten, weitere vier Euro für die Integration ausgegeben. Nun lautet die entscheidende Frage für uns: Was bleibt uns vom Kuchen? - Paul Hermelin über künftige Integrationsprojekte
Es zeigt sich, dass Bereiche innerhalb eines Unternehmens unabhängig voneinander SaaS-Lösungen anschaffen. Durch diese Entwicklung ergeben sich neue Integrationsaufgaben, da die unterschiedlichen Applikationen irgendwann wieder unter einem Dach zusammen geführt werden müssen. - Paul Hermelin über künftige Integrationsprojekte
Je mehr SaaS-Lösungen angeschafft werden, desto mehr Projekte fallen an. In Summe wächst also der Bedarf. Ich betrachte die Entwicklung in der IT-Servicewelt alles andere als pessimistisch. - Paul Hermelin über künftige Integrationsprojekte
Eine weitere große Triebfeder für Integrationsprojekte ist heute Mobility. Mehr und mehr Mitarbeiter haben heutzutage beispielsweise einen iPad. Für uns und unsere Kunden geht es darum, die Mobility Anforderungen richtig umzusetzen und einen Nutzen daraus zu ziehen. - Paul Hermelin über Business Analytics
Gerade in Deutschland wird Business Analytics durch den Vorstoß den SAP mit seiner in-Memory-Appliance „Hana“ heftig diskutiert. Es gibt so viele ungenutzte Daten in der IT-Welt. Wenn Anwender nicht vor der Datenflut kapitulieren wollen, brauchen Sie derartige Funktionen. - Paul Hermelin über den Fachkräftemangel
Wir brauchen mehr Absolventen, mehr Absolventen, mehr Absolventen. Für die europäischen Länder stellt sich die Herausforderung, mehr in Ausbildung zu investieren. Hier hat Europa enorme Defizite. In Indien verlassen jedes Jahr 350 000 IT-Spezialisten die Universität. In Deutschland nehmen zurzeit gut 38 000 Schulabgänger ein Informatik-Studium auf.
Insgesamt reduziert der Schwenk zu Standarddiensten den Aufwand für Einführungs- und Anpassungsarbeiten erheblich, und auch der Betreuungsaufwand wird mittelfristig schwinden. Forrester schätzt, dass die Maintenance-Kosten im SaaS-Umfeld um 60 bis 70 Prozent unter denen von traditionellen Softwarelösungen liegen.
"In unserer weltweiten Supply-Chain gibt es erste Anzeichen dafür, dass der Höhepunkt im Auslagern dieser traditionellen Mustern folgenden Softwarelösungen möglicherweise überschritten ist", formuliert es Gregor Pillen, Leiter der Unternehmensberatung IBM Global Business Services Deutschland, vorsichtig. "Reine ERP-Integrationsaufgaben werden weniger, weil immer mehr Shared Services und Cloud-Dienste nachgefragt werden. Die Auswirkungen schlagen sich vor allem bei den nachgefragten Skills unserer Mitarbeiter nieder. Wir müssen unsere Ressourcen zunehmend zu Themen wie Smarter Planet und Smarter Grid verschieben."