Interview

"Übernahmen sollte man nicht vom Zaun brechen"

05.01.2001
Mit Michael Dell sprach Don Tennant von der CW-Schwesterpublikation "Computerworld"

CW: Als CEO müssen Sie für den Wertzuwachs Ihrer Aktien sorgen. Wie wollen Sie die Investoren nach dem Kurssturz wieder glücklich machen?

Dell: Die Börse kann sehr frustrierend sein. Einige Dinge kann man kontrollieren, andere nicht. Wir konzentrieren uns auf das Wachstum bei Umsätzen, Cashflow und Gewinnen. Auf die volkswirtschaftliche Entwicklung und die Befindlichkeit unserer Industrie haben wir keinen Einfluss. Im letzten Quartal konnten wir den Ertrag bei Dell um 39 Prozent steigern, wir erzielten eine Milliarde Dollar an Cashflow und verfügen über acht Milliarden Dollar in Barreserven. Gleichzeitig fiel die Aktie, aber wenn wir unsere Entwicklung so fortsetzen können, wird der Kurs auch wieder anziehen. Manchmal geht es eben rasant aufwärts, machmal geht es schneller abwärts, als es sollte, aber an unserer Arbeit ändert das nichts.

CW: Sie wollen sich nach eigenen Angaben stärker auf mobile Geräte konzentrieren. Werden Sie einen Pocket-PC der Marke Dell auf den Markt bringen?

Dell: Momentan ist der Handheld-Markt sehr verwirrend, und ein klarer Sieger hat sich noch nicht abgezeichnet. Was verkaufte Einheiten angeht, schlagen Handhelds mit rund 18 bis 20 Prozent zu Buche, der Umsatz beträgt aber gerademal vier Prozent des Marktes. Selbst wenn sich die Werte verdoppeln, was die Marktforscher von IDC voraussagen, sind die Einnahmen mit Notebooks immer noch um ein Vielfaches bedeutender. Wir sind in der Tat sehr am Handheld-Bereich interessiert, allerdings haben Notebooks, Server und Speicher bei uns immer noch Vorrang.

CW: Wie groß sind die Chancen, dass man in diesem Jahr einen Dell-Handheld kaufen kann?

Dell: Es ist noch zu früh, dies zu sagen, aber wir arbeiten daran. Wenn allerdings ein Dell-Handheld auf den Markt kommt, wird sein Umsatzanteil an unserem Geschäft mit Mobilgeräten auch in fünf Jahren wahrscheinlich nicht mehr als zehn Prozent betragen.

CW: Sie setzen rund 50 Prozent mit Desktops um, ein Drittel Ihrer Gewinne stammen aus dem Segment. Wo geht der Trend hin?

Dell: Abwärts. Der Wechsel zu mobilen Geräten und natürlich zu mehr Servern, Speichern und Dienstleistungen für Unternehmen geschieht auf Kosten des Desktops. Ganz verschwinden wird das Segment natürlich nicht, denn schließlich muss man ja von irgendwo auf die Daten zugreifen können.

CW: Ziehen Sie, um zu diversifizieren, Übernahmen in Erwägung?

Dell: Die Unternehmen werden ja von Tag zu Tag billiger. Aber im Ernst, Übernahmen sollte man nicht vom Zaun brechen. Wenn wir ein Unternehmen kaufen sollten, wird es sich wohl eher um eine kleine Firma aus unseren Wachstumsbereichen Speicher, Services oder Wireless handeln.

CW: Wie stark wurde Dell vom Niedergang der Dotcom-Firmen getroffen? Wie viele der bedrohten Unternehmen sind Ihre Kunden?

Dell: Sicherlich sind eine Menge der Dotcoms kleine Firmen, und daher zählen auch viele zu unseren Abnehmern. Manchmal gehen die Geschäfte einfach gut, und dann muss man eben leider wieder in den sauren Apfel beißen. Wir dürfen dabei nur nicht übersehen, dass sich die Wirtschaft tatsächlich verändert. Es gibt Zeiten, in denen wir mehr experimentieren können als sonst. Eine solche Periode haben wir gerade hinter uns. Ich glaube allerdings weiterhin daran, dass gestandene Unternehmen vom Internet am meisten profitieren. Sie wissen, wie man Produkte entwickelt, die Kunden zufrieden stellt und Umsatz erzeugt. Mit den aktuellen Werkzeugen können sie ihre Geschäftsprozesse jetzt wesentlich effizienter gestalten, als dies bisher möglich war.

CW: Sie sind nach eigenem Bekunden am Linux-Markt interessiert. Befürchten Sie, dass Bill Gates und Steve Ballmer ein wachsames Auge auf Sie werfen?

Dell: Wenn ich an Linux denke, dann fallen mir dazu nicht Gates und Ballmer ein. Ich denke eher an die Kunden und wie wir ihnen helfen können. Für Unix-Anwender ist unserer Meinung nach Linux eine gute Alternative zu Suns Betriebssystem Solaris. Allerdings ist der Marktanteil von Linux klein, und wir erwarten auch keine massiven Wachstumsraten in kurzer Zeit.

CW: Was war Ihre beste Entscheidung bei Dell?

Dell: Dass ich vom College abgegangen bin und die Firma gegründet habe. Das war wirklich gut.

CW: Und die schlechteste?

Dell: Ende der 80er Jahre haben wir ein eigenes Unix-Derivat entwickelt. Das war wirklich nicht gut.