Einführung und Problematik aus der Sicht eines Beraters:

Überspitzte Erwartungen hemmen PMS-Erfolg

20.09.1985

Die meisten Projekte sind wegen ihres Umfangs und ihrer Komplexität ohne DV-Unterstützung nur schwer zu handhaben. Da man in der Regel noch mehrere Projekte parallel abzuwickeln hat, ist in fast allen Bereichen ein steigender Trend zum Einsatz von Projektmanagement-Systemen zu erkennen. Doch hier liegt noch vieles im argen.

Leider werden bei der Auswahl und Einführung derartiger Verfahren viele Fehler gemacht Die Folge sind hohe Kosten und ein langwieriger Prozeß, bis es schließlich zum Einsatz eines Projektmanagement-Systems kommt. Aber nicht genug damit, auch beim ersten Einsatz wer den noch Fehler gemacht, die sich im ungünstigsten Fall gar nicht oder aber nur mit einem erheblichen Zusatzaufwand beseitigen lassen Erfahrungsgemäß läßt sich feststellen, daß sämtliche Fehler, die man machen kann, leider auch systematisch gemacht werden .

Als Ergebnis existiert dann zwar ein phantastisches Projektmanagement-System, andererseits aber auch die Gewißheit, daß es nicht optimal genutzt werden kann. Die Schuld fällt natürlich dem System zu Scheinbar gibt es nur eine Alternative - man läßt das System verkümmern. Als Fazit kann man also sagen: "Außer Spesen nichts gewesen"

Diese unnötigen Kosten und das unbefriedigende Ergebnis lassen sich durch die Einhaltung einfacher Spielregeln vermeiden:

- Die Organisation von Auswahl und Einführung eines Projektmanagement-Systems muß stimmen.

- Für eine systematische und zielgerichtete Vorgehensweise ist zu sorgen.

Es stellt sich die Frage, wie im Normalfall die Auswahl und Einführung eines Projektmanagement-Systems abläuft. Ein Beispiel: Der leitende Angestellte X sieht bei einem Besuch der Firma Y, daß dort ein Projektmanagement-System im Einsatz ist. Selbstverständlich wird ihm das Verfahren vorgestellt, und die Vorzuge werden überschwenglich gepriesen. Also beauftragt Herr X einen Mitarbeiter seiner Firma ebenfalls, ein Projektmanagement-System auszuwählen und einzuführen. Im günstigsten Fall hatte sich dieser Mitarbeiter bereits mit der Thematik befaßt - meistens leider nicht. Also beginnt er als Einzelkämpfer mit seiner Arbeit.

Nach und nach stellt sich heraus, daß der Mitarbeiter überfordert ist. Die Verantwortung wird einem anderen übertragen. Dieser beginnt wieder bei Null, da er eine andere Vorgehensweise bevorzugt. Auf diese Art und Weise dauert die Auswahl und Einführung eines Projektmanagement-Systems oft Jahre.

Im Laufe der Zeit ranken sich außerdem Gerächte, Falschmeldungen und Vorurteile um die laufende Planung. Die Folge ist entweder eine generelle Ablehnung des Verfahrens ("So etwas brauchen wir nicht") oder im günstigsten Fall eine Annahme des Verfahrens unter vielen Vorbehalten ("Das kann bei uns nicht funktionieren!"). Die Gründe liegen meistens in der Unkenntnis über die laufende Planung.

Offene Teamarbeit minder Akzeptanzprobleme

Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet die Teamarbeit mit offener Planung. Die Große des Teams sollte drei bis fünf Personen nicht übersteigen, wobei es sich im wesentlichen aus Vertretern der zukünftigen Nutzer des Projektmanagement-Systems zusammensetzen sollte.

Einen entscheidenden Einfluß den Erfolg der Teamarbeit hat der "neutrale Moderator". Er muß einerseits das notwendige Know-how haben, andererseits das methodische Vorgehen beherrschen. Für das Team ist die Planung ein "Fulltime-Job".

Alle Aktivitäten des Teams sollten jedermann zugänglich sein. Es zahlt sich aus, interessierte Mitarbeiter lieber einmal zuviel als einmal zuwenig zu informieren. Die Zeit, die damit verbracht wird, macht sich langfristig bezahlt. Es erhöht die Motivation und mindert die Gefahr, daß das Projektmanagement-System bereits vor seiner Einführung auf Widerstand stößt beziehungsweise abgelehnt wird.

Eine weitere Maßnahme, die sich als sehr sinnvoll erwiesen hat, ist die Einsetzung eines Beratungsausschusses, der dem Team zur Seite steht. Dies verhindert, daß sich die Projektgruppe bei ihrer Arbeit verzettelt, erhöht aber zugleich auch wieder die Transparenz der Planung.

Um neben den künftigen Anwendern auch das Management einzubinden und die Realisierung des Planungsergebnisses durchsetzen zu können, wird ein Entscheiderkreis benötigt, dem die relevanten Vertreter des Managements angehören müssen.

Hält man sich an diese Konstruktion aus Planungsteam, Beratern und Entscheidern, kann in kürzester Zeit an von allen Seiten akzeptiertes Ergebnis erarbeitet werden.

Ausgangsbasis für die Auswahl eines geeigneten Projektmanagement-Systems muß eine eindeutige und abgestimmte Zielsetzung sein. Dies ist für die gesamte Planung und erst recht für das Ergebnis der Prüfstein, an dem alles gemessen wird. Methodisch bietet sich hierfür das Prinzip der "Zielpyramide" oder "Zielhierarchie" an.

Wegen der Vielzahl der angebotenen Systeme ist es sinnvoll, zunächst Mindestanforderungen festzulegen, damit die Zahl der zu beurteilenden Verfahren reduziert wird.

Für die detaillierten Betrachtungen wird nun ein Kriterienkatalog erstellt.

In dem Artikel "PPS-Systeme auf dem Prüfstand" aus der COMPUTERWOCHE Nr. 26,27/85 wurden dieses Auswahlverfahren und mögliche Kriterien bereits ausführlich beschrieben. Der Kriterienkatalog muß prinzipiell die Forderungen der Zielsetzung widerspiegeln.

Beim methodischen Vorgehen liegt der nächste Schritt in der Gewichtung der Beurteilungskriterien, was beispielsweise mit Hilfe des "paarweisen Vergleichs" geschehen kann. Für den eigentlichen Auswahlprozeß empfiehlt sich die "Faktorentechnik" oder die "Multifaktorentechnik", die ein relativ objektives Ergebnis liefern.

Kostenaspekte beeinflussen die Entscheidung

Für die Entscheidung selbst, welches Verfahren einzuführen ist, sollten die Kosten getrennt betrachtet werden. In den meisten Fällen wird es sich nämlich zeigen, daß zwei oder drei Verfahren in der Bewertung relativ dicht beieinanderliegen. Dann ist eine genaue Betrachtung des Preis/Leistungs-Verhältnisses von besonderer Bedeutung.

Die Entscheidung für ein bestimmtes Verfahren bleibt in diesem Stadium noch vorläufig, da die Betrachtung der Projektmanagement Systeme bisher im wesentlichen theoretisch war. Zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Systems und zur Beantwortung der Frage, ob das Verfahren den Anforderungen gerecht wird, bieten die meisten System-Hersteller die Möglichkeit einer Testinstallation.

Die Zeit, die zwischen der Entscheidung und der Installation liegt, läßt sich nutzen, um sich Gedanken darüber zu machen, wie das Projektmanagement-System später eingesetzt werden soll.

Verschiedene Konzepte sind auszuarbeiten, wobei die ursprüngliche Zielsetzung nicht aus den Augen zu verlieren ist. Die primäre Frage ist immer wieder: "Was soll mit der geplanten Maßnahme meines Konzeptes erreicht werden?" Auf diese Art und Weise gelangt man zu einem Grobkonzept, dessen Detaillierung erst beim späteren Einsatz des Verfahrens erarbeitet werden sollte. Wichtig ist es aber, sich zu diesem Zeitpunkt bereits über die wesentIichsten Punkte Klarheit zu verschaffen, (zentraler oder dezentraler Einsatz, Verantwortung für das System, Detaillierungsgrad der Planung, Art und Umfang der Rückmeldungen, Turnus des Updatings und Informationsfluß).

Die Bewertung der Konzepte erfolgt mit Hilfe der erwähnten Techniken, einschließlich einer Aufwand-/Nutzen-Betrachtung. Danach wird das favorisierte Konzept dem Entscheiderkreis vorgelegt.

Extreme Erwartungen führen zum Flop

Nach erfolgter Installation des ausgewählten Projektmanagement-Systems beginnt die eigentliche Testphase, die einerseits Aufschluß über den tatsächlichen Leistungsumfang des Verfahrens bringt und andererseits ein Prüfstein für die Unterstützung des Anbieters sein sollte.

Ein wirkungsvoller Support während der Testphase ist unbedingt notwendig, da für einen effektiven und effizienten Einsatz die Philosophie und Denkweise des Systems kennengelernt werden muß. Dies kann nur der Software-Anbieter selbst vermitteln.

Damit die Testphase zu einem befriedigenden Ergebnis führt, sollte entweder ein geeignetes Projekt ausgewählt oder ein fiktives Beispiel aufgebaut werden, das alle Anforderungen widerspiegelt. Ein entscheidender Fehler in diesem Stadium der Planung sind die extrem hohen Erwartungen, die man an das ausgewählte Verfahren stellt. Geprägt durch den ganzen Prozeß der Auswahl und Entscheidung geht man mit bestimmten Vorstellungen an das System heran. Werden diese dann nicht erfüllt, schlägt die anfängliche Sympathie sehr schnell in Ablehnung um.

Als Anbieter von Projektmanagement-Systemen ist es deshalb manchmal gar nicht so schlecht, erst als Zweiter oder Dritter zum Zuge zu kommen, da dann die Erwartungen erheblich reduziert sind. Dadurch entstehen aber vermeidbare Kosten. Deshalb ist es wichtig, dem Verfahren "offen" gegenüberzutreten.

Dem System sollten keine individuellen Vorstellungen aufgezwungen werden.

Als Ergebnis der Testphase steht die endgültige Entscheidung über das Verfahren an.

Nunmehr erhebt sich die Frage nach der sinnvollen Einführung eines Projektmanagement-Systems. Sofort alle Funktionen nutzen zu wollen, die das ausgewählte System bietet, führt zwangsweise zur völligen Verwirrung. Da die Top-Verfahren eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten bieten, ist es wichtig zu wissen, was man macht beziehungsweise gemacht hat. Das hört sich im ersten Moment zwar banal an, ist aber das A und O beim Einsatz derartiger Verfahren. Die Informationen, die das System liefert, müssen richtig interpretiert werden können. Nur dann stellt sich der erwartete Nutzen ein. Es ist deshalb empfehlenswert, ein Projektmanagement-System sukzessive einzuführen, also nach Möglichkeit klein anzufangen, mit wenigen Projekten und wenigen Funktionen.

Ein Realisierungsplan ist aufzustellen, in welchem die Schritte der Einführung einschließlich der zeitlichen Planung festgelegt werden. Zusätzlich ist es notwendig, langfristig regelmäßige Reviews bezüglich des Einsatzes und der Nutzung des Projektmanagement-Systems einzuplanen und somit auch die angestrebte

Zielerreichung zu überprüfen.

Voraussetzung für eine effektive und effiziente Nutzung des Verfahrens ist eine intensive Einweisung und Schulung der zukünftigen Anwender. Trotzdem können auch dann noch Schwierigkeiten auftreten.

Der Einsatz derartiger Systeme verlangt eine gewisse Übung. Das bedeutet in erster Linie, daß die Nutzer des Systems nach der Philosophie eines DV-unterstützten Projektmanagements arbeiten müssen. Dies beginnt bereits mit der Planung der Projekte. Die bisherige personelle oder manuelle Projektverfolgung hat eine detaillierte Planung - wahrscheinlich nicht erforderlich gemacht. Deshalb sollte in diesem Stadium der Aufwand für die Unterstützung der Anwender nicht gescheut werden. Es macht sich in vielerlei Hinsicht bezahlt.

Eine detaillierte Planung, wie sie beispielsweise durch die Netzplantechnik erzwungen wird, verringert das Projektrisiko erheblich. Andererseits laufen die meisten Projekte nach dem gleichen Schema. Ist also einmal eine DV-gerechte Planung erstellt, läßt sich diese mit geringen Änderungen immer wieder verwenden, was somit den Aufwand für spätere Planungen reduziert.

Am Beispiel dieses Projektes müssen nun die im Konzept erarbeiteten Lösungsvorschläge überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden.

Mit welchen Kosten beziehungsweise welchem Aufwand muß man rechnen? Richtwerte zum Aufwand, die sich aus der Erfahrung ergeben haben, besagen, daß bei der beschriebenen Vorgehensweise die Auswahl eines geeigneten Verfahrens innerhalb eines Monats abgeschlossen sein kann. Die Ausarbeitung eines DV-unterstützten Projektmanagement-Grobkonzeptes dauert etwa einen halben Monat. Für ein Testinstallation sind zwei bis drei Monate einzuplanen. Am längsten dauert erfahrungsgemäß die Einführungsphase selbst. Dies hängt unter anderem von der Bereitschaft und Motivation der Mitarbeiter ab.

Um ein Top-Projektmanagement-System voll nutzen zu können, werden unabhängig vom Verfahren ein bis zwei Jahre benötigt.

Der Nutzen derartiger Verfahren läßt sich in der Regel nur schwer quantifizieren. Bedenkt man aber zum Beispiel, welche Folgen das Nichteinhalten vertraglich festgelegter Termine oder ein zu später Markteintritt haben, wird schnell deutlich, daß der Nutzen derartiger Verfahren den Aufwand bei weitem übersteigt.

Leichter tut man sich mit dem qualitativen Nutzen, der im wesentlichen in der realistischen Termin-Kosten- und Kapazitätsplanug, und in der permanenten und Schwachstellen-orientierten Überwachung liegt. So lassen sich eine hohe. Termin- und Kostentreue bei den Projekten erzielen. Gleichzeitig werden die Projekte aber transparenter (was unter Umständen nicht jedem gefällt), da die Projektbetroffenen nach der gleichen Methode planen und einheitliche Arten der Informationsdarstellung erhalten. Dies muß nicht heißen, daß alle die gleichen Ausgaben bekommen. Vielmehr bieten die Top-Projektmanagement-Systeme eine Vielzahl unterschiedlicher Ausgaben und zusätzlich fast uneingeschränkte Selektions- und Selektiermöglichkeiten.

* Eduard Hübsch und Klaus Nölke sind Berater der Roland Berger & Partner GmbH, München.