Überlebenskampf im ERP-Geschäft

13.04.2005
Von 
Peter Gruber arbeitet für die Portale Computerwoche und CIO.

Auch Naviconsult-Vorstand Ferner hält Navision trotz der Existenz des technologisch moderneren Axapta noch längst nicht für ein Auslaufmodell. "Navision ist als Oldtimer unter den ERP-Systemen immer noch gut zu vermarkten", lobt er die bewährte Technik des Systems. Für Navision sprechen seiner Meinung nach die zahlreichen Installationen und Branchenlösungen, die breite Händlerschar sowie deren große Kompetenz im Prozessumfeld.

An ein weiterhin beachtliches Marktpotenzial von Navision glaubt auch Jörg Niermann, Vorstand der Tectura AG in Münster, ebenfalls zertifizierter Microsoft-Partner. Navision, so der Fachmann, sei das reifere Produkt und in Deutschland wesentlich häufiger installiert als Axapta. Die absoluten Zahlen von Navision seien durchaus beeindruckend, auch wenn das Wachstum in Relation zum Axapta-Geschäft geringer ausfalle.

Axapta sucht Branchenlösungen

Tectura setzt deshalb verstärkt auf das Three-Tier-Produkt Axapta und hat seine Nähe zu der insolventen BOG bereits genutzt. Noch bevor das Systemhaus Konkurs anmeldete, schnappte sich Tectura die auf das System geschulten Mitarbeiter. "Wir bemühen uns außerdem, die Axapta-Kunden zu gewinnen", bekundete Heinz Bäurer, Begründer des gleichnamigen ERP-Softwarehauses, der seine Brötchen jetzt bei Tectura verdient.

Microsofts ERP-Krise

Die Sparte Microsoft Business Solutions (MBS) hat im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 211 Millionen Dollar Umsatz erwirtschaftet. Damit stagnierten die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahresquartal, in dem MBS 210 Millionen Dollar umsetzte. Der Bereich steuerte damit nur zwei Prozent zu den gesamten Konzerneinnahmen bei und schreibt weiterhin rote Zahlen. Der Verlust der kränkelnden Sparte verringerte sich jedoch von 139 auf 29 Millionen Dollar. Konkurrenz machen Microsoft im Bereich der Business-Software für Kleinbetriebe und mittelständische Firmen in Deutschland die Sage Group, die mit ihren Produkten "Office Line" und "Classic Line" zwei ERP-Pakete für diesen Zielmarkt anbietet. Außerdem drängt SAP mit "Business One" in den Mittelstandsmarkt. Nach Angaben von AMR Research gehören 20 Prozent der Navision-Kunden Konzernen, die R/3 oder Mysap einsetzen. Mit zunehmender Funktionalität von Business One steigen damit die Chancen der Walldorfer, bei dieser Klientel Navision abzulösen. Außerdem stellen Anbieter wie Soft M, Proalpha oder Bäurer mit ihrer Branchennähe ebenfalls eine Konkurrenz dar.

Laut BOG-Geschäftsführer Dillenseger hatte sein Unternehmen zuletzt zwölf Axapta-Bestandskunden - eine vergleichsweise geringe Zahl gemessen an den 600 betreuten Navision-Anwendern. Mit einigen der Axapta-Lizenznehmer hat Tectura laut Niermann bereits Abschlüsse erzielt. "Das Axapta-Geschäft ist aus unserer Sicht ein extrem attraktives Umfeld mit hohen Wachstumszahlen", begründet der Vorstand das Augenmerk auf dieses ERP-System. Es sei auch deshalb interessant und lukrativ, weil die Lösung von Microsoft im Bereich gehobener Mittelstand sowie im Konzernumfeld angesiedelt wird. "Es gibt eine Reihe Branchenlösungen, die in den USA und in Skandinavien entwickelt wurden, in Deutschland aber leider noch unbekannt sind", bedauert Niermann jedoch, der Microsoft in diesem Zusammenhang eine mangelhafte Informationspolitik vorwirft - anders als bei Navision.