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Überraschungen von Apple

10.01.2001
Steve Jobs´ Eröffnung der Macworld Expo fiel anders aus als von vielen erwartet: Trotz neuer G4-Hardware standen Anwendungen für die Ära des "Digital Lifestyle" im Mittelpunkt.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - "Wir haben eine Menge unglaubliches Zeug, das wir Ihnen heute zeigen wollen", eröffnete Steve Jobs seine Keynote zur Macworld Expo in San Franzisko.

Mac OS X kommt am 24. März - 9.1 heute

Los ging´s mit einem Überblick der - vor allem den vielen Betatestern bereits weidlich bekannten - Architektur des kommenden Apple-Betriebssystems "Mac OS X". Der Auslieferungstermin des Unix-basierten (Mach-Kernel/BSD) OS steht nun endgültig fest - Anwender müssen sich noch bis zum 24. März mit der Public Beta begnügen. Ab Juli wird Mac OS X dann auf allen Macintosh-Rechnern vorinstalliert ausgeliefert.

Einen Blick auf einige aktuelle Modifikationen war recht aufschlussreich - zum Beispiel verschiedene verspielte neue Feinheiten der Benutzerführung (Apple-Menü, Schriften, Werkzeugleisten) oder ein neuer Bildschirmschoner. Grundsätzlich erklärte Jobs, man habe auf die zahlreichen Bedenken der Anwender gehört und werde deren Vorschläge beim Feinschliff von Mac OS X möglichst noch einarbeiten. Das lässt darauf schließen, dass die Benutzeroberfläche des neuen Betriebssystems doch dem bisherigen Mac-OS stärker ähneln könnte als bisher vermutet.

400 Entwickler arbeiten Jobs zufolge gegenwärtig an 1200 Programmen, die zum Erscheinen von Mac OS X die neuen Fähigkeiten des Betriebssystems ausnutzen, also mindestens "carbonized" sein oder noch besser das "Cocoa"-API nutzen. Auf der Bühne wurde als "Musterbeispiel" das Animationsprogramm "Maya" von Alias Wavefront demonstriert, das im kommenden Quartal erscheinen soll.

VERSCHWIEGEN: MAC OS 9.1

Überhaupt nicht erwähnt hat Steve Jobs in seiner Ansprache das neue Mac OS 9.1. Es steht seit heute zum Download bereit - allerdings bislang nur in 15 Einzelteilen und nicht als Komplettdatei (~72 MB). Anwender der Public Beta von Mac OS X sollten mit der Installation jedoch vorsichtig sein - das neue Classic-Betriebssystem arbeitet damit nicht zusammen. Allen übrigen Mac-OS-9-Anwendern ist das Update wegen zahlreicher Detailverbesserungen sicher zu empfehlen.

Powermac G4: "The Power to Burn"

Alles andere als unerwartet (Computerwoche online berichtete) ließ der Apple-Chef anschließend die neuen G4-Desktops vom Stapel. Diese verfügen über eine deutlich leistungsfähigere Systemplatine mit 133 Megahertz Bustakt, AGP-4x-Grafiksteckplatz und vier PCI-Erweiterungssteckplätze. Bei den drei größeren Modellen schaut der bisherige Haus- und Hoflieferant ATI in die Röhre - statt dessen kommt ein "Gforce2-MX"-Grafikbeschleuniger mit 32 MB Bildspeicher von Nvidia zum Einsatz.

Die neuen Macs haben - wie bereits berichtet - zunächst wieder nur einen Prozessor. Die durch die niedrigen Taktraten erzwungene "Doppelherz"-Ära ist damit vorerst beendet. Wer darauf besteht, kann allerdings die 533-Megahertz-Maschine auch mit zwei CPUs bestellen (Aufpreis 300 Dollar). Es folgten dann noch einige Ankündigungen im Peripheriebereich: Für die neuen G4s, die über einen integrierten Audioverstärker mit 10 Watt Ausgangsleistung verfügen, gibt es ab sofort "Profi-Lautsprecher" für 150 Mark. Der 15-Zoll-Flachbildschirm kostet statt 999 nur noch 799 Dollar.

Einen ziemlichen Rummel machte Steve Jobs um das neue "Superdrive"-Laufwerk, das serienmäßig aber nur im teuersten G4 verbaut wird. Es liest und schreibt CDs und DVDs gleichermaßen und verschafft dem Gerät damit die "Power to Burn", so Jobs.

POWERMAC G4 IM DETAIL

PowerMac G4/466 Megahertz: 128 MB SDRAM, 30 GB HD, CD-RW, "Rage-Pro"-Grafikkarte, Preis 4500 Mark;

Powermac G4/533 Megahertz: 128 MB SDRAM, 40 GB HD, CD-RW, Geforce2 MX, 6000 Mark;

Powermac G4/667 Megahertz: 256KB L2- und 1 MB L3-Cache (Motorola "PowerPC 7450"), 256 MB SDRAM, 60 GB HD, CD-RW, Geforce2 MX, 7500 Mark, sowie

Powermac G4/733 Megahertz: 256KB L2- und 1 MB L3-Cache, 256 MB SDRAM, 60 GB HD, CW-RW/DVD-R "Superdrive", Geforce2 MX, 9300 Mark.

Die beiden schnellsten Systeme sind erst ab Februar 2001 erhältlich.

Phil Schiller, Vice President Marketing, durfte im Anschluss den üblichen "Real-Life-Benchmark" präsentieren, in dem der neue G4 unter Adobes "Photoshop 6" gegen einen Intel-PC mit 1,5 Gigahertz schnellem Pentium 4 antreten musste. Wenig überraschend: Der Powermac ging wie stets als Sieger aus dem Rennen hervor (24 vs. 36 Sekunden). "Dies ist ein Beweis für den ´Megahertz´-Mythos - letztlich kommt es darauf an, wie schnell die ganze Maschine ist", tönte ein sichtlich erleichterter Jobs.

Die Ära des "Digital Lifestyle"?

"Wir fangen gerade erst an", so Jobs und ging zum nächsten Thema über, dem allerorten prophezeiten Ende der PC-Ära. Das sieht der Apple-Gründer nun wirklich nicht - er diagnostiziert vielmehr eine Evolution vom "Goldenen Zeitalter der Produktivität" über das "Internet-Zeitalter" zur kommenden Ära eines "Digital Lifestyle". Dessen Herzstück oder "Digital Hub" soll natürlich der Mac werden - klingt verdächtig nach Craig Barretts Keynote auf der CES in Las Vegas (nur dass der Intel-Chef natürlich den PC im Mittelpunkt des digitalen Lebens sah, Computerwoche online berichtete).

Als Beispiel für den digitalen Lebenswandel musste Apples bereits seit geraumer Zeit mit allen Firewire-Rechnernn vertriebenes "iMovie" herhalten. Jobs pries die Anwendung als massive Aufwertung eines digitalen Camcorders - die Kombination aus Hardware, Betriebssystem, Anwendung, Netz plus Marketing ergebe als Komplettlösung letztlich "Schreibtisch-Filme". Apple sei der einzig verbliebene Hersteller in der gesamten Industrie, der all diese Komponenten noch aus einer Hand bieten könne.

"iTunes": Let the music play

Nach dem Thema Video nimmt Apple sich nun Audio vor. Jeder Mac-Anwender soll sich seine eigene Musik so zusammenstellen können wie er möchte. Bisherige MP3- und CD-Brennprogramme seien viel zu kompliziert, erklärte Jobs. Gleiches gelte für Internet-Radio über Real oder Windows Media Player. Außerdem sei derartige Software meist vom Anbieter technisch limitiert - um die Kunden zum Umstieg auf eine leistungsfähigere Pro-Version zu bewegen, die meist um die 30 Dollar koste (Apple macht das mit "Quicktime" übrigens ganz genauso).

Wie auch immer, Apple glaubt nun die definitive Musik-Anwendung geschrieben zu haben: "iTunes" kann CDs rippen, MP3s kodieren, Web-Radio abspielen und natürlich auch CDs brennen. Das alles unter einer simpel gehaltenen Oberfläche im metallischen Look, wie er bereits von Quicktime und "Sherlock" bekannt ist. Mit 1100 digitalisierten Aufnahmen in seiner Playlist und dem Programm spielte Jobs dann eine Weile herum - das Kind in diesem Manne ist einfach reichlich dominant.

Zahlreiche Such- und Sortierfunktionen und einfache Drag-and-Drop-Bedienung rissen das 5000-köpfige Publikum ebenso zu Begeisterungsstürmen hin wie das abschließende Brennen einer CD per einfachem Knopfdruck oder die Übertragung von MP3-Songs auf einen per USB angeschlossenen MP3-Player. Die von anderen Programmen dieses Genres bekannten "Visualizer" zur grafischen "Darstellung" von Musik dürfen natürlich auch in iTunes nicht fehlen.

Das Beste aber kam zum Schluss: Das komplett uneingeschränkte Programm läuft unter dem aktuellen Mac-OS, kostet keinen Pfennig und steht ab sofort zum Download bereit (die eingedeutschte Ausführung folgt im Februar). Einziger Wermutstropfen: Populäre Brenner sollen erst nach und nach per Plugin eingebunden werden - bislang wird nur das Superdrive aus dem 733er-G4 direkt unterstützt.

"iDVD" - Bewegtbilder für (nicht ganz) Jedermann

Das nächste Thema bezeichnete Jobs als seinen "persönlichen Herzenswunsch": Jedermann soll künftig mit Apples Hilfe seine ganz persönlichen DVDs (Digital Versatile Disks) produzieren können. Dabei gebe es drei Hürden: Erstens müsse man die Scheiben rein technisch überhaupt einmal brennen können. Dies sei mit dem Superdrive erledigt.

Zweiter Stolperstein sei die MPEG-2-Kodierung. Entsprechende Hardware sei zu teuer, Software bisher viel zu langsam - die Umrechnung dauere 25 mal länger als die ursprüngliche Quelldatei. Damit sei jetzt Schluss sein: Apple-Entwickler hätten die Kodierzeit dank der Velocity Engine des G4-Prozessors von 25x auf 2x eingedampft, versprach Jobs und löste damit wahre Begeisterungsstürme aus.

Nun, so Jobs, fehle nur noch ein Programm, das von Anfängern einfach zu bedienen sei, aber auch Profis ausreichende Möglichkeiten biete. Und - quelle surprise - die zaubert Apple auch gleich noch aus dem Hut: "iDVD ist revolutionär", freute sich Jobs, der anschließend wieder ausgiebig seinen Spieltrieb ausleben durfte. Drag-and-drop-Anordnen von Filmen, Sortieren, Titeln - das Anlegen einer DVD wird regelrecht zum Kinderspiele. iDVD wird mit jedem Superdrive geliefert, die passenden DVD-Rohlinge liefert Apple für knapp zehn Dollar das Stück ebenfalls. Für Profis gibt es alternativ das "DVD Studio Pro", eine ab Ende Januar erhältliche Produktionsanwendung für knapp 2500 Mark.

"Das wird ein Riesending", war sich Jobs sicher, der vor dem notorischen "Eins hätte ich fast vergessen" die Applikationen als Apples Eintrittskarte in die Zukunft hinstellte.

Zum Schluss: The Power and the Sex!

Die abschließende Krönung wurde dann mit "It´s got the Power and the Sex" vorgestellt - das neue Powerbook mit 500-Megahertz-G4, "Rage Mobility"-Grafikbeschleuniger mit 8 MB, 15,2-Zoll-Display, Slot-load-DVD-Laufwerk und fünf Stunden Akkulaufzeit. Das Ganze hat Apple in ein 2,45 Zentimeter dickes Gehäuse aus reinem Titan gepackt, dadurch liegt das Gewicht des Powerbook G4 bei nur rund 2,4 Kilo. Die Preise fallen angesichts des Gebotenen mit 7000 Mark (400 Megahertz G4, 128 MB Hauptspeicher, 10-GB-Platte) respektive 9300 Mark (500 Megahertz G4, 256 MB Arbeitsspeicher, 20-GB-Platte) erfreulich zivil aus. Liefertermin: Ende Januar.

Fazit: Gemischte Gefühle

Natürlich ist das neue Powerbook ein schönes Gerät. Die G4-Desktops haben wieder ein Gutteil aufgeholt gegenüber der megahertztechnisch schier übermächtigen Intel-Welt. Und die neuen Anwendungen iTune und iDVD sind so unspektakulär gut gelungen, dass man sie fast schon als "natürliche" Software empfindet.

Aber iDVD kann man nur mit dem Superdrive nutzen - und das ist doch eine extrem exklusive Angelegenheit und wird es auch noch eine Weile bleiben. Also keineswegs das Massenprodukt, als das es Steve Jobs in seiner Keynote hingestellt hat. Und was nutzt uns iTunes, wenn der "Volksrechner" iMac nicht einmal den CD-Brenner spendiert bekommt, den man dazu bräuchte (ganz zu schweigen von mehr Megahertz)? (tc)