Um die enormen Summen aufzutreiben, die für die Entwicklung komplexer Systeme der vierten Generation nötig sind, müssen die IBM-Mitbewerber bereits einige Klimmzüge machen. Als "eine glückliche Fügung" bezeichnet denn auch John Roscoe Bennett, Vorstandsv

02.05.1986

Um die enormen Summen aufzutreiben, die für die Entwicklung komplexer Systeme der vierten Generation nötig sind, müssen die IBM-Mitbewerber bereits einige Klimmzüge machen. Als "eine glückliche Fügung" bezeichnet denn auch John Roscoe Bennett, Vorstandsvorsitzender der Applied Data Research Inc. (ADR), im nachhinein die Fusion des US-Softwarehauses mit der amerikanischen Telefongesellschaft Ameritech (CW Nr. 48/85, Seite 1). Im vergangenen Jahr war die gesamte Umsatzentwicklung seines Unternehmens mit einer Steigerungsrate von lediglich 17 Prozent weit hinter den erwarteten 30 Prozent zurückgeblieben: 150 000 US-Dollar Umsatz zeigte die Bilanz 1985.

Insbesondere im Datenbankbereich lag der Anbieter mit einem prognostizierten Zuwachs von 50 Prozent eklatant daneben. Gewohnt an die seit Jahren anhaltende überdurchschnittliche Umsatzsteigerung in diesem Sektor, kam 1985 die kalte Dusche völlig unerwartet: 27 Prozent konstatierten die US-Mannen am Ende des Geschäftsjahres.

So kam der ADR nach Worten Bennetts "das Angebot der Telefon-Company im September 1985 gerade recht". Die kapitalkräftige US-Mutter im Rücken, hofft Bennett nun in der neuen Konstellation auf Anschluß an die Erfolge der Vergangenheit. Bereits 1988 soll ein Umsatz von 350 Millionen Dollar erreicht werden.

Konzentration auf Schlüsseltechnologien und vor allem "Kompatibilität mit IBM" heißt dabei die generelle Unternehmensphilosophie der ADR. So planen die Softwerker, ihre Datenbankprodukte DB2-kompatibel zu gestalten und dem Anwender durch Weiterentwicklung von Migration-Aids einen Wechsel auf DB-Systeme der vierten Generation zu erleichtern. Auch das ADR-Anwendungsentwicklungssystem "Ideal" soll bald so modifiziert werden, daß der Benutzer die Query-Sprache SQI als Output generieren kann.

Daß die gesteckten Ziele ohne den Zusammenschluß mit einem finanzkräftigen Partner nur schleppend hätten realisiert werden können, war in den Chefetagen des SW-Anbieters offensichtlich. "Dem 17prozentigen Wachstum stand ein Kostenanstieg von 30 Prozent gegenüber", gibt Bennett heute unumwunden zu. "Um die Investitionen in Forschung und Entwicklung zu sichern, hätten wir eventuell neue Altie ausgeben oder Bankkredite aufnehmen müssen." So aber werde mit Sicherheit die Ameritech, die den 215-Millionen-Dollar-Kauf selbst als eine finanziell unbedeutende Transak- tion bezeichne, das ADR-Budget für Forschung und Entwicklung mit einigen Millionen Dollar aufpolstern.

Bei der ADV/Orga F. A. Meyer AG zeigte das DB2-Announcement des Branchenprimus nach Worten von Vorstandsmitglied Jürgen Schoon bislang keine Auswirkungen. "Für uns, die wir seit zehn Jahren mit der IBM im Wettbewerb stehen, ist die Situation unverändert."

Gleichwohl mußten auch die Wilhelmshavener bei Datenbankprodukten im letzten Geschäftsjahr einen erheblichen Rückgang der Zuwachsrate in Kauf nehmen. Zwar steigerten die Softwerker ihren DB-Umsatz um gut 20 Prozent von 13,4 auf 16,2 Millionen Mark, doch nimmt

sich diese Zahl gegenüber den rund 70 Prozent Zuwachs im Geschäftsjahr 83/84 (7,8 auf 13,4 Millionen Mark) relativ bescheiden aus. Schoon sieht das weniger drastisch: "Die Branche kehrt halt zu normalen Wachstumsraten zurück."

Daß die Mitbewerber der DB-Offensive des Branchenriesen schnell etwas entgegensetzen müssen, ist den meisten Verantwortlichen bewußt. Verzeichneten doch die einschlägigen Anbieter bei ihren DB-Verkäufen im vergangenen Jahr fast ausnahmslos sinkende Zuwachsraten. "Man kann nicht mehr so tun, als wäre man immer noch besser als die IBM", konstatiert Martin Forster, Marketingleiter der Cincom Systems GmbH, Frankfurt. "DB2 hat neue Standards gesetzt, an denen sich heute jeder Mitbewerber messen lassen muß.

So investierte beispielsweise Cincom in den letzten fünf Jahren über 50 Millionen Dollar in Forschung und Entwicklung, im Durchschnitt etwa 23 Prozent des jährlichen Umsatzes. "Dieser Status ist aber auf Dauer nicht zu halten", bekennt der Frankfurter Manager, "wir brauchen mehr Kapital." Mit der Entwicklung des neuen Datenbankmanagementsystems "Supra" könne sich das Unternehmen nur etwa zwei Jahre lang gegenüber der IBM behaupten.

Rund 250 Millionen Dollar will Cincom-Gründer Thomas Nies deshalb bis spätestens 1995 jährlich in die Software-Entwicklung pumpen. Zur Kapitalbeschaffung trägt sich der DV-Pionier mit dem Gedanken, 1987 mit seinem Unternehmen an die Börse zu gehen. Nies: "Die Zeit dafür ist reif."